«Ich glaube nicht, dass am Kantonsspital Aarau alles dreimal komplexer und schwieriger ist als im Emmental»

«Der neue CEO ist der wichtigste Botschafter des Spitals nach aussen, es ist wichtig, dass das eine Person mit positiver Denkweise und viel Energie ist.» Das sagte Peter Suter, Verwaltungsratspräsident des Kantonsspitals Aarau (KSA), im Juni in einem Interview mit der AZ. Damals trennte sich das KSA vom bisherigen Spitalchef Robert Rhiner und startete die Suche nach einem Nachfolger.

Den Auftrag erhielt ein Headhunter-Büro – dieses ist inzwischen fündig geworden und der Verwaltungsrat hat den 56-jährigen Anton Schmid aus Gipf-Oberfrick als neuen CEO des KSA gewählt. Schmid ist seit sechseinhalb Jahren CEO des Regionalspitals Emmental, diesen Posten übernahm er Anfang 2015.

Bei diesem Wechsel kam es zu einer interessanten Rochade: Anton Schmid löste beim Spital Emmental als neuer Chef damals Adrian Schmitter ab, der seinerseits als CEO ans Kantonsspital Baden wechselte.

Spital Emmental als Kaderschmiede für Kantonsspitäler im Aargau

Das Spital Emmental mit Standorten in Burgdorf und Langnau ist also eine Kaderschmiede für die beiden Aargauer Kantonsspitäler: Schmitter als aktueller KSB-Chef und Schmid als künftiger KSA-Chef waren beide schon dort als CEO tätig.

Vor seinem Engagement im Emmental war Anton Schmid Leiter des Bereichs Betriebswirtschaft und Infrastruktur beim Kantonsspital Baden (KSB). In jener Zeit präsidierte Peter Suter, der heutige VR-Präsident des KSA, noch den Verwaltungsrat des KSB.

Suter kennt Schmid also bereits und lobt den neuen Aarauer Spitalchef in einer Mitteilung als «umsetzungsstarken, innovativen und basisnahen CEO, welcher gewillt ist, die bereits in Gang gesetzte Erneuerungsphase im KSA aktiv, erfolgreich und langfristig auszugestalten».

Anton Schmid sei mit seiner langjähren Erfahrung sowie seinen menschlichen und fachlichen Kompetenzen bestens gerüstet für diese anspruchsvolle Aufgabe, ergänzt der KSA-Präsident. Suter hält fest, dass der neue CEO seine Aufgabe «mit wirtschaftlichem Augenmass und in enger Zusammenarbeit mit dem engagierten Kader und den Mitarbeitenden der KSA-Gruppe» angehen werde.

Emmentaler Verwaltungsrat lobt Schmid für Weiterentwicklung des Spitals

Der Verwaltungsrat des Spitals Emmental bedauert den Abgang von Anton Schmid ausserordentlich, wie es in einer Mitteilung heisst. Schmid habe als CEO eine herausragende Arbeit für das Spital und die Region erbracht, lässt sich der dortige VR-Präsident Bernhard Antener zitieren.

«Es ist ihm gelungen, das Spital Emmental erfolgreich weiterzuentwickeln, trotz teilweise schwieriger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen.» So wurde zum Beispiel im Januar 2018 in Burgdorf ein Neubau für 111 Millionen Franken eröffnet und seit Schmids Amtsantritt wurden beim Spital Emmental rund 180 neue Stellen geschaffen.

Schmid lässt sich in der Mitteilung mit der Aussage zitieren, der Wechsel falle ihm nicht leicht, doch jetzt sei ein guter Zeitpunkt, die Führung des Spitals Emmental abzugeben. In seiner Amtszeit wurden grosse Neubau- und Erneuerungsprojekte durchgeführt, wie sie mit dem Mitte August gestarteten Neubau auch beim KSA anstehen.

«Der Höhepunkt war sicher die Inbetriebnahme des neuen Bettenhauses in Burgdorf im Januar 2018, die wir mit mehreren Tagen der offenen Tür gefeiert haben», hält Schmid in der Mitteilung des Spitals Emmental zu seinem Abgang fest.

Rentabilität als Herausforderung für Spitäler im Emmental und in Aarau

Bis zum Tag der offenen Tür beim KSA-Neubau dauert es noch mehrere Jahre, die Eröffnung ist für 2025 geplant. Zudem ist das Projekt Dreiklang in Aarau mit 563 Millionen Franken rund fünfmal teurer als der Neubau am Standort Burgdorf.

Auch die Zahl der Mitarbeitenden – im Emmental sind es rund 1500, am Kantonsspital Aarau rund 4600 – ist an seinem neuen Arbeitsort deutlich höher. Ähnlich sind aber die finanziellen Herausforderungen der beiden Spitäler: Sowohl im Emmental, wie in Aarau geht es um eine bessere Rentabilität.

Für das Geschäftsjahr 2020 wies das Kantonsspital Aarau einen Umsatz von rund 611 Millionen Franken und einen Verlust von 38 Millionen Franken aus. Dieser ist massgeblich auf Ausfälle wegen des Operationsverbots in der ersten Welle der Coronapandemie und den damit verbundenen Mehraufwand zurückzuführen. Die sogenannte Ebitda-Marge, eine Kennzahl für die Rentabilität, lag beim KSA im letzten Jahr bei 0 Prozent.

Das Spital Emmental erzielte letztes Jahr einen Umsatz von 183 Millionen Franken und wies einen kleinen Verlust von 0,5 Millionen aus. Die Ebitda-Marge liegt beim Berner Spital für das Jahr 2020 bei 6 Prozent – allerdings ist im Ergebnis eine Covid-19-Entschädigung vom Kanton Bern in der Höhe von 4,2 Millionen Franken bereits eingerechnet. Das Kantonsspital Aarau hat die Entschädigung des Kantons noch nicht berücksichtigt.

Im Jahr 2019, das noch nicht von Corona-Effekten betroffen und damit besser vergleichbar ist, erzielte das Spital Emmental ein Betriebsergebnis von 172 Millionen Franken, machte einen Gewinn von 300’000 Franken und wies eine Ebitda-Marge von 6,5 Prozent aus. Das Kantonsspital Aarau machte 2019 einen Umsatz von rund 693 Millionen Franken, erzielte 1,7 Millionen Franken Gewinn und kam auf eine Ebitda-Marge von 6,2 Prozent.

Der neue Chef des KSA ist ein ausgewiesener Finanzspezialist

Auf die Frage der AZ, ob der neue Spitalchef einen medizinischen Hintergrund mitbringen müsse, sagte KSA-Präsident Peter Suter im Juni: «Es ist nicht zwingend, dass der neue CEO ein Arzt oder eine Ärztin ist. Natürlich wäre ein medizinischer Hintergrund kein Nachteil, es kann aber auch eine Person sein, die bisher in einer anderen Branche eine Führungsposition innehatte.» Nun übernimmt mit Anton Schmid ein ausgewiesener Finanzexperte die Chefposition des grössten Spitals im Kanton.

Nach der kaufmännischen Berufslehre hat Schmid das Diplom als Betriebsökonom HWV erworben und später den Master FHNW im Strategischen Management erlangt. Später war er Finanzchef der Spital Thurgau AG und Leiter Finanzierung und Steuerung im Departement Gesundheit und Soziales des Kantons Aargau.

Als er das Kantonsspital Baden im Jahr 2015 in Richtung Emmental verliess, schrieb die KSB-Leitung: «Mit ihm verliert das KSB ein engagiertes Spitalleitungsmitglied, einen Projektleiter und eine Ansprechperson für alle Departemente und Berufsgruppen sowie einen anerkannten Verhandlungspartner für Versicherer, Behörden und Kooperationspartner.»

Anton Schmid wird ab März 2022 neuer CEO des Kantonsspitals Aarau – und er will sich dort längerfristig einbringen. Bild: Fotoatelier Spring / ZVG
Anton Schmid wird ab März 2022 neuer CEO des Kantonsspitals Aarau – und er will sich dort längerfristig einbringen. Bild: Fotoatelier Spring / ZVG

Anton Schmid, Sie werden im März 2022 neuer CEO des Kantonsspitals Aarau. Wie nahe sind Sie schon beim KSA?

Ich kenne das KSA schon lange, schliesslich bin ich 30 Jahre in der Spitalbranche tätig. Einblick hatte ich als Leiter Sektion Finanzierung und Steuerung beim Gesundheitsdepartement von 2005 bis 2008 und später auch als Geschäftsleitungsmitglied des Kantonsspitals Baden. Auch in den letzten Jahren habe ich die Entwicklung des KSA verfolgt, aber ich bin nicht so nahe dran, dass ich einen Insiderblick hätte. Ich weiss, dass es Einsprachen gegen den Neubau gab, dass die Finanzen ein Thema sind, aber mit den Details habe ich mich nicht beschäftigt.

Sie kennen Peter Suter aus Ihrer Zeit beim Kantonsspital Baden. Dort war er Präsident, Sie sassen in der Geschäftsleitung. Jetzt ist er KSA-Präsident: vereinfacht das Ihnen den Einstieg als neuer CEO?

Das kann in der Zusammenarbeit von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung helfen, weil wir beide schon wissen, wie wir zusammenarbeiten. Dennoch bin ich am KSA ein Newcomer, ich werde mir im nächsten Frühling selber ein Bild machen und viele Gespräche mit den anderen Geschäftsleitungsmitgliedern und Angestellten führen.

Bei Ihrem Vorgänger Robert Rhiner gab es Vorwürfe, er verbreite eine Angstkultur. Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?

Wenn man heutzutage erfolgreich sein will, muss man als Kollege mit Kollegen gut zusammenarbeiten und pragmatische Lösungen suchen. Ich bin immer gesprächsbereit und dialogorientiert, aber irgendwann braucht es einen Entscheid. Und wenn dieser getroffen ist, dann müssen alle dahinter stehen und ihn gemeinsam vertreten. Ich will auf keinen Fall eine Angstkultur oder ein Klima, wo sich Personen gegenseitig behindern.

Rhiner war Arzt, Sie sind Betriebswirtschafter – ist das ein Vor- oder ein Nachteil als Spitalchef?

Es gibt wohl niemanden, der alle Aspekte abdecken kann, mit denen sich der CEO eines grossen Spitals beschäftigt. Ganz egal, ob jemand eine medizinische, betriebswirtschaftliche, pflegerische oder andere Ausbildung mitbringt: Es wird immer Bereiche geben, wo man nicht Experte ist. Ich darf aber sagen, dass ich aus meiner langjährigen beruflichen Tätigkeit im Gesundheitswesen und mit meiner Lebenserfahrung einen guten Rucksack für diese Aufgabe mitbringe.

Zuletzt waren Sie beim Spital Emmental mit 1500 Angestellten. Jetzt übernehmen Sie das KSA mit rund dreimal mehr Mitarbeitern. Was ändert sich damit für Sie?

Das Spital Emmental ist kein kleines Unternehmen, wir erzielen einen Umsatz von bald 200 Millionen Franken. Zudem haben wir in den letzten Jahren gezeigt, dass die Erneuerung der Infrastruktur und eine Ausweitung des Angebots ohne Beiträge der öffentlichen Hand möglich ist. Natürlich ist das KSA deutlich grösser, aber die Themen, die man als CEO behandelt, sind nicht grundlegend anders. Ich rechne jedenfalls nicht damit, dass in Aarau alles dreimal komplexer und schwieriger ist.

Sie haben Erfahrungen mit einem Neubau in Burgdorf – hilft Ihnen das beim Neubau in Aarau, der in Ihre Zeit als CEO fällt? Das KSA will das 563-Millionen-Projekt, wie das Spital Emmental sein Bettenhaus, ohne öffentliche Gelder realisieren.

Zu den finanziellen Details des Neubaus in Aarau kann ich mich nicht äussern, bisher kenne ich dieses Projekt erst von aussen. Die neue Spitalfinanzierung schreibt vor, dass Spitäler ihre Investitionen selber decken sollen. Grundsätzlich bin ich damit einverstanden und auch willens, diese Vorgabe beim Neubau des KSA umzusetzen. Die Erfahrungen aus Burgdorf helfen sicher, ich habe eine gewisse Vorstellung, was bei einem solchen Projekt wichtig ist und wie ich es am Ende beziehen möchte.

Die niedrige Ebitda-Marge des KSA ist regelmässig Thema, auch politisch. Wie können Sie als CEO die Rentabilität des Spitals verbessern?

Es ist ein sehr wichtiges Thema und auch ein Ziel von mir, dass mein Spital operativ und betriebswirtschaftlich erfolgreich ist. Man kommt auch als Unternehmen im Kantonsbesitz nicht daran vorbei, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, Wie weit sich die Rentabilität des KSA verbessern lässt, ist aus meiner Sicht derzeit noch offen. Die wirtschaftliche Seite hat für mich aber Gewicht, schliesslich werden die Kosten der Spitäler entweder vom Steuerzahler oder vom Prämienzahler getragen.

KSA-Präsident Peter Suter sagte Anfang Juni, der neue Spitalchef solle ein paar Jahre bleiben, den Neubau beziehen und die Transformation begleiten – wie lange bleiben Sie in Aarau?

Als ich im Jahr 2015 ans Spital Emmental wechselte, war für mich klar, dass ich hier bleiben würde, bis die wichtigsten Aufgaben erfüllt sind. Jetzt ist dies der Fall, das Spital ist erweitert und saniert, damit kann ich im nächsten Frühling mit einem guten Gefühl die neue Stelle in Aarau antreten. Man braucht ein paar Jahre, um als Team erfolgreich zu sein und effizient zu arbeiten. Ich habe also nicht vor, das KSA nach zwei Jahren wieder zu verlassen, sondern möchte mich hier längerfristig einbringen.