
Günti Zimmermann: Kulturbotschafter ausser Dienst
Günti Zimmermann oder «Guez», wie er bei seinen Kollegen aufgrund seines Kürzels hiess, gehörte zu der Sorte Journalisten, die einfach das tun, wofür sie bestimmt sind. Güntis Interesse für die Kultur – im Speziellen für die Musik – war ihm quasi angeboren. Und die Begeisterung und die Sorgfalt, mit der er die letzten 11 Jahre für die Produkte der ZT Medien AG über alles Kulturelle berichtete, war stets ehrlich, direkt und ansteckend.
Der Mann in Schwarz
Nur wenige Menschen dürften Günti jemals in Kleidern gesehen haben, die nicht schwarz waren. Bereits in der Kantizeit in Zofingen hatte er sich für jene Farbe entschieden, die bekanntlich keine ist. Nicht nur in dieser Sache legte Günti eine Konsequenz an den Tag, wie man ihr selten begegnet. Als das regiolive-Team, dem Guez vom ersten Tag an angehörte, T-Shirts drucken liess und sich aus verkaufstechnischen Gründen für die Farben Weiss und Pink entschied, hörte man ihn leise lachen: «Tja, unter diesen Umständen werde ich wohl keines dieser Shirts tragen.» Nun, er trug sie dann doch, die regiolive-Shirts. Und zwar die paar schwarzen, die man kurzfristig doch noch in Auftrag gab!
Trotz seiner Vorliebe für Schwarz war Günti beileibe kein düsterer Mensch. Sein Sinn für schrägen, skurrilen Humor offenbarte sich sehr zur Freude seiner treuen Leserschaft jeden Montag, wenn er seine «Montagslacher» präsentierte. Das konnte etwa eine «Zollinhaltserklärung» der Deutschen Zollverwaltung sein, auf der «1 LP mit Musik» zu lesen war oder ein Schild an einer Tür, auf dem «Bitte Licht den ganzen Tag brennen lassen!!! Die Lichtautomatik braucht beim Aufstarten sonst zu viel Energie» stand. Legendär waren auch Güntis Dienstag-Quiz‘ auf regiolive.ch, deren thematische Breite schier unerschöpflich schien. Aber egal, ob es um die ältesten Tiere der Welt, um’s Woodstock-Festival oder um Beschimpfungen von Prominenten ging: Die 12 Fragen waren meist dermassen schwer zu lösen, dass man mehr als zufrieden sein konnte, wenn man 8 Richtige erreichte.
Der schreibende Leser
Günti war ein begnadeter Beobachter, der sich meist unauffällig im Hintergrund aufhielt, aber alles genauestens registrierte. Und er war ein beinahe obsessiver Zeitungsleser. Oft sah man ihn bei einem Glas Pinot Grigio am Stammtisch des «Goldenen Ochsen» sitzen, stundenlang vertieft in die Lektüre jeder erdenklichen Zeitung, die ihm in die Finger kam. Zu seiner Stammlektüre gehörte neben vielen Musikzeitschriften auch die «Dampferzeitung. Das Magazin für den Schiffsfreund». Dem Vernehmen nach soll Guez die Zeitschrift jahrelang am Kiosk gekauft haben, bis er herausfand, dass ebendiese in der Druckerei des Zofinger Tagblattes gedruckt und somit für Mitarbeiter eigentlich umsonst zu haben gewesen wäre. Dampfschiffe und Züge: das waren die Orte, an denen sich Günti an seinem freien Mittwoch bevorzugt aufhielt. Es gab kaum eine Ecke in der Schweiz, die Günti nicht gesehen hatte und über die er nichts Interessantes zu berichten wusste.
Der schreibende Zuhörer
Wenn Güntis grösste Leidenschaft, die Musik, ins Spiel kam, dann lief er zu Höchstform auf. So jeweils am Heitere Open Air, wo er kaum ein Konzert verpasste und problemlos auch noch morgens um zwei die letzte Konzertkritik abfeuerte. Niemals hätte Günti ein Konzert gutgeschrieben, das ihn nicht begeisterte. Aber auch seine denkwürdigsten Verrisse von Heitere-Auftritten liessen den Leser nie an der wichtigsten Sache zweifeln: Hier schrieb ein ebenso begeisterter wie informierter Musikfan, der für beinahe jede Art von gutgemachter Musik schwärmen konnte, nie in Schubladen dachte und stets bemüht war, objektiv zu bleiben.
Am letzten Wochenende ist Günti an den Folgen einer schweren Krankheit im Alter von 45 Jahren viel zu früh gestorben. Das Zofinger Tagblatt verliert mit Günti einen aussergewöhnlichen Menschen, einen scharfsinnigen Beobachter und einen formidablen Kulturredaktor, auf dessen Wort man sich stets verlassen konnte. Rührseligkeiten waren nicht Güntis Ding. Zum Schluss deshalb seine eigenen Worte, die er über seinen Nachruf für den Zofinger Stadtkater Jerry gesetzt hat: Just remember that death is not the end…
Lachen Sie nochmals über Güntis grossartige «Montagslacher»
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Streicheleinheiten und Peitsche: Güntis Konzertkritiken vom Heitere Open Air