
Hüst und hott an Primarschulen – Sind Noten für Erstklässler sinnvoll oder nicht?
Noten für Erstklässler gibt es seit 2011 – auf politischen Druck hin
Noten für Erst- und Zweitklässler gibt es im Kanton Solothurn seit 2011. Damals hat das Departement für Bildung und Kultur (DBK) das Promotionsreglement entsprechend revidiert. Dies auf politischen Druck hin: 2008 forderte der damalige SVP-Kantonsrat Thomas Eberhard die Einführung von Noten auf allen Schulstufen. Eberhard begründete seinen Auftrag damals mit der Leistungsgesellschaft. Diese beginne schon in der 1. Primarschule. «Ob wir es nun wollen oder nicht.» Im Gegensatz zu «wenig aussagenden Lernberichten» seien Noten aussagekräftiger. Der Regierungsrat widersprach damals zwar. So sei eine Beurteilung mit «erfüllt» und «nicht erfüllt» sogar schärfer sei als eine Sechser-Skala. Er räumte aber ein, dass eine Zeugnisnote auch ab der 1. Klasse sinnvoll sei, «sofern sie eine fachliche Gesamtleistung einfach darstellt.» Er erklärte den Antrag deshalb für erheblich. Das DBK reagierte drei Jahre später entsprechend darauf.
Die Kantone Tessin, Glarus und Solothurn haben eine schweizweite Exklusivität gemeinsam: Ihre Volksschulen bewerten Erst- und Zweitklässler mit Noten. In Solothurn geschieht dies seit dem Jahr 2011. An diesem Entscheid wird jetzt bereits wieder gerüttelt. Im Rahmen des neuen Lehrplans 21 sollen Kinder in der ersten und zweiten Klasse wieder mit Prädikaten à la «Lernziel erreicht» oder «Lernziel nicht erreicht» beurteilt werden. An fünf Modellschulen soll dies in den nächsten zwei Schuljahren getestet werden.
Dass Solothurner Erst- und Zweitklässler überhaupt benotet werden, ist erst seit sieben Jahren der Fall. Damals erklärte die Politik einen entsprechenden Vorstoss für erheblich. Der Entscheid war höchst umstritten: Der Lehrer- und der Schulleiterverband sprachen sich beide dagegen aus. Nun, sieben Jahre später, nutzt das Volksschulamt die Einführung des Lehrplans 21, um wieder von den Noten wegzukommen.
Ein politisch heisses Eisen
«Wir halten uns aus politischen Diskussion raus», sagt Yolanda Klaus, stellvertretende Leiterin des Volksschulamts, zwar. Doch man habe von verschiedenen Stellen die Rückmeldung bekommen, dass man mit dem gegenwärtigen System nicht glücklich sei. Aber gerade weil die Benotung der ganz Kleinen im Kanton politisch ein so heisses Eisen sei, gehe man sehr behutsam vor. Insbesondere der Angst der Eltern, dass der Leistungsstand der eigenen Kinder nicht verständlich kommuniziert werden könne, wolle man Rechnung tragen.
Vor gut einem Jahr hat das Volksschulamt eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus dem Lehrer- und dem Schulleiterverband eingesetzt. Diese sollte alternative Bewertungsmodelle für Erst- und Zweitklässler erarbeiten. Dabei kam ein Modell heraus, welches einem, welches bereits im Kanton Luzern angewendet wird, nicht unähnlich ist.
Lernziele bis zur 2. Klasse
Das Luzerner Modell, welches vor einem Jahr eingeführt wurde, sieht vor, dass Kinder im ersten Zyklus, also Kindergartenkinder, Erst- und Zweitklässler, anhand eines Beurteilungskatalogs bewertet werden. Die Lernziele sind vorgegeben. Die Lehrpersonen entscheiden aber selber, wann welche Schwerpunkte gesetzt werden. Die ersten drei Jahre erhält das Kind auf Ende Schuljahr schlicht eine «Bestätigung Schulbesuch». Am Ende der zweiten Klasse, erhält es ein Zeugnis. In diesem wird es mit Prädikaten wie «erreicht anspruchsvolle Lernziele», «erreicht grundlegende Lernziele» oder «erreicht grundlegende Lernziele nicht» beurteilt. Gleich bleiben die jährlichen Beurteilungsgespräche mit den Eltern.
Fünf Modellschulen werden in den zwei kommenden Schuljahren das Luzerner Modell testen: Balsthal, Olten, HOEK (Halten, Oekingen, Kriegstetten), der Bucheggberg mit Standort Lüterkofen und die Gesamtschule Unterleberberg. Vierteljährlich werden Sitzungen mit dem Volksschulamt stattfinden, um Rückmeldungen zu geben und das Modell laufend zu verbessern. «Wir sind ergebnisoffen», betont Klaus. Sollte sich dieses Modell nach zwei Jahren nicht bewähren, würde zumindest für den Moment das aktuelle Modell mit den Noten für Erstklässler beibehalten werden.
Wegen des Lehrplans 21
Angestossen wurde dieser Umstieg durch den Lehrplan 21, der ab kommendem Schuljahr für den Kanton gilt. Dieser vereint die beiden Jahre Kindergarten und die Erste und Zweite Klasse im erwähnten ersten Zyklus. «Weil die beiden Jahre Kindergarten und die ersten beiden Jahre Primarschule eine Einheit bilden, macht es keinen Sinn, die Beurteilung mitten im Zyklus umzustellen», so Klaus.
Im ersten Zyklus im Kindergarten arbeiten die Lehrpersonen entwicklungsorientiert. Die Beurteilung fokussiert sich auf das individuelle Kind. Kompetenzen wie Fantasie, räumliche Orientierung oder soziales Verhalten werden gefördert. Im Laufe des ersten Zyklus, ab der ersten Klasse, wird die Fachorientierung immer wie stärker. Im zweiten Zyklus, also ab der dritten Klasse, ist die Fachorientierung der alleinige Massstab. Fachwissen wie Mathematik oder Deutsch werden gefördert und mit Noten geprüft. Die Übergänge zwischen den Zyklen sind jedoch fliessend.