
Hans «Abraham» Scheibler: Ein Brittnauer sammelt Brittnau

Es ist nicht alles ganz rund gelaufen in letzter Zeit. Achillessehnenriss und Rückenprobleme. Operationen und Rehabilitation. «Das Alter ist schön, aber es bringt nicht nur die AHV», sagt Hans Scheibler und schmunzelt. Langweilig sei ihm trotzdem nie geworden, sagt der 78-Jährige, der wegen seiner Sammelleidenschaft im Dorf liebevoll «Abraham» genannt wird. «Ein Kosename», wie Scheibler findet, der ihm natürlich nach dem bekannten Nummer-1-Hit «Abraham (Das Lied vom Trödler)» von Wolfgang Hofer aus dem Jahr 1971 «verliehen» worden sei.
Er habe viel Zeit damit verbracht, Ordnung in seine Sammlung von alten Briefen, Postkarten und Fotos aus Brittnau zu bringen, sagt Hans Scheibler und schlägt sogleich einen Ordner auf. Die unterschiedlichsten Themen sind dort versammelt. Berührend die Geschichte eines Brittnauer Dorforiginals ganz besonderer Prägung, des «Hofer Köbeli» (1989–1959). In jungen Jahren erfolgreich und stolzer Besitzer eines Einrades und eines Hochrades, später verarmt und in die Zwangsarbeitserziehungsanstalt Bellechase eingewiesen. Weitere Kapitel widmen sich etwa der Brittnauer «Wirtschaftsgeschichte».
Spürbare Verbundenheit mit dem Dorf
So zeigt eine um 1940 erstellte Fotografie vom Hintereingang des Mättenwiler Bären die legendäre «Bäre Anne» mitsamt ihrer Küchenmannschaft. Wer weiss noch, dass die damalige «Pinte» erst 1954 in Restaurant Bären umbenannt wurde? Auch die Geschichte des Restaurants Fennern hat Scheibler in Text und Bild dokumentiert. Eine Postkarte, die ungefähr von 1900 stammt, zeigt, dass die «Fennern» damals als Wirtschaft mit Pension betrieben wurde. 1923 brannte das beliebte Ausflugsziel ein erstes, 1975 ein zweites Mal ab. Hans Scheiblers Postkarten zeigen, wie sich das Haus beim jeweiligen Wiederaufbau veränderte.
Und so geht es kreuz und quer weiter. Weitere Kapitel widmen sich etwa der Wiederansiedlung der Störche, der Waldhütte auf dem Chrützplatz beim Stockhubel, dem Naturfreundehaus auf der Fröschengülle, der Oberdorfbrunnengenossenschaft oder der Grenzbesetzung. «130 Seiten habe ich bis heute zusammengestellt», sagt Scheibler stolz. 130 Seiten, die als Ganzes in kleinen Episoden – Blitzlichtern gleich – eine etwas andere, reich bebilderte, unterhaltsame und gleichzeitig informative Dorfgeschichte schreiben.
Auch die weitere Sammeltätigkeit von Hans Scheibler zeigt auf, wie stark sich der 78-Jährige mit dem Storchendorf verbunden fühlt. «Ich sammle alles, was mit Brittnau in Zusammenhang steht», sagt er. Das können Artikel aus Wiggertaler und Zofinger Tagblatt sein, die Brittnau betreffen. Ganze drei Ordner füllen die Unterlagen des verstorbenen Dorfchronisten Fritz Lerch. Brönznauer Fasnachtsplaketten sind in grosser Zahl vorhanden, Give-Aways von Vereinen wie beschriftete Feuerzeuge oder Trinkgläser ebenfalls. Eines ist klar: Wo Brittnau drauf steht, ist Hans Scheibler mit Interesse dabei.
Nur während der Lehrzeit «im Exil» gelebt
«Woher ich meine Sammlerstücke habe, das kann ich nicht mehr bei jedem einzelnen Objekt sagen», betont er. Schon in jungen Jahren habe er gesammelt, sagt er. «Vieles habe ich gekauft». Mit den Jahren habe man natürlich im Dorf gewusst, wofür er sich interessiere. «Da ist mir vieles zugetragen, manches auch geschenkt worden.»
Einmal Brittnau, immer Brittnau. Das Dorf ist Hans Scheibler (fast immer) Lebensmittelpunkt geblieben. Geboren ist er im Zankhölzli, die Schulen hat er in Brittnau besucht. Dann hat er das Storchendorf für eine Käserlehre im Zürcher Oberland verlassen, anschliessend ist er zurückgekehrt. In der Chäsi Mättenwil hat er einige Zeit Käse hergestellt, bis er wegen einer Milchsäureallergie seinen Beruf aufgeben musste.
Aus dieser Tätigkeit rührt eine weitere Sammlerleidenschaft von Hans Scheibler her: Buttermodel, die heute einen ganzen Raum im Wohnhaus des passionierten Sammlers ausfüllen. Ein amerikanischer Historiker, der darüber forschte, wie das Buttermodel den Weg von Europa in die USA fand, hat Scheibler bestätigt, dass er die weltweit grösste Sammlung an «Ankemödeli» besitzt.
Etwa acht Jahre hat er anschliessend in der Zofinger Bleiche als Heizer Dampf gemacht – die Dampfkessel für die Ausrüsterei mussten im Dreischichtbetrieb auf Temperatur gehalten werden. «Wenn man im Dreischichtbetrieb arbeitet, hat man automatisch viel Freizeit», sagt Scheibler, damals habe er seine Tätigkeit als Altmetallhändler aufgenommen. «Mit 29 Jahren konnte ich das zu meinem Hauptberuf machen», erinnert er sich. Er habe damals ein Hausiererpatent lösen müssen, damit er die Leute nach Altmetall habe fragen dürfen. «Dieses Patent besitze ich heute noch», sagt er. Später sei ein Muldenservice dazugekommen, er sei einer der ersten Besitzer eines Welaki-Kippers in der Region gewesen.
Das Geschäft mit dem Altmetall florierte aber nicht immer. Doch die Familie mit den fünf Kindern wollte ernährt sein. So musste sich Hans Scheibler immer wieder flexibel zeigen und führte während etwa fünfzehn Jahren auch Ferntransporte für deutsche Firmen aus. «Ich habe so den gesamten Nahen Osten kennengelernt», sagt der Brittnauer. «Jordanien, Irak, Iran, Saudi-Arabien, Ägypten – ich bin überall gewesen». Und dann wird Hans Scheibler zum Geschichtenerzähler, gibt Anekdoten zum Besten, mit denen man ganze Bücher füllen könnte. Erzählt, wie er mit einem Mercedes-Lastwagen Richtung Irak unterwegs war und zehn Tage an der bulgarisch-türkischen Grenze festsass, weil er das vom Zoll geforderte Schmiergeld in der Höhe von 10 000 Deutschen Mark nicht bezahlen konnte. Sein Chef sei damals nach Istanbul geflogen, per Auto an die Grenzstation gefahren und habe dem Zöllner erklärt, morgen werde der türkische Transportminister mit ihm persönlich die Angelegenheit klären … «Innerhalb von einer Stunde konnte ich weiterfahren», erinnert sich Scheibler lachend an den grossen Bluff.
Mit 36 000 Schafen im Nahen Osten unterwegs
Oder die Geschichte von «Abrahams» grösstem Ferntransport, als er 36 000 Schafe vom jordanischen Akaba in die beiden saudi-arabischen Städte Dammam und Buraida überführen musste. «Die Übergabe der ersten beiden Transportladungen erfolgte in Zarqa», erzählt Scheibler. Er erinnere sich heute noch daran, wie der Schafzüchter seine Schafe neben drei Flugzeugen entgegennahm. «Ein surreales Bild. Ich bereue heute noch, dass ich damals kein Erinnerungsfoto gemacht habe.»
Eigentlich für das Museum bestimmt
Könnte sich der 78-Jährige auch von seinen Sammlerstücken trennen? «Ich möchte auf keinen Fall, dass meine Sammlung irgendwann einfach verhökert wird», stellt Scheibler klar. Angedacht wäre eigentlich, dass grosse Teile der Sammlung einst ins Brittnauer Museum kommen, und in einem würdigen Rahmen und Lokalität gezeigt werden. Dieser Raum fehlt Scheibler und «im Brittnauer Gemeinderat fehlt es momentan auch an der entsprechenden Wertschätzung», bedauert Scheibler, «aber das wird sich vielleicht ja noch ändern.»
Dem passionierten Sammler wird die Arbeit nicht ausgehen. Bereits hat er weitere Sammlungen zusammengestellt. Eine Postgeschichte von Brittnau (1800–1900), eine Sammlung zu geschlossenen Poststellen im Bezirk Zofingen, die momentan 24 Poststellen umfasst – Murgenthal wird die 25. sein. Und im kommenden Jahr möchte er seine Sammlung zum Thema «Alles Schrott oder was?» an der Weltausstellung der Philatelisten in Lugano zeigen. Eines ist sicher: Langweilig werden wird es Hans Scheibler sicher nicht.