
Grosse Zuversicht in der «Borna» trotz der Corona-Krise
«Zutritt für Besucherinnen und Besucher untersagt.» Ein Plakat mit diesen Zeilen hängt an allen Eingangstüren zur Rothrister Arbeits- und Wohngemeinschaft Borna. Corona-Zeit eben. Getrübte Stimmung im Haus? Ein Blick hinter die Kulissen zeigt: Das Leben in der Borna verläuft – von kleineren Einschränkungen abgesehen – im üblichen Rahmen, in den Werkstätten wird gearbeitet. Und vor allem: Die Stimmung ist locker, der Umgang zwischen Bewohnenden und Mitarbeitenden freundlich, respektvoll und entspannt.
Die Leute brauchen eine klare Tagesstruktur
«Ich habe mich von Anfang an dagegen gewehrt, die Werkstätten zu schliessen», sagt Borna-Gesamtleiterin Christine Lerch im Rückblick auf den Beginn der Corona-Krise. Denn gerade Leute mit Beeinträchtigungen würden äusserst sensibel auf Veränderungen im Tagesablauf reagieren. Es sei vielleicht etwas überspitzt formuliert, aber sie sei überzeugt: Wären die Werkstätten in der Borna geschlossen worden, hätte dieser Entscheid etwa bei der Hälfte aller Mitarbeitenden psychische Probleme zur Folge gehabt. «Unsere Leute brauchen eine klare Tagesstruktur», betont Christine Lerch, und diesbezüglich komme der Arbeit in den Werkstätten eine gewichtige Bedeutung zu.
Viel «Büez» in den Werkstätten
Ob Textilatelier, Konfektion, Bürstenmacherei, Schreinerei, Sesselflechterei, Montage oder Spedition – auf einem Rundgang durch die verschiedenen Abteilungen zeigt sich überall das gleiche Bild: Die Mitarbeitenden der Borna sind am «Chrampfen». Dieser Eindruck sei richtig, bestätigt auch Christine Lerch. Vor Ostern habe die Borna zwar einen grösseren Auftragseinbruch gehabt, weil ein Grossverteiler kurzfristig einen ansehnlichen Auftrag storniert habe. Die Auftragslage sei aber sehr schnell wieder viel besser geworden. «Jetzt haben wir wieder extrem viel Arbeit im Haus», hält Christine Lerch zufrieden fest.
Und auch in der achten und jüngsten Werkstatt-Abteilung, jener für externe Arbeitseinsätze, laufe es wie gewohnt. Die Nachfrage sei nach wie vor gut. Die Abteilung für externe Arbeitseinsätze wurde 2010 ins Leben gerufen, mit dem Ziel, die Integration der Mitarbeitenden in die Gesellschaft gerade dadurch zu fördern, indem diese die Werkstätten zeitweilig verlassen.
Den BAG-Vorschriften wird Folge geleistet
Um die Vorschriften des Bundesamts für Gesundheit (BAG) einhalten zu können, wurden in den Werkstätten der Borna Anpassungen vorgenommen. «Es sind nicht mehr alle Arbeitsplätze besetzt, damit die Abstände zwischen den Mitarbeitenden eingehalten werden können», erklärt Christine Lerch. Nach Möglichkeit achte man auch darauf, dass extern wohnende Mitarbeitende von intern wohnenden getrennt eingesetzt werden könnten. Zudem müssten Mitarbeitende, die zur Risikogruppe gehörten, zu Hause bleiben. Und die Transporte zu externen Einsätzen würden mit weniger Mitarbeitenden, dafür mit zusätzlichen Fahrten gemacht. «Es ist wichtig, dass wir als Institution die BAG-Regeln einhalten können», betont Christine Lerch. Genauso wichtig sei allerdings, dass «wir unsere Leute nicht noch mit zusätzlichen Vorschriften einschränken.»
Die vorgeschriebenen Abstände im Wohnheim einzuhalten, sei dagegen bedeutend schwieriger, gibt Christine Lerch zu verstehen. «Das Leben innerhalb einer Wohngruppe gleicht schliesslich ja auch dem Leben innerhalb einer Familie», sagt Lerch weiter und dann sei auch zu respektieren, dass dort die Abstände geringer seien. Das sei weder für Bewohnende noch betreuende Mitarbeitende ein Problem. «Unsere Mitarbeitenden zeigen sich in der Krisenzeit sehr engagiert – von Panik irgendwelcher Art ist in unserem Haus überhaupt nichts zu spüren», sagt sie zufrieden.
Auch im Wohnheim gehe es darum, die Tagesstrukturen der pensionierten Betreuten möglichst im gewohnten Rahmen zu belassen – oder eben sinn- und fantasievoll anzupassen. Wie etwa die Kaffeerunde, die momentan beim Pavillon im Garten durchgeführt wird, statt wie bis anhin in der Cafeteria des Alterszentrums Luegenacher.
Die momentane Unmöglichkeit, gemeinsame Ausflüge zu unternehmen werde aber ebenso als gravierender Mangel empfunden wie das fehlende Sportangebot. «Sportliche Betätigungen wie das Schwimmen, das wir in Eigenregie durchführen, oder das von Plusport Zofingen angebotene Turnen fehlen unseren Leuten sehr», so Lerch.
Die Situation mit Humor meistern
Individuelle Spaziergänge und spezielle Beschäftigungsprogramme seien dazu da, die Freizeit für die Bewohnenden abwechslungsreich zu gestalten. Und man versuche auch, dem Jahresthema 2020 nachzuleben. Es laute dieses Jahr «Humor». Sie erinnere sich gerne an ein Nachtessen mit Fasnachtsperücken, das für alle Beteiligten lustig gewesen sei, sagt Christine Lerch. Vielleicht sei ja gerade die Tatsache, dass man die aktuelle Situation auch mit Humor zu meistern versuche, mitverantwortlich dafür, dass sich in der Borna keine Leute mit dem Corona-Virus infiziert hätten.
Schmerzende Umsatzausfälle
Sorgen bereitet der Borna-Gesamtleiterin, dass der Borna-Laden an der Bernstrasse voraussichtlich noch bis zum 11. Mai geschlossen bleiben muss. «Das schmerzt», sagt Christine Lerch, «finanziell noch stärker schlagen allerdings die Anlässe zu Buche, die wir absagen mussten.» So etwa der Muttertagsbrunch, aber auch viele externe Anlässe wie Generalversammlungen oder Konfirmationsfeiern, die nicht im Haus stattfinden konnten. «Das sind fünfstellige Beträge, die uns fehlen», betont Lerch.
Erfreuliche Nachrichten gibt es dafür zum Neubauprojekt. «Das Vorprojekt startet jetzt, wir sind damit genau im Zeitplan», betont sie. Läuft weiterhin alles nach Plan, soll der Spatenstich im Frühling 2021, der Bezug des Wohnheims 2023 erfolgen. Anschliessend ist der Abriss des bisherigen Wohnheims sowie der Neubau der Werkstatt vorgesehen. Der Bezug der neuen Werkstatt ist für 2024 geplant. Für das gesamte Projekt, das unter Vollbetrieb erfolgt, rechnet die Borna mit Baukosten von rund 50 Millionen Franken.
