
Heisse Eisen und volle Töne um Gioachino Rossini
«Aha ich hab es: Sie sind also Friseur?» Gioachino Rossini hat es nicht leicht im Wilden Westen. Auf dem Weg nach Poplar Bluff, wo er den Blind Pig Saloon und ein Stück Weideland mitsamt der Quelle Devils Well geerbt hat, schmettert er zwar seine berühmte Arie aus dem Barbier von Sevilla heraus. Doch wird er deshalb noch lange nicht als der grosse Meister seiner Kunst verstanden. Weshalb auch? Der 1792 Geborene hat die Prärie ja auch nie wirklich beritten. Dass er, der die komische Oper selbst zum Höhepunkt geführt hat, jetzt selbst Protagonist einer Opera Buffa mitsamt Western-Showdown sein darf, verdankt er dem Schriftsteller Kurt Palm. Der hat ihn in diesen historisch-sozialkritischen Roman hineinverbraten. Ja mehr noch, er hat dem Wunsch der Zofinger IG Opera mit der musikalischen Leiterin Anna Merz nach einem Libretto entsprochen.
Eine neue Saite Rossinis
«Spiel mir das Lied von Gioachino Rossini» bietet eine einmalige Gelegenheit, den Komponisten von einer ganz anderen Seite kennenzulernen», wirbt Niklaus Kost alias Rossini für die farbenfrohe Inszenierung mit sehr viel Gesang aus unterschiedlichsten Werken Rossinis. Neben Populären wie dem Barbier von Sevilla, Wilhelm Tell oder der diebischen Elster, wird dem Ohr auch manch weniger Bekanntes gegönnt. Vieles hat der Profi, der sich eben erst der Barbierschürze entledigt hat, erstmals für die Bühne einstudiert. Solche Experimente liegen ihm, wie er sagt – und offenbar auch dem übrigen Ensemble der IG Opera.
«Rossini ist musikalisch unglaublich vielfältig», erläutert Anna Merz, die den Bühnen-Rossini auf dem Klavier begleitet hat. «Die Auswahlliste mussten wir stark zusammenstreichen. Würden wir manche Stücke nicht nur anspielen, wären wir weit über 100 Minuten gekommen.» Sie und Elja-Duša Kedveš, die Regie führt, haben Rossinis Liedgut je nach Stimmung oder inhaltlichem Bezug entlang der Handlung des Stücks angeordnet. Das Stück beinhaltet mehr Musik als noch in der letztjährigen Produktion, verdeutlicht Anna Merz in Rücksicht auf das gehaltvolle Material. Auf der Handlungsebene stellt das eine Herausforderung dar. So hat die Regisseurin und Choreografin Elja-Duša Kedveš derzeit einen klaren Fokus: «Das Stück streicht unter anderem die Unterdrückung von Indianern und Schwarzen heraus», sagt sie. «Diesem Aspekt wollen wir über eine Opernrevue hinaus Relevanz verschaffen.» Passen täte das auch auf Rossini, der selber ein kritischer Humanist war und selbst zu jenen nachgeborenen Komponisten grosszügig war, die ihm nicht unbedingt günstig gesinnt waren. Grosszügig war Rossini auch mit den Chören und hat ihnen in Verbindung mit Arien wiederholt tragende Rollen zugesprochen.
Bühne platzt aus allen Nähten
Kein Wunder, dass die IG Opera in dieser Westernoper einen 20-köpfigen Laienchor vors Publikum bringt. Neben den professionellen Sängerinnen und Sängern sowie den fünf Musikern steht dann doch einiges Personal auf der Bühne. Kurzerhand hat Elja-Duša Kedveš den Raum in die Höhe ausgedehnt. Im Palass wird eine Leiter in ein oberes Geschoss führen, das Orchester muss im Hinter- statt im Vordergrund wirken. Neben schmissigen, humorvollen Dialogen und frischer Herzblutmusik ist also volltönige Action zu erwarten.
Ohne Heldentat geht’s nicht
Bis Rossini leibhaftig mitsamt Koteletten diesen Samstag vor dem grossen Publikum auf der Bühne des Palass in Zofingen steht, vergehen nun noch zwei intensive Proben. Dann aber ist er mit der Indianerin Two Mountains (Julia Siegwart, Sopran), dem indischen Spion für amerikanische Baumwollproduktion Kamalesh (Niklaus Loosli, Tenor) und anderen Protagonisten quer durch die Kakteen unterwegs nach Poplar Bluff. Dort geht es darum, einem musikalisch talentierten, lesbischen Paar von Schafzüchterinnen beizustehen. Gelingt es den beiden Frauen ihre Schafherden vor dem skrupellosen Viehbaron Whip Fletcher, der ihnen den Zugang zur einzigen Quelle weit und breit verwehrt, jener eben aus Rossinis Erbmasse, retten? Muss der Bösewicht Fletcher wirklich ins Gras beissen? Und wenn ja, wer erschiesst ihn? Doch nicht etwa Rossini selbst?
Man muss sich das schon selber mal näher ansehen und vor allem auch anhören. Diese Pulverdampf-Rossiniade verspricht ein gehaltvoller Plausch zu werden. Umso mehr als die IG Opera mit musikalischer und darstellerischer Qualität noch nie gegeizt hat.
Premiere: Samstag 27. Oktober, 20 Uhr im Palass. Weitere Aufführungen: Sonntag, 28. Oktober, Montag, 29. Oktober, Freitag, 2. November, Samstag, 3. November. Dernière am Sonntag, 4. November.
Vorverkauf via www.igopera.ch oder Stadtbüro Zofingen.