
Grossgemeinde Glarus Nord: «Dienstleistungen sind besser und professioneller geworden»

Grossgemeinde Glarus Nord
Steuereinnahmen stiegen um 9 Millionen
Seit dem 1. Januar 2011 besteht der Kanton Glarus nicht mehr aus 25 Ortsgemeinden, sondern nur noch aus drei grossen Einheitsgemeinden. Den entsprechenden Entscheid fällten die Glarnerinnen und Glarner an der Landsgemeinde 2006 – er fiel knapp aus. Es brauchte 2007 eine ausserordentliche Landsgemeinde – die erste seit Inkrafttreten der Kantonsverfassung von 1887 – um den Entscheid von 2006 zu stützen. Bereits zwei Jahre später stimmten die Bürgerinnen und Bürger dem angepassten Gemeindegesetz, das die Fusion regelte, deutlich zu. Die drei neuen Gemeinden, die aus der Verschmelzung hervorgingen, heissen Glarus Nord, Glarus und Glarus Süd.
Kurz nach dem letzten Beschluss der Landsgemeinde von 2008 begann die Knochenarbeit. In der künftigen Gemeinde Glarus Nord beispielsweise musste ein Steuerungsausschuss, bestehend aus den acht amtierenden Gemeindepräsidenten, dafür sorgen, dass ausserordentliche Gesamt-Gemeindeversammlungen bis Mitte 2009 Name und Wappen sowie Gemeinde-, Personal- und Besoldungsverordnung beschliessen konnten. Im gleichen Jahr fanden die Wahlen des Gemeinderates und dessen Präsidenten statt.
Martin Laupper, bis Ende Juni Gemeindepräsident von Glarus Nord, verweist nicht ohne Stolz auf das, was man in den vergangenen siebeneinhalb Jahren erreicht hat. 2011, im Jahr 1 der Fusion, lagen die Steuereinnahmen bei 36,1 Millionen Franken; letztes Jahr waren es rund neun Millionen oder 12,5 Prozent mehr, nämlich 45,2 Millionen.
Der Steuerertrag pro Kopf stieg im gleichen Zeitraum von 3235 Franken auf über 4000 Franken. Ende 2017 lebten 18207 Menschen in den acht Dörfern von Glarus Nord – 1506 mehr als Anfang 2011.
Was bringt das Verschmelzen von Gemeinden, wie es im Bezirk Zofingen gerade wieder diskutiert wird, wirklich? Einer, der Erfahrung damit hat, ist Martin Laupper, der ehemalige Gemeindepräsident von Glarus Nord – einem Gebilde, in das Anfang 2011 acht Gemeinden eingingen. Laupper war Projektleiter der Fusion und präsidierte Glarus Nord bis vor wenigen Tagen. Diese Zeitung sprach mit ihm über die Vorteile, aber auch über die Nachteile eines solchen Grossprojekts.
Herr Laupper, was haben die Fusionen im Kanton Glarus unter dem Strich gebracht?
Der grösste Vorteil ist, dass wir über grössere Regionen planen können. Die Gemeinden stehen nicht mehr im Wettkampf untereinander, bei dem um Baugebiete und Arbeitsplätze gebuhlt wird und eine unkoordinierte Entwicklung erfolgt. Projekte, die seit Jahrzehnten angestanden sind, haben wir in Glarus Nord aufgleisen können – und zwar innerhalb kürzester Zeit.
Können Sie Beispiele nennen?
Etwa das Projekt Stichstrasse Näfels-Mollis, welche ab diesem Jahr realisiert wird. Dann haben wir das Projekt Umfahrung Näfels aufgegleist, ein Vorhaben, bei dem es während Jahrzehnten keine Lösung gab, weil kein Konsens unter den Gemeinden zustande kam. Zwei Jahre nach der Gründung der fusionierten Gemeinde haben wir zudem den alten Armee-Flughafen Mollis mit 400 000 Quadratmetern Land dem Bund abgekauft. Das hat zu einer unglaublichen Chance geführt: Das Unternehmen Kopter baut auf dem Gelände den ersten Helikopter aus Schweizer Produktion, etwa 400 Arbeitsplätze dürften dadurch entstehen. Ebenso soll am Flugplatz ein Helikopter-Kompetenzzentrum entstehen.
Das klingt tatsächlich nach einer guten Entwicklung.
Ja, wenn man sich vorstellt, wo wir gestartet sind, ist das erfreulich. Wir hatten Schulden, die Bevölkerung schrumpfte, wir verloren Arbeitsplätze. Nur allein der Entscheid brachte Bewegung in den Kanton. Man spürte die Dynamik. Kurz nach der Gründung der Gemeinde Glarus Nord hatten wir eineinhalb Milliarden Franken Bauvolumen in den Büchern. Inzwischen sind fast alle Werte, die man messen kann, positiv: Die Bevölkerung wächst, wir haben mehr Unternehmen und mehr Arbeitsplätze. Wir konnten auch Investitionen auslösen, und zwar in einer Höhe, die man ohne Fusion nicht hätte stemmen können. Wir haben in acht Jahren 120 Millionen Franken in die Infrastruktur investiert und haben langsam eine ausgeglichene Erfolgsrechnung.
Sie zählen jetzt viele Vorteile auf. Gibt es Nachteile?
Die grösste Herausforderung sind die weichen Faktoren, die Identität. Der Bürger liebt seine Gemeinde. Wenn es zu einer Veränderung kommt, gibt es zunächst Verunsicherung oder sogar Frustration. Es fehlt das Gemeindehaus oder der Verwaltungsangestellte, den man schnell anrufen konnte. Der Bürger kann zwar auf eine professionellere Verwaltung zurückgreifen, ist aber nicht mehr so nahe bei seiner Gemeinde. Es ist wichtig, gerade in einer ersten Phase die Bürgerinnen und Bürger abzuholen, dass sie in neuen Gefässen Identität finden und sich wieder wohlfühlen. Identität kann man nicht erzwingen, man muss sie erarbeiten.
Das braucht viel Zeit.
Ja, vielleicht Generationen. Am Anfang gingen die Emotionen noch stark hoch, aber das hat sich gebessert. Ein kleiner Teil der Leute kann sich nie damit abfinden, dass die Welt anders geworden ist.
Den Bürger interessieren vor allem die Steuern. Wie steht es damit?
Die Steuereinnahmen in Glarus Nord sind gegenüber dem Startjahr 9 Millionen Franken gewachsen, auch die Steuerkraft verbessert sich. Mit dem Start der neuen Gemeinden im Januar 2011 haben wir die Steuern durchschnittlich um zehn Prozent gesenkt, was zunächst in eine unschöne Situation führte. Das erste Budget wies ein Minus von 6,9 Millionen Franken aus. Mit konsequentem Kostenmanagement und dank dem Wachstum haben wir es dahin gebracht, dass wir eine schwarze Null ausweisen.
Sie haben die Steuern nicht wieder angehoben?
Es fand eine Ausjustierung der Steuern mit dem Kanton statt, welche für den Steuerzahler letztlich eine Anpassung von 2 Steuerprozenten mit sich brachte; nun steht die Sanierung eines Sportzentrums für 18 Millionen Franken an. Dies wird ohne Steuererhöhung nicht machbar sein.
Unter dem Strich also jetzt weniger Steuern – aber auch nicht schlechtere Dienstleistungen?
Nein, die Dienstleistungen sind flächendeckend besser und professioneller. Ich bin sicher, dass man die wirklichen Effekte erst in einigen Jahren wird beurteilen können. Die Region Glarnerland hätte langfristig Mühe bekommen, selbstständig zu überleben, wenn man nicht eingegriffen hätte.
Falls die Region Zofingen tatsächlich einmal ein ähnliches Projekt aufgleisen sollte: Was wäre ihr wichtigster Tipp?
Nicht zu viel versprechen! Das führt zu Erwartungshaltungen, wenn diese nicht bedient werden können, folgen Frustrationen. Also: Die Erfolge feiern, wenn man die Schritte macht – und nicht vorher. Und die Steuern dann senken, wenn man es sich leisten kann. Aber das Potenzial ist enorm: Wir haben die Feuerwehren, alle Altersheime und alle Elektrizitätswerke zusammengelegt; entstanden sind professionelle, schlagkräftige Organisationen, die nach vorne blicken. Dadurch, dass wir eine Grossgemeinde geworden sind, konnten wir attraktive Wohnbedingungen schaffen, beispielsweise mit flächendeckenden Tagesstrukturen auch während der Ferienzeit. Solche Dinge sind matchentscheidend, ob jemand nach Glarus Nord zieht oder nicht.
Diese Zeitung publizierte letzte Woche zwei Vorschläge, den Bezirk Zofingen von heute 18 auf drei oder vier Verwaltungseinheiten zu verschlanken. Es folgten mehrere Gastbeiträge dazu. Heute äussert sich der ehemalige Gemeindepräsident von Glarus Nord