
Hilflose Mädchen unter Drogen gesetzt und vergewaltigt
Zum Auftakt der Verhandlung vor dem Amtsgericht Olten-Gösgen liess Staatsanwalt Christoph Fricker eine kleine Bombe platzen, indem er eine geänderte Anklageschrift präsentierte. Ein Delikt, das zuvor als sexuelle Nötigung deklariert war, stufte der Ankläger neu als Vergewaltigung ein. Das Opfer sei nach zunächst einvernehmlichen Sex mit ihrem Freund in die Wohnung des Angeklagten gebracht worden, wo dieser sie mit sehr viel Alkohol und psychischem Druck zum Sex gezwungen habe.
«Ich habe zehn Tage in Folge an diesem Fall gearbeitet, die Akten sind riesig. Der Angeklagte hat die Abläufe nicht wirklich bestritten. Bestritten hat er nur die rechtliche Würdigung», begründete Amtsgerichtpräsident Pierino Orfei, weshalb er die im letzten Moment veränderte Anklageschrift akzeptierte. So sei es am Gericht, über die rechtliche Würdigung des Tatablaufs zu entscheiden.
Er hatte schon einmal Kinder geschändet
Der heute 33-jährige, deutsche Angeklagte lebt seit rund zehn Jahren in der Schweiz und ist kein unbeschriebenes Blatt. Schon 2008 wurde er in Deutschland verurteilt, weil er sich selber ein Lehrabschlussdiplom als Automechaniker ausgestellt hatte. In der Schweiz wurde er bereits 2014 wegen sexuellen Handlungen mit Kindern rechtskräftig verurteilt.
«Es ging bei Ihnen zu wie im hölzernen Himmel», fasste der Gerichtspräsident die Anklageschrift zusammen. In der Wohnung des Angeklagten in der Region Olten sollen regelmässig wilde Partys, Alkoholexzesse, Drogen sowie Gruppensex mit pornografischen Aufnahmen an der Tagesordnung gewesen sein.
Nach der ersten Anzeigen durch eine junge Frau, die sich 2016 sexuell missbraucht fühlte, verbrachte der Angeklagte fünf Wochen in Untersuchungshaft. Sein Verhalten änderte dies laut Anklageschrift nicht. Demnach soll er weiterhin junge Frauen in seine Wohnungen gelockt haben, wo sie psychisch unter Druck gesetzt oder mit Drogen gefügig gemacht wurden.
Die Mädchen kamen aus schwierigen Verhältnissen
Die bevorzugten Opfer für die Sexorgien waren damals erst 15, 16 Jahre alt, hatten grosse Probleme und lebten zum Teil in Auffangheimen. Deren Anhörungen erfolgten deshalb unter Ausschluss der Öffentlichkeit. «Ich habe niemanden vergewaltigt», kommentierte der Angeklagte, der die Anhörung per Video verfolgen konnte, anschliessend deren Aussagen. «Ich habe normalen Geschlechtsverkehr gehabt.»
Die sexuellen Handlungen mit Kindern gab er zu, wenn davon pornografische Aufnahmen bestanden. Alle anderen Vorwürfe bezeichnete er als Racheakt der Frauen. Er bestritt insbesondere, den jungen Frauen Drogen abgegeben zu haben. Das sollen die damaligen Freunde gewesen sein, die sich an den Gangbangs beteiligt hatten.
Angeklagter: «Ich bin nicht therapiewillig»
Als forensische Gutachter beschrieb Psychiater Lutz-Peter Hiersemenzel den Angeklagten als Person mit einer dissozialen Störung und einem von der Norm abweichenden Selbstwertgefühl, das stark schwankend, einmal übergross und manchmal sehr klein sei. «Er hat durchaus hochstaplerische Tendenzen. Die Hemmschwelle, Gesetz zu überschreiten, ist tiefer als normal.»
Der Amtsgerichtspräsident wollte wissen, wie es um die Erfolgschancen einer Therapie steht. «Er zeigt wenig Einsicht in die Problematik seines Verhaltens. Die Straferfahrung wirkt bei dieser Störung meistens besser als eine therapeutische Massnahme.»
Und so fragte Gerichtspräsident Orfei am Ende eines langen Verhandlungstages den Angeklagten, der seit nun schon mehr als zwei Jahren im vorzeitigen Strafvollzug lebt, ob er eine Therapie annehmen würde. Die Antwort war kurz und klar: «Ich bin schon so lange im Gefängnis. Das war meine Therapie. Ich bin nicht therapiewillig.»
Heute Freitag geht die Verhandlung mit den Plädoyers von Anklage und Verteidigung weiter. Die Urteilsverkündung ist schliesslich für den 11. Dezember vorgesehen.