Hans-Ruedi Hottiger: «Machen wir so weiter, wirds wie in Italien»

«Die Zofinger sollen den Optimismus behalten und die Vorsichtsmassnahmen in aller Konsequenz einhalten.»  Hans-Ruedi Hottiger, Stadtammann Zofingen
«Die Zofinger sollen den Optimismus behalten und die Vorsichtsmassnahmen in aller Konsequenz einhalten.» Hans-Ruedi Hottiger, Stadtammann Zofingen

Stadtammann Hans-Ruedi Hottiger kommt am Donnerstagnachmittag direkt aus einer Sitzung, als er die Journalistin zurückruft. Mit vier Mitarbeitern hat er erste Massstäbe fürs Budget 2021 vorbesprochen.

Hans-Ruedi Hottiger, wie setzen Sie auf der Stadtverwaltung Zofingen die Aufforderung zu Social Distancing um?

Wir gehen für Sitzungen mit vier bis fünf Personen in unsere grössten Sitzungszimmer. Und wir schauen darauf, dass wir mindestens fünf Meter Abstand halten. Wir müssen dann halt etwas lauter reden. Es gibt aber auch Ausnahmen. Aufgrund der besonderen Lage müssen wir regelmässig unsere Bereichsleitenden informieren. Das sind dann etwas mehr Leute, knapp unter 15 Personen. Dafür nutzen wir den Bürgersaal. Da hätten bis zu 100 Personen Platz. So grosse Sitzungen sind aber die Ausnahme.

Sie gehören ja selber auch zur Risikogruppe der über 65-Jährigen. Wie gehen sie persönlich damit um?

In einer schwierigen Situation ist es wichtig, Institutionen wie Gemeindeverwaltungen oder Stadtverwaltungen aufrechtzuerhalten. Ich bin der Chef der Verwaltung, also kann ich nicht sagen: «Ich bin jetzt nur noch im Homeoffice.» Es geht auch darum, zu motivieren und Präsenz zu markieren. Ich versuche aber, die Distanz wirklich einzuhalten. Und wenn ich nicht vor Ort gebraucht werde, bin ich beispielsweise fürs Aktenstudium zu Hause. Und ich bemühe mich, nicht unter Leute zu gehen.

Auf was verzichten Sie im Moment?

Ich probiere, nicht in den Stosszeiten zur Arbeit zu gehen. Wobei es ja keine Stosszeiten mehr gibt. Ich fahre mit dem Auto zur Arbeit, gehe möglichst schnell in mein Büro und versuche, nicht vielen Menschen zu begegnen. Ich gehe einkaufen, wenn ich das Gefühl habe, dass nicht viele Leute im Laden sind. Ich versuche wirklich, zwei bis drei Meter Abstand zu halten, und den anderen nicht gleich ins Gesicht zu niesen.

Hält der Stadtrat seine Sitzungen normal ab?

Auch da halten wir grosse Distanz. Wir gehen in ein grösseres Sitzungszimmer, ins Alte Gericht, nicht in unser Stadtratssitzungszimmer. So haben auch alle wieder etwa fünf Meter Abstand.

Wie hat sich Ihre Arbeit seit dem Lockdown am Montag verändert?

Es hat sich sehr viel verändert. Sehr viele grössere Sitzungen, Versammlungen, Vorstandssitzungen und Repräsentationsaufgaben finden nicht mehr statt. Dadurch habe ich Luft in meinem Terminkalender. Die wird aber relativ rasch aufgesogen, da wir eine Kerngruppe gebildet haben, der ich vorstehe. Wir beurteilen täglich die Lage und entscheiden, wie wir uns verhalten wollen bezüglich der Vorgaben, die vom Bundesrat und vom Kanton in den vergangenen Tagen regelmässig gekommen sind.

Letzte Woche wurde auf der Stadtverwaltung ein Corona-Fall publik. Wie geht es der Mitarbeiterin?

Sie ist immer noch zu Hause, es geht ihr den Umständen entsprechend gut. Weitere Erkrankungen gab es nicht. Auch nicht bei den Leuten, die näher mit ihr Kontakt hatten. Wir haben immer noch die Hoffnung, dass das so bleiben wird.

Wie organisieren sich die Mitarbeiter der Stadtverwaltung? Sind immer noch alle vor Ort?

Wir werden ab heute die Öffnungszeiten verschärfen und den physischen Kontakt noch mehr einschränken. Wir versuchen, Telefon, Mail und die digitalen Kanäle zu nutzen. Nur wenn sich der physische Kontakt nicht vermeiden lässt, kann man einen Termin abmachen und vorbeikommen. So können wir das Setting so gestalten, dass die Abstände gewahrt sind. Wir probieren möglichst normal weiter zu funktionieren. Natürlich haben so viele wie möglich Homeoffice oder versuchen, Gleitzeit abzubauen. Wir halten aber alle unsere Dienstleistungen im gewohnten Masse aufrecht. Das gilt explizit auch für die Repol, die Stützpunktfeuerwehr und den Zivilschutz. Die sind alle einsatzfähig. Wir gehen davon aus, dass irgendwann die Corona-Krise vorbei ist und dass das Leben dann wieder weitergeht.

Wann ist die Krise vorbei? Wovon gehen Sie aus?

Es gibt eine optimistischere Variante, dann haben wir es Ende Mai ausgestanden. Und dann gibt es eine pessimistischere Variante und es wird nach den Sommerferien. Ich bin im Leben ein Optimist und sage, wir habens Ende Mai geschafft. Ich habe aber etwas Angst, wenn wir so unvorsichtig weitermachen, wie das einige Leute bis jetzt machen, dann wird es hier wie jetzt in Norditalien. Dann kommt das Ausgehverbot. Vor dem habe ich grossen Respekt.

Halten sich die Zofinger an die Vorgaben?

Was mir auffällt: Ein Grossteil hält sich daran. Dass die Risikogruppe der älteren Leute frischfröhlich in der Stadt unterwegs ist, das gibt mir aber zu denken. Das finde ich relativ unvorsichtig. Und das Zweite, was mir auffällt: Jüngere Leute in Gruppen, in denen 15 oder 20 Personen zusammen grillieren. Das finde ich problematisch und fast verantwortungslos.

Was möchten Sie den Zofingern weitergeben?

Dass sie den Optimismus behalten und die Vorsichtsmassnahmen in aller Konsequenz, auch wenn sie das gesellschaftliche Leben sehr hemmen, durchziehen und einhalten. Wir möchten so lange wie möglich nicht noch weitere Verbote und Einschränkungen aussprechen müssen. Aber das braucht Eigenverantwortung – und zwar von allen und von allen Altersklassen.