Hier wird nicht Däumchen gedreht: Brittnauer Masseur wird erfinderisch

Seit dem 16. März steht in der Strählgasse 5 in Brittnau alles still. Antonio Caracciolo kann aufgrund des Bundesratsbeschlusses seither keine Dienstleistungen mehr anbieten. «Ich bin 100 Prozent von der Krise betroffen», sagt der 52-Jährige, der seit 15 Jahren eine eigene Gesundheits- und Sportpraxis führt. Kurzarbeit kann er als Selbstständiger nicht anmelden. Er habe aber Taggeld bei der kantonalen Ausgleichskasse beantragt. Bis jetzt sei allerdings noch kein Geld geflossen. Also ist Däumchendrehen angesagt? «Zu meiner Arbeit gehört es nicht, zu Hause rumzusitzen und auf bessere Zeiten zu warten», sagt er.

Deshalb hat er sich eine mögliche Variante überlegt, wie er seine Praxis wieder öffnen könnte, ohne dabei sich selbst oder seine Kunden zu gefährden. «Ein Helm mit einer Plexiglasscheibe vor dem Gesicht ist für mich eine gangbare Lösung, um meine Arbeit wieder aufzunehmen», so Caracciolo. Für Massagen müsse er sich im Raum frei bewegen können. Deshalb käme ein sogenannter Spuckschutz, wie man ihn beispielsweise an den Kassen der Grossverteiler antrifft, nicht infrage. Gegenüber Masken scheint seine Plexiglas-Variante deutlich kostengünstiger: Zum Testen kaufte er sich einen Helm in einem Handwerkerladen in Reiden für 30 Franken. 50 Masken, die man alle zwei Stunden wechseln muss, kosten hingegen ungefähr 150 Franken.

Diskussion über weiteres Vorgehen soll entstehen

Mit seiner Idee könnte Caracciolo 90 Prozent seiner Dienstleistungen wieder anbieten. «Ich möchte, dass die Leute merken, dass wir Selbstständige uns Gedanken machen», so Caracciolo. Er glaubt , dass viele Menschen auch bei einer allfälligen Lockerung nach wie vor Angst hätten und auf die Dienstleistungen verzichten würden. «Wenn ich so arbeiten könnte, wäre der Kunde weniger dem Virus ausgesetzt, als wenn er einkaufen geht.»

Vor einer Woche wendete er sich mit seinem Anliegen an SVP-Politiker Thomas Burgherr – eine Antwort blieb bis jetzt aus. Auch Regierungsrat Jean-Pierre Gallati äussert sich als Vorsteher des Departements Gesundheit und Soziales auf Anfrage nicht. «Es soll eine Diskussion entstehen, wie selbstständig Erwerbende möglichst bald wieder ihrer Arbeit nachgehen können und so ihren Lebensunterhalt wieder zurückgewinnen», sagt Antonio Caracciolo über seine Beweggründe. «Bis der Bundesrat unsere Arbeit wieder freigibt, sind bereits viele Selbstständige mit ihren Geschäften eingegangen.» Dem diplomierten Masseur und Therapeuten steht das Wasser noch nicht bis zum Hals, auch deshalb nicht, weil seine Freundin 80 Prozent ihres Lohns weiterhin erhält. Doch der grösste Teil seines Geldes sei bei Vorsorgeeinrichtungen angelegt. «In spätestens zwei Monaten ist mein ganzes Erspartes aufgebraucht.»

Der Schweizerische Verband der Berufsmasseure äussert sich auf Anfrage zurückhaltend gegenüber Caracciolos Anliegen: «Eine offizielle Meinung seitens des Berufsverbandes könnte als Bewilligung angesehen werden. Auch die Verbände müssen sich an die Regelung halten, welche primär vom Bundesrat und dem zuständigen Kanton des jeweiligen Therapeuten vorgegeben werden.» Physiotherapeuten und medizinische Masseure EF/FA sind nicht von einem generellen Berufsverbot betroffen. Sie dürfen vom Arzt angeordnete Therapien in dringenden Fällen durchführen. Weil Antonio Caracciolo seine Ausbildung zum medizinischen Masseur vor Jahren gemacht hat und man seither andere Ausbildungswege zum medizinischen Masseur priorisiert, ist er von der Ausnahmeregelung nicht tangiert. Kantonsärztin Yvonne Hummel bestätigt auf Anfrage die Aussage des Verbandes: «Der Bundesrat hat am 13. März 2020 entschieden, dass Betriebe mit personenbezogenen Dienstleistungen mit Körperkontakt, insbesondere Massagen, schliessen. Eine Ausnahmebewilligung dieses Verbots kann nur erfolgen, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse vorliegen würde, was hier nicht der Fall ist.»

Für Antonio Caracciolo gehen die Einschränkungen zu weit. «Einige meiner Kunden haben sich über Schmerzen beklagt. Bei den meisten helfen keine Übungen via Skype, es braucht eine manuelle Behandlung.» Obwohl er zu Beginn der Corona-Krise allen Kunden virtuelle Beratungen angeboten habe, seien praktisch keine Rückmeldungen eingegangen. «Ich bin kein Schwarzmaler, aber so, wie sich das Ganze entwickelt, werden wir Masseure zu den Letzten gehören, die ihre Arbeit wieder aufnehmen können, und das möchte ich verhindern.»