
Hirzenberg Festival: Wenn Musik und Literatur eine Magie entwickeln

Hirzenberg Festival
16. August: «Landschaften» mit Katja Riemann (Lesung); Franziska Hölscher (Vl.); Marianna Shirinyan (Kl.). Texte von Roger Willemsen; Musik von Bach, Brahms, Debussy und Bartok.
17. August: «Schläft ein Lied in allen Dingen». Chorwerke über Texte von Joseph von Eichendorff, gesungen von den Basler Madrigalisten. www.hirzenberg.ch
Franziska Hölscher, in der Malerei ist Landschaft ein eigenes Genre. Gibt es in der klassischen Musik ebenfalls so etwas wie Landschaftsmalerei?
Ein eigenes Genre gibt es in diesem Sinne nicht. Jedoch kann man Kraeine Komposition nicht hören, ohne sie in eine Gefühlssituation zu übersetzen. Man kann auch eine Landschaft nicht betrachten, ohne dass sie einen Ausdruck vermittelte.
Welche Rolle spielt Landschaft konkret für die Musik?
In der Musik werden Landschaften oft programmatisch assoziiert – «Die Moldau» oder «Die Pastorale» – oder sie werden durch ihr musikalisches Idiom einer Gegend zugeordnet.
Das ruft förmlich nach einer Reise. Wie kamen Sie auf die Idee, diese neben musikalisch auch literarisch zu gestalten?
Korrespondenzen und Brückenschläge zwischen Musik und Literatur zu schaffen, ist etwas sehr Inspirierendes. Ausgangspunkt der Überlegungen war die künstlerische Freundschaft zu Roger Willemsen. Gemeinsam musikalisch-literarisch durch Europa zu reisen war für uns als enthusiastische Reisende ein ansprechendes Feld.
Er schrieb die Texte zu diesem Programm. Sind es heutige Landschaften, die da auf Musik von Bach oder Ravel treffen?
In unserem Programm trifft alte wie neue Musik auf verschiedene Arten von Landschaften und ihre Menschen, wir hören skurrile und humoristische, aber auch nachdenkliche Alltagsbeschreibungen.
Ihre literarisch- musikalische Reise beschränkt sich auf Europa. Warum?
Wir wollen uns auf Europa beschränken, um eine Konzentration und einen Fokus in die Thematik zu bringen. Sich auszuweiten, hätte den Rahmen des Abends gesprengt – was die musikalische Besetzung als auch die Literatur betrifft.
Veranstaltungen mit Literatur und Musik entwickeln oft eine ganz eigene Poesie. Warum passt beides so gut zusammen?
Die Kombination von Musik und Literatur kann eine gewisse Magie entwickeln, kann veränderte Zugänge zu Texten und Werken der Kammermusik eröffnen, wenn sie nicht nach Illustrationen oder Vertonungen sucht, sondern sich in Korrespondenzen bereichert. Diese Kombination wird für mich dann zu einer Essenz von Kunst.
Sie sind bereits einmal am Hirzenberg Festival aufgetreten. Was ist diesmal anders?
Dieses Mal haben mir die beiden Festivalleiter Yolanda Senn Ammann und Dieter Ammann eine Carte Blanche für ein Programm meiner Wahl gegeben. Dieses Vertrauen zu erhalten, ist etwas Grossartiges!
Meistens lesen Schauspielerinnen wie Maria Schrader, Sophie von Kessel oder nun Katja Riemann die von Roger Willemsen geschriebenen Texte vor. Warum Schauspielerinnen statt Schauspieler?
Das ist reiner Zufall. Wichtig bei der Auswahl der Schauspielerbesetzung war uns neben höchster künstlerischer Qualität ebenfalls eine persönliche Verbindung zu Roger Willemsen.
Wie hat sich die Zusammenarbeit mit Katja Riemann ergeben?
Uns verbindet die Freundschaft zu Roger Willemsen. Durch ihn lernten wir uns kennen und schliesslich auch beruflich schätzen. Wir entwickelten zunächst gemeinsam ein Programm mit Werken von syrischen Komponisten und Autoren. Erst danach entstand die Arbeit am Werk Willemsens, das uns beiden sehr viel bedeutet.
Komponisten wie Brahms oder Beethoven liessen sich von der Natur inspirieren, komponierten spazierend ganze Sinfonien. Warum hat ausgerechnet die Natur die Kraft, musikalische Funken zu zünden?
Der Verweis auf Ereignisse in der Natur, Begegnungen mit der Fremde, wurde bei Komponisten wie Brahms oder Beethoven zum festen Repertoire einer Musikerklärung. Sie haben die Erschütterung in der Natur, die Begegnung mit dem Meer, dem Gewitter über den Bergen immer wieder als auslösende Erfahrung bezeichnet, auf der ihre Kompositionen fussten.
Sie haben das Landschaften-Projekt mit Maria Schrader und Sophie von Kessel aufgeführt. Worin unterscheidet sich die Aufführung, wenn Katja Riemann liest?
Wie heisst es so schön: Der Liebe Tod ist der Vergleich! Ich möchte auf diesem aussergewöhnlichen Niveau keine Vergleiche anstellen. Jede dieser Schauspielerinnen ist für sich einzigartig. Und jede hat einen ganz persönlichen, eigenen Zugang zu den Texten.
Sie ist eine Schauspielerin, die aus den grossen deutschen Film-Blockbustern bekannt ist. Muss sie sich jeweils für ein so subtiles Projekt umstellen?
Katja ist solch eine vielseitige Künstlerin, der es bei all ihrer Popularität nur um Qualität und die Essenz der Kunst geht. Ich habe vielmehr das Gefühl, dass es deshalb keine Rolle spielt, wie gross das Publikum ist. Ähnlich war dies übrigens bei Roger Willemsen.
Katja Riemann tritt selbst auch als Sängerin mit einer Jazzband auf. Bringt sie musikalische Inputs ins Programm?
Katja hat eine sehr starke musikalische Affinität und persönliche Meinung. Das spüren wir Musiker auf der Bühne und sind froh, diese Impulse aufnehmen zu können. Umgekehrt wird es ähnlich sein: Wir leben die Lesung von Katja so intensiv mit, dass das Publikum im Idealfall nicht mehr überlegt – sind wir jetzt bei der Lesung oder der Musik? Der Abend wird dann zu einer gemeinsamen Reise, bei der das Publikum einbezogen wird.