Haben Sie es bemerkt? Gleich drei Aargauer Fussballer führen starke Schweizer zum 1:1 gegen Deutschland

Es fallen Worte wie „angepisst“ und „das geht mir auf den Sack“: Die deutschen Superstars Toni Kroos und Ilkay Gündogan sowie Bundestrainer Jogi Löw sind nach dem 1:1 gegen die Schweiz so richtig angefressen. Kein Wunder: „Nur“ gegen die Schweiz und angesichts der Schlussphase können die erfolgsverwöhnten Gäste froh sein, wenigstens den einen Punkt verteidigt zu haben.

Verantwortlich für die miese Stimmung im deutschen Lager sind auch drei Aargauer. Ja genau – haben Sies am Sonntagabend vor dem TV bemerkt? Gleich drei Aargauer standen in der Schweizer Startelf! Mehr noch: Silvan Widmer, Loris Benito und Renato Steffen gehörten zu den Besten und zeigten Natitrainer Vladimir Petkovic, dass sie mehr sind als Alternativen für Mbabu, Zuber und Shaqiri. Von den Medien erhielten sie durchs Band Bestnoten.

Silvan Widmer:

„Diesen Abend werde ich so schnell nicht vergessen“, strahlt Widmer nach dem Schlusspfiff. Der 27-Jährige erzielte das 1:1 und somit sein erstes Länderspieltor, ausgerechnet im Prestigeduell gegen Deutschland, ausgerechnet im St. Jakob-Park, Heimstadion seines Arbeitgebers FC Basel.

Vor zwei Jahren kehrte Widmer aus Italien zurück in die Schweiz. Die FCB-interne Rekordablösesumme soll rund 6 Millionen Franken betragen haben, wovon ein Teil auch auf das Konto des FC Aarau floss: Dieser verkaufte Widmer 2013 für gut eine Million Franken nach Italien zu Udinese Calcio und sicherte sich für den Fall eines Weiterverkaufs eine Ablösebeteiligung. 

Widmers Entdecker beim FCA war René Weiler, im Sommer 2011 holte dieser das damals 18-jährige Abwehrtalent zu den Profis und schenkte ihm von Anfang an als Stammspieler grosses Vertrauen. Widmer, der seine Fussballkarriere als Knirps beim FC Würenlos startete, zahlte mit überragenden Leistungen zurück: Mit ihm als laufstarkem und torgefährlichem Rechtsverteidiger schaffte Aarau 2012 den Sprung in die Barrage, ein Jahr später gelang der Aufstieg in die Super League. Unvergessen bleibt Widmers Hattrick im Frühling 2013 im Kantonsderby gegen Wohlen. Insgesamt machte Widmer für den FCA 70 Spiele.

Zum Abschied beim FCA im Sommer 2013 schenkte Silvan Widmer az-reporter Ruedi Kuhn ein Trikot

Zum Abschied beim FCA im Sommer 2013 schenkte Silvan Widmer az-reporter Ruedi Kuhn ein Trikot © André Albrecht

Schon während der Aufstiegssaison unterschrieb er einen mehrjährigen Vertrag bei Udinese. All jene, die den Sprung von der Challenge League in die Serie A als zu gross bezeichneten, belehrte er eines Besseren: Nach einem halben Jahr Anlaufzeit wurde er auch dort Stammspieler. Sein Debüt in der Nationalmannschaft feierte er 2014, seither kamen acht weitere Einsätze dazu. Nur acht Einsätze, für die WM 2018 wurde er gar nicht erst aufgeboten. Widmers Pech: In der Nati ist der Konkurrenzkampf nirgends so gross wie rechts hinten. Wer weiss – vielleicht waren Widmers Tor und starke Leistung gegen Deutschland der Startschuss zu einer Liebesbeziehung zwischen ihm und der Nationalmannschaft.

Verstehen sich prächtig: Die Ex-FCA-Profis Silvan Widmer und Loris Benito

Verstehen sich prächtig: Die Ex-FCA-Profis Silvan Widmer und Loris Benito © Claudio Thoma

Loris Benito:

Sein Schuss Mitte der ersten Halbzeit war so etwas wie der Wendepunkt in der bis dahin von den Deutschen dominierten Partie. Fortan trauten sich die Schweizer mehr zu, auch Benito, der mit seinen Flankenläufen viel Druck erzeugte. Auch defensiv wusste er mit starkem Stellungsspiel zu gefallen.

Gegen Deutschland ein steter Unruheherd am linken Flügel: Loris Benito

Gegen Deutschland ein steter Unruheherd am linken Flügel: Loris Benito

© freshfocus

Benitos Stern ging nach dem Abstieg des FC Aarau im Jahr 2010 auf. Der damalige Trainer Ranko Jakovljevic verpasste dem Team eine Verjüngungskur, hinten links setzte er auf den Neffen der FCA-Goalielegende Ivan Benito. Eineinhalb Jahre später folgte der Wechsel zum FC Zürich, mit dem Benito 2014 Cupsieger wurde und danach weiterzog zu Benfica Lissabon. Der portugiesische Weltklub entpuppte sich für den damals 22-Jährigen als eine Nummer zu gross: Benito wurde zwar Meister, dazu beigetragen hat er jedoch lediglich 95 Spielminuten. Als goldrichtig hingegen entpuppte sich die Wahl des nächsten Arbeitgebers: YB. Vier Jahre (2015-2019) verbrachte Benito in der Hauptstadt, wurde Nationalspieler und 2018 als Teil des ersten Berner Meisterteams seit 1986 zum Stadthelden. Nach dem neuerlichen Titelgewinn 2019 wagte Benito erneut den Sprung ins Ausland, dieses Mal zu Girondins Bordeaux.

2019 wurde Loris Benito nach zwei Meistertiteln mit YB zum Aargauer Sportler des Jahres gewählt

2019 wurde Loris Benito nach zwei Meistertiteln mit YB zum Aargauer Sportler des Jahres gewählt

© Alexander Wagner

Als waschechter Aarauer ist Benito immer mal wieder im Brügglifeld anzutreffen. Seine Mutter Mariluz arbeitet auf der Geschäftsstelle des FC Aarau.

Renato Steffen:

Zwar nie gespielt für die FCA-Profis, aber dennoch Brügglifeld-Luft geschnuppert hat Renato Steffen: Als Junior wechselte er von seinem Heimatdorf Erlinsbach über die Aare in die Nachwuchsabteilung des FC Aarau. Dort jedoch kam man mit dem aufmüpfigen Charakter Steffens nicht zurecht und stempelte ihn zudem als „zu klein für eine Profikarriere ab“.

Nach der Ausbootung in Aarau kickte Renato Steffen für den SC Schöftland.

Nach der Ausbootung in Aarau kickte Renato Steffen für den SC Schöftland. © Otto Lüscher

Im Nachhinein ein grosser Fehler: Steffen verliess das Brügglifeld im Streit, machte eine Malerlehre und kickte fortan für den SC Schöftland. Für den Dorfklub aber war sein Talent viel zu gross: 2011 der Erstligist FC Solothurn und 2012 gar der FC Thun aus der Super League nahmen sich Steffen an. Im Berner Oberland gelang der Durchbruch, so dass 2013 der nächste, logische Schritt zu YB folgte. Dort wurde er mit seiner Spielweise und Provokationen zur Reizfigur für gegnerische Fans, allen voran für jene des FC Basel: Viele von ihnen pfiffen Steffen aus, als er Anfang 2016 ans Rheinknie wechselte. Aber auch diese Widerstände überwand er – zwei Jahre später verliess er den FCB als Publikumsliebling in Richtung Bundesliga: VfL Wolfsburg. Dort ist er mittlerweile eine Schlüsselfigur.

Privat ist er mit seiner Heimat verbunden geblieben: In den Ferien besucht Steffen Familie und Freunde in Erlinsbach und ist regelmässig in der Aarauer Schachenbadi anzutreffen.

Renato Steffen beim Torabschluss gegen den deutschen Schlussmann Bernd Leno

Renato Steffen beim Torabschluss gegen den deutschen Schlussmann Bernd Leno © freshfocus

Team Aargau prägt Schweizer Nati:

Der Auftritt des Trios war auch beste Werbung für das „Team Aargau“: Widmer, Benito und Steffen durchliefen alle die kantonale Nachwuchsabteilung, Widmer und Benito hinterliessen zudem grosse Spuren im Profiteam des FC Aarau.