
«Handlungen der Piloten» führten zum Absturz der «Tante Ju»
Die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) hat zweieinhalb Jahre nach dem tödlichen Flugunglück bei Flims GR ihren Schlussbericht veröffentlicht. Das historische Flugzeug Junkers Ju-52 («Tante Ju», Jahrgang 1939) mit der Kennung HB-HOT zerschellte am 4. August 2018 nahe des Piz Segnas. Gegen das nördliche Ende des Hochtalkessels hatte das Flugzeug eine Linkskurve begonnen, die sich zu einer spiralförmigen Flugbahn gegen unten entwickelte. Wenige Sekunden später kollidierte das Flugzeug annähernd senkrecht mit dem Gelände. Alle 17 Passagiere, die Flugbegleiterin und die beiden Piloten kamen ums Leben. Der Flug wurde von der Ju-Air betrieben.
Wie die Sust am Donnerstag mitteilt, habe eine Vielzahl unterschiedlicher Faktoren zum Unfall geführt. «Die Sust kommt in ihrem Bericht zum Schluss, dass Handlungen der Piloten zum Absturz führten. Zudem trugen auch Unterlassungen im Flugbetriebsunternehmen Ju-Air und Vorgänge bei der Aufsichtsbehörde, dem Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl), dazu bei, dass ein solcher Unfall entstehen konnte.»
Piloten flogen zu tief
Laut Sust steuerten die Piloten das Flugzeug in geringer Höhe, ohne Möglichkeit für einen alternativen Flugweg und mit einer für diese Verhältnisse gefährlich tiefen Geschwindigkeit in das enge Tal südwestlich des Piz Segnas. «In diesem Tal durchflog das Flugzeug Turbulenzen, wie sie im Gebirge in Geländenähe stets zu erwarten sind. Diese hochriskante Flugführung bewirkte, dass die Piloten in diesen nicht aussergewöhnlichen Turbulenzen die Kontrolle über das Flugzeug verloren und für ein Abfangen des Flugzeuges zu wenig Raum zur Verfügung stand. Als Folge davon stürzte das Flugzeug nahezu senkrecht zu Boden.» Bereits kurz nach dem Absturz war vermutet worden, dass die Piloten zu tief geflogen sind, um den Passagieren das nahe Martinsloch zu zeigen.
Die Sust stellt in ihrem Bericht unter anderem folgende tieferliegende Faktoren fest, welche die Entstehung des Unfalls begünstigten:
Folgende Faktoren begünstigten laut Sust die Entstehung des Unfalls:
- Der Schwerpunkt des Flugzeuges befand sich während des Unfallfluges zu weit hinten. Diese gefährliche Situation war durch eine mangelhafte Flugvorbereitung und durch Fehler in einer Software von Ju-Air zustande gekommen.
- Die Piloten des Unfallfluges und auch eine Anzahl anderer Piloten von Ju-Air hatten sich bei Ju-Air daran gewöhnt, Regeln für einen sicheren Flugbetrieb nicht einzuhalten und auch bei Flügen mit Passagieren hohe Risiken einzugehen.
- Ju-Air als Flugbetriebsunternehmen erkannte die wesentlichen Risiken in seinem Flugbetrieb nicht. Auch verhinderte es die zahlreichen Regelbrüche seiner Piloten nicht.
- Verschiedene Voraussetzungen, die für gewerblichen Luftverkehrsbetrieb mit Passagieren ein hohes Mass an Sicherheit gewährleisten sollen, waren seit längerer Zeit nicht erfüllt.
- Die Aufsichtstätigkeit des BAZL vermochte zahlreiche Sicherheitsprobleme bei Ju-Air nicht zu erkennen bzw. zeigte nicht genügend Wirkung.
Zur Verbesserung der Flugsicherheit richtet die Sust acht Sicherheitsempfehlungen an die Aufsichtsbehörde und sieben Sicherheitshinweise an die betroffenen Unternehmen.
Bereits in ihrem Zwischenbericht vom November 2018, wenige Monate nach dem Absturz, hatte die Sust von Korrisionsschäden an einigen Flugzeugteilen berichtet, die jedoch nicht in Zusammenhang mit dem Absturz stünden. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt, das der Ju-Air kurz nach dem Unfall die Flugerlaubnis wieder erteilt hatte, zog diese erneut zurück.
Der Bund hat das Luftfahrtinstitut der Niederlande bereits vor längerer Zeit beauftragt, die Tätigkeit des Bazl zu überprüfen.