Hundehalter aus Reiden vor Gericht: «Man hat mich Drecksschweizer genannt»

Wie das mit den Hunden ist

Die Hundehaltung ist im Kanton Luzern in einem Gesetz und einer Verordnung geregelt. Danach sind Hunde «so zu halten, dass der Schutz der Öffentlichkeit gewährleistet ist». Das Mitführen oder Laufenlassen von Hunden ist an diesen Orten verboten: in Friedhöfen, Badeanstalten, Spitalanlagen, auf Kinderspielplätzen, Pausenplätzen von Schulhausanlagen, Spiel- und Sportfeldern. Widerhandlungen werden mit Busse bestraft. Dies gilt auch ohne ein Verbotsschild. (ben)

Ein 64-jähriger IV-Bezüger stand gestern vor dem Bezirksgericht Willisau. Er musste sich dafür verantworten, mit seinem Hund den Kinderspielplatz Walke betreten zu haben. Das ist laut Luzerner Hundegesetz verboten (siehe Kasten). Zudem warf ihm die Staatsanwaltschaft vor, einer Frau auf dem Kinderspielplatz den Mittelfinger gezeigt zu haben (im Strafbefehl ist von der «Arschlochgeste» die Rede) und Personen auf dem Spielplatz mehrmals als «Huere Drecks-Jugos» beschimpft zu haben. Dafür erhielt er einen happigen Strafbefehl: Er sollte eine unbedingte Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu 70 Franken (5600 Franken), eine Busse von 100 Franken und die Verfahrenskosten bezahlen. Total 6450 Franken. Gegen den Strafbefehl rekurrierte der Mann; er hat bereits zwei bedingte Vorstrafen. Eine wegen (versuchter) Gewalt und Drohung gegen Behörden.

Kinder sollen den Hund provoziert haben

Rückblende: Ein lauer Sommerabend im vergangenen Juli in Reiden. Auf dem Kinderspielplatz neben dem Primarschulhaus Walke halten sich Eltern und Kinder auf. Ein Mann mit einem Hund läuft auf dem Weg entlang des Geländes vorbei. Kinder necken den Hund mit Stecken, worauf der Mann sich fürchterlich aufregt und die Kinder ermahnt. Eltern mischen sich ein, es kommt zum Streit. Der Hündeler betritt den Kinderspielplatz mit dem Hund. Die Situation eskaliert, wüste Worte fliegen, es kommt beinahe zu einer Schlägerei. Eltern filmen das Ganze mit einer Handykamera. Eine Frau zeigt den Mann später an, wegen Beschimpfung.

Gestern sass der kleine Mann mit knallroter Bomberjacke vor dem Bezirksgerichtspräsidenten Robert Jost. Dessen erste Frage, ob er eine Aussage machen wolle zu den Vorwürfen, verstand der Mann nicht und hob zu einer Gegenfrage an: «Was würden Sie …?». Der Richter klemmte ihn ab und machte ihn auf die Anstandsregeln am Gericht aufmerksam. «Ich will nicht, dass Sie jemanden beleidigen», sagte er. «Nein, das tue ich nicht», entgegnete der Mann. Er sei IV-Bezüger und werde psychologisch betreut, erfuhr man. Über seine Einkünfte wisse er nicht genau Bescheid, er hat einen Beistand. Die Gattin verdiene 200 bis 300 Franken monatlich dazu. In der Befragung erklärte der Mann, er könne sich an den Vorfall vom 29. Juli des letzten Jahres «teilweise erinnern». An die Frau, die Anzeige erstattete, aber nicht. «Es ist so eine Ausländerin», sagte er. Er schaue diese nicht an. Ob er den Stinkefinger tatsächlich gezeigt habe, daran erinnerte er sich nicht mehr. Die Kinder hätten seinen Hund mit Stecken provoziert. «Darauf hat es mich verjagt.»

Die Beschimpfung leugnete er nicht. Der Mann bestritt aber, dass er anfing. Jemand habe ihn zuerst «Drecksschweizer» genannt, behauptete er vor Gericht.

Auch ohne Verbotstafel nicht erlaubt

Den Vorwurf, den Kinderspielplatz mit seinem Hund betreten zu haben, bestritt er nicht. Ob er wisse, dass das verboten sei, fragte ihn Robert Jost. «Es hatte keine Verbotstafel», entgegnete der Mann. Auch ohne Tafel sei das nach kantonalem Recht verboten, so der Richter. Zur Frage, ob er seinen Auftritt bereue, meinte der Beschuldigte: «Ja, ich würde heute vorbeilaufen und ruhig sein.» Das nächste Mal werde er zur Polizei gehen und Anzeige erstatten, wenn ihn jemand beleidige.

Sein Verteidiger erklärte, sein Mandant bestreite die Vorwürfe weitgehend nicht. Das Beweismittel des privaten Videos sei aber unvollständig, der Anfang weggeschnitten. Die Eltern auf dem Spielplatz hätten seinen Mandanten aufgefordert, die Kinder in Ruhe zu lassen, und seien «sehr aggressiv» gewesen. Aufgrund seiner geistigen Beeinträchtigung fühle sich sein Mandant oft provoziert. Deshalb habe er innerhalb Reidens auch den Wohnort gewechselt. Zur Beschimpfung meinte der Verteidiger, sein Mandant habe einen Mann beschimpft und nicht die Frau. Der Verteidiger plädierte für einen Schuldspruch ohne Sanktion. Man könne davon ausgehen, dass sein Mandant sich jetzt wohlverhalten werde.

Der Richter sprach den IV-Bezüger schliesslich frei. Auf dem Video seien die Mittelfingergeste und die Beschimpfung nicht zu sehen. Es gelte laut Strafbefehl, was er getan habe, als er sich auf dem Kinderspielplatz aufhielt. Nicht was vorher geschah. Beim Betretungsverbot mit dem Hund gestand er ihm einen Irrtum zu. «Sie haben sich ausserdem heute anständig verhalten und Einsicht gezeigt», sagte der Richter. Er hoffe, dass der Prozess etwas bewirkt habe.