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Prospektboten mit der Maurerkelle geschlagen? Angeklagter Gipser muss Haarprobe abgeben

Vor dem Murianer Bezirksgericht stand ein 52-jähriger Kosovare, der innerhalb weniger Monate ein ganzes Sammelsurium an Straftaten anhäufte. Das Urteil steht noch aus, erst muss der Gipser eine Haarprobe abgeben.

Das Jahr 2020 war für den heute 53-jährigen Ardit (alle Namen geändert) ein Jahr zum Vergessen. Dem selbstständigen Gipser aus dem Kosovo wuchs damals alles über den Kopf: Die Arbeit, die Rechnungen, die Vorladungen zum Betreibungsamt und obendrauf stritt er sich mit seiner Ehefrau Giuseppina. Der Handwerker sah nur noch eine Lösung: Er griff zum Kokain, um seinen Alltag zu bewältigen.

Die Drogen brachten ihn aber immer tiefer in die Bredouille und schliesslich vor die Schranken des Murianer Bezirksgerichts. Die Anklageschrift umfasst neun Seiten und reicht von einfacher Körperverletzung, Nötigung und Fahren ohne Fahrausweis und Haftpflichtversicherung bis zu mehrfachem Betäubungsmittelkonsum und Ungehorsam im Betreibungs- und Konkursverfahren.

Er entliess sich selber aus dem Spital

Das Unheil nahm im Februar 2020 seinen Lauf. Während einer Auseinandersetzung ohrfeigte Ardit seine Ehefrau. Weil dies nicht zum ersten Mal geschah, verfügte die herbeigerufene Kantonspolizei eine Wegweisung.

Daran hielt sich Ardit aber nicht. Einen Tag später erschien er wieder in der Wohnung, dieses Mal war er offenbar zugedröhnt mit Drogen. Er konnte kaum ein Wort sprechen, und Giuseppina liess ihn deswegen ins Spital einliefern. Ein toxikologisches Gutachten attestierte ihm eine deutliche Beeinträchtigung, der behandelnde Arzt schätzte ihn als nicht verhandlungsfähig ein.

Ardit hingegen war getrieben von der Eifersucht: Er hegte den Verdacht, dass seine Frau fremdging. Er entliess sich selbst aus dem Spital und fuhr nochmals in die Wohnung in der Region Wohlen. Dort angekommen, eskalierte die Situation: Der Gipser schlug Giuseppina nicht nur, er packte sie auch an den Haaren und legte ihr ein Kabel um den Hals. Zwar würgte er sie nicht, folgte ihr aber ins Bad, wo sie sich vor ihm versteckte.

Dort bedrohte er sie mit einem Küchenmesser, liess dann von ihr ab und schloss sie in der Wohnung ein. Giuseppina erlitt Blutergüsse am ganzen Körper sowie Schürfungen.

«Ich erkenne mich nicht wieder, ich bin nicht so»

Nun erschien Giuseppina gemeinsam mit ihrem Ehemann vor Gericht und bestätigte ihr Desinteresse an einer weiteren Strafverfolgung. «Wir haben keinen Streit mehr, und Ardit konsumiert keine Drogen mehr», bestätigte sie auf Nachfrage von Gerichtspräsident Markus Koch.

Ardit war sichtlich zerknirscht ob all der Dinge, die er während knapp sieben Monaten verbrochen hatte. Er sagte: «Ich erkenne mich nicht wieder, ich bin nicht so.» Vorgeworfen wurde ihm auch, dass er unter Drogeneinfluss Auto gefahren sei – und auch noch zu schnell und hin und wieder ohne Ausweis oder Versicherungsschutz. Diese Vergehen sowie die Tätlichkeiten gegen seine Frau gestand er alle ein.

Dass er hingegen jemand anderes angegriffen haben soll, das stritt er ab. Ihm wird vorgeworfen, einen Mann, der Prospekte verteilte, mit einer Maurerkelle angegriffen und ihn dabei verletzt zu haben.

Der Richter setzte das Urteil aus

Er habe als selbstständiger Gipser unter grossem Druck gestanden, begründete er sein Verhalten. Deshalb habe er auch verpasst, die Termine beim Betreibungsamt einzuhalten. Zur Besinnung kam der Freiämter Unternehmer erst während der 36 Tage dauernden Untersuchungshaft.

Sein amtlicher Verteidiger verlangte die Einstellung des Verfahrens. Eine Freiheitsstrafe sei kontraproduktiv, sein Mandant konsumiere keine Drogen mehr und verfüge über eine feste Anstellung. Der Staatsanwalt beantragte hingegen eine unbedingte Freiheitsstrafe von einem Jahr, eine Busse von 1000 Franken sowie eine ambulante, suchtspezifische Massnahme.

Gerichtspräsident Markus Koch machte sich den Entscheid nicht einfach. Statt eines Urteils erliess er eine Verfügung. Er sistierte das Verfahren für ein halbes Jahr, um mittels Haarprobe festzustellen, ob Ardit wirklich keine Drogen mehr konsumiert. Dies ist unter anderem auch Voraussetzung dafür, dass er seinen Fahrausweis wieder erhält.

«Sie haben heute erstmals Reue gezeigt betreffend der Taten gegenüber ihrer Frau», sagte Koch. Bevor das Urteil gesprochen werde, wolle er sicher gehen, dass Ardit keine Drogen mehr konsumiere und die Ehe tatsächlich intakt sei.

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