
Handball: Der gefährlichste Sport für Frauen
Seit Saisonstart Anfang September vermeldete der Schweizerische Handballverband neun Kreuzbandverletzte in der höchsten Liga – darunter sieben Frauen. Das entspricht bislang einem Kreuzbandriss alle zwei Wochen, ganz abgesehen von den Verletzten in tieferen Ligen, die auf der offiziellen Seite nicht vermeldet werden.
Die Rothristerin Fabienne Barrer scheint mir ihrer Maturaarbeit «Der Kreuzbandriss im Handball – Ursache und Prophylaxe» den Zeitgeist getroffen zu haben. «Ich wollte über etwas schreiben, was uns Handballern etwas nützt», so die 19-Jährige, die seit 13 Jahren Handball spielt. Sie interviewte Trainer und Spielerinnen der höchsten Liga sowie den Sportarzt aus dem Jahr 2018, Dr. med. Lukas Weisskopf, der als Vertrauensarzt vieler Handballvereine bei Knieverletzungen fungiert. Nebst prophylaktischen Übungen beschreibt Fabienne Barrer auch die anatomischen Bedingungen im Knie und die Folgen eines Kreuzbandrisses für den Körper. Ausserdem hält sie fest, dass sich Frauen viel häufiger das Kreuzband reissen, und erklärt, dass es nicht nur die anatomischen Bedingungen sind, die dabei eine Rolle spielen. Ihre Arbeit wurde mit der Note 5,5 prämiert.
Mit der Mutter spielt sie im gleichen Team
Fabienne Barrer stammt aus einer sportverrückten Familie. Ihre Mutter spielt seit ihrem 16. Lebensjahr Handball und ihr Vater ist begeisterter Turner, wobei auch er sich an diversen Plauschturnieren mit dem Handball vertraut machte. Dass sie heute mit ihrer Mutter im 2.-Liga-Team der Spielgemeinschaft Aarburg/Oftringen/Rothrist spielt, stört Barrer nicht: «Es ist gar nicht so schlimm. Eigentlich ist es sogar recht cool», sagt sie lachend. Bereits im Kleinkindalter sei sie praktisch jedes Wochenende in der Halle herumgeturnt und nur nebenbei habe sie mitgekriegt, wie ihre Mutter im Handballtor stand. «Wir waren so viele Kinder von Handballerinnen», erinnert sich Barrer zurück. Genau mit diesen gründete Jahre später ihre Mutter die erste Juniorenmannschaft. Darunter war auch die sechsjährige Fabienne Barrer. Nebst den zwei Mannschaftstrainings, die sie besucht, leitet die Maturandin einmal wöchentlich mit zwei Handballkolleginnen die U11-Mannschaft, bei der sie bereits erste Kraftübungen einflechten. «Die Kinder sollen lernen, dass die Kraftübungen keine Bestrafung, sondern enorm wichtig sind für den Handballsport», so Barrer.
Ein Kreuzbandriss, der unter die Haut ging
Wie wichtig die Krafteinheiten sind, wurde ihr dieses Jahr im Februar klar, als sie in einem Trainingsspiel in der Luft gestossen wurde und unkontrolliert auf einem Bein landete. Dabei sprang ihr die Kniescheibe aus dem Gelenk. «Der Arzt hat mir danach gesagt, dass ich knapp an einem Kreuzbandriss vorbeigeschrammt bin», so Barrer. Erst dann sei ihr klargeworden, wie wichtig die vielen Krafteinheiten für die Beine in der Vorbereitungsphase auf die Saison hin sind. Heute schätzt sie das 1000er-Stägli mehr und macht bei vorgeschriebenen zwölf Wiederholungen auch mal eine mehr. Zwei Jahre sei es her, seit die Mannschaft von Fabienne Barrer den letzten Kreuzbandriss erlitten habe. Als sie mit 14 Jahren ihre erste Saison bei den Aktiven spielte, erlebte sie mit, wie eine Mitspielerin nach ihrem Kreuzbandriss und der Reha im ersten Angriff ihres ersten Spiels sich das Kreuzband erneut riss. «Das ging unter die Haut», erinnert sich Fabienne Barrer zurück. Glücklicherweise blieb sie selbst von grösseren Verletzungen im Handball verschont. Doch sie weiss: «Obwohl ich mich jetzt viel mit dem Kreuzbandriss beschäftigt habe, wäre ich am Anfang am Boden zerstört, wenn es mir passieren würde.»
Menstruationszyklus spielt eine grosse Rolle
Stolz sei sie auf die wichtigste Erkenntnis ihrer Maturaarbeit, nämlich dass der Menstruationszyklus enormen Einfluss auf die Bänder und das Bindegewebe hat. Weil sich der Körper auf eine Schwangerschaft vorbereitet, werden die Sehnen und Gelenkkapseln schlaff und dehnbarer. Dies hat zur Folge, dass das Knie mehr Bewegungsspielraum hat und es so eher zu einer Extremsituation kommen kann. Die Problematik wird durch die Änderung im Hormonspiegel verstärkt und Frauen sollten es vor allem in dieser Phase etwas langsamer angehen lassen.
Nichtsdestotrotz rät Barrer auch Amateurhandballern, nach einem Kreuzbandriss wieder zurück in den Sport zu finden: «Wenn man sich in der Reha viel Mühe gegeben und man keine Angst mehr hat, dann sollte man unbedingt zurück zur Leidenschaft finden.» Die Mannschaftskollegin, die sich bei ihrem ersten Spiel erneut das Kreuzband riss, machte in der Folge drei Jahre Pause. Plötzlich stand sie diese Saison wieder auf der Matte und wollte wieder Handball spielen. «Sie ist nicht wiederzuerkennen. Die Angst ist komplett weg und sie spielt wieder auf ihrem gewohnten Niveau.»
Die Kantonsschüler verfassen im letzten Ausbildungsjahr eine grössere eigenständige schriftliche Arbeit. Dabei können sie ein Thema genauer wissenschaftlich untersuchen. ZT/LN stellt in loser Folge einige der an der Kantonsschule Zofingen verfassten Arbeiten vor.