Gewerbeparole überrascht – und freut das Komitee «Nein zum Sendeschluss»

Die überraschende Nein-Parole des Aargauischen Gewerbe zur «No Billag»- Initiative (ZT/LN von gestern) freut das Komitee «Nein zum Sendeschluss». Auf Twitter frohlocken die Initiativgegner: «Schaut her: Nicht alle Gewerbler tanzen nach der Pfeife von Herrn Bigler. Einen ‹Toast› auf den Aargau!» Und auch das Komitee «Nein zu No Billag» lobt die Aargauer Gewerbler in einem Tweet. «Im Gegensatz zum Schweizerischen Gewerbeverband erkennt der kantonale Verband die Radikalität der Initiative und lehnt sie ab.»

Tatsächlich kommt das Nein zu «No Billag» ebenso unerwartet wie das Ja zur Masseneinwanderungsinitiative vor vier Jahren. Noch im November sagte Kurt Schmid, Präsident des Aargauischen Gewerbeverbandes, in einem Interview mit dem Zofinger Tagblatt, mehrheitlich übernehme man die Parolen des nationalen Verbandes. Schmid selber ist CVP-Mitglied und liess durchblicken, dass er der Initiative kritisch gegenüber steht. Aus der Sicht der Gewerbler sei es ärgerlich, «dass wir doppelt Billag-Gebühren zahlen müssen – als Unternehmer und als Bürger», sagte er. Auf der anderen Seite könne man sich schon fragen, «ob es richtig ist, dass mit einem Kahlschlag die ganze SRG wegbricht». Er sei selbst gespannt, wie der Vorstand abstimmen werde. «Ich kann mir vorstellen, dass es knapp wird», sagte Schmid damals.

Doch er sollte sich täuschen: Mit 13 zu 7 Stimmen fiel der Entscheid für das Nein im Vorstand klar. Was gab den Ausschlag für die Parole der Aargauer Gewerbler? Auch zu dieser Frage findet sich ein Hinweis auf Twitter: BDP-Nationalrat Bernhard Guhl, der sich gegen «No Billag» engagiert, schreibt: «War mir eine Ehre beim Vorstand des AGV die Nein-Position zu vertreten. Meine Präsentation war wohl überzeugend.»

Guhl rechnete mit einem Ja
Auf Nachfrage dieser Zeitung sagt Guhl, er habe als Referent die Argumente gegen die Initiative vertreten, während SVP-Nationalrat Thomas Burgherr für ein Ja geworben habe. «Ich bin in der Annahme zu dieser Vorstandssitzung gegangen, dass ich wohl ziemlich chancenlos sein dürfte.» Dennoch habe er sich sorgfältig vorbereitet und eine auf den Gewerbeverband zugeschnittene Präsentation erstellt. «Ich wies darauf hin, dass es bei einem Ja keine Vorgabe zu sachgerechter Berichterstattung und keine unabhängige Beschwerdeinstanz mehr geben würde, zudem kritisierte ich die geplante Versteigerung von Radio- und Fernsehkonzessionen.»

Guhl sagt, die ersten Votanten in der Diskussion im Vorstand hätten «No Billag» unterstützt. «Danach gab es auch kritische Stimmen, einige Vorstandsmitglieder bezeichneten die Initiative als zu extrem.» SVP-Nationalrätin Sylvia Flückiger habe natürlich für ein Ja geworben, FDP-Nationalrat Thierry Burkart hingegen für ein Nein. «Dass es am Schluss eine klare Mehrheit für eine Nein-Parole gab, hat mich überrascht und gefreut», bilanziert Guhl. Er selber sei der Meinung, dass die SRG nicht weiter wachsen dürfe, sondern das Budget reduzieren, Sender streichen und mehr sparen solle. «Die Initiative ist jedoch zu radikal», hält der BDP-Vertreter fest. Guhl findet, das Parlament müsse eine Debatte über den Service public, die Aufteilung von Inhalten und Angeboten zwischen SRG und Privaten und den Umgang mit neuen Medien führen. Diskutiert werden solle dies im neuen Mediengesetz, das dieses Jahr in die Vernehmlassung geht. «Dass in diesem Rahmen dem Anliegen der Gewerbevertreter entsprochen werden kann, dass sie nicht zweimal Billag-Gebühren zahlen müssen, glaube ich allerdings nicht», macht Guhl klar. Schliesslich habe das Volk dies bei der Abstimmung über die Revision des Radio- und Fernsehgesetzes 2015 so beschlossen.

Burgherr spürte SRG-Skepsis
«Ich bin eher davon ausgegangen, dass der Gewerbeverband die Initiative unterstützen würde», sagt SVP-Nationalrat und «No Billag»-Unterstützer Thomas Burgherr. Dass ein Unternehmer ab 2019 zweimal Billag zahlen müsse und diese Gebühren für viele Firmen um einiges höher seien als bisher, ist aus seiner Sicht ein Argument für ein Ja. «Zudem kann es einem KMU-Vertreter doch nicht gefallen, wenn eine Institution wie die SRG mit derart grosser Kelle anrührt», sagt er.

Aus der Diskussion liess sich laut Burgherr nicht herauslesen, ob es eine Ja- oder eine Nein-Parole geben würde. «Dass der Vorstand des Gewerbeverbands die Initiative so klar ablehnt, hat mich überrascht, denn ich habe eine beträchtliche Skepsis gespürt: Die SRG gebe zu viel Geld aus und betreibe zu viele Sender, war mehrfach zu hören.»

Thomas Burgherr glaubt nicht daran, «dass das Parlament der SRG mit dem Mediengesetz die nötigen Schranken setzen wird. Dies wurde schon mehrfach versucht und ist bisher nie passiert.» Und die doppelte Billag-Gebühr für Unternehmer, deren Firma über 500000 Franken Jahresumsatz erzielt, könne nur mit einem Ja zur Initiative verhindert werden. «Im neuen Mediengesetz geht es nicht um die Gebühren», macht Burgherr deutlich.

VON FABIAN HÄGLER / az