«Ich mache das aus Leidenschaft»: Peter Riechsteiner züchtet Funkien

Ist eine Hosta, sieht aber aus wie eine Schwiegermutterzunge.
Ist eine Hosta, sieht aber aus wie eine Schwiegermutterzunge.
Eine wunderbar blühende Hosta. Bilder: Peter Riechsteiner
Eine wunderbar blühende Hosta. Bilder: Peter Riechsteiner

Wer von Murgenthal Richtung Rothrist fährt, kann das markante Gebäude rechts der Strasse nicht übersehen. Die alte Spinnerei am Rothkanal ist fraglos das am besten erhaltene Industriedenkmal aus der Frühzeit der Rothrister Industrialisierung. Mehr als 100 Jahre – von 1862 bis 1985 – wurden in der «alten Spinni», wie das Gebäude im Volksmund genannt wird, Garne gesponnen. Noch heute wird im zugehörigen Kleinkraftwerk Strom aus Wasserkraft erzeugt.

Gleich hinter dem Kraftwerk liegt das kleine Paradies von Peter Riechsteiner, das man über eine kleine, über den Rothkanal führende Brücke erreicht. Ein ehemals sumpfiges Stückchen Land, auf dem zuerst vor allem die aufgespannten Schattiernetze ins Auge fallen. Tritt man näher, entfaltet sich vor dem Auge des Betrachters eine wunderbare Farbsymphonie. Grün in allen Schattierungen – von ganz hell bis ganz dunkel.

«Die Funkien haben mich schon immer fasziniert», sagt Peter Riechsteiner, «besonders ihr elegantes, fast majestätisches Erscheinungsbild.» Zudem gebe es sie in einer unglaublichen Vielfalt. Ob er sagen könne, wie viele Sorten sich hier befinden? «Ich habe mal mit Zählen begonnen, es dann aber bald wieder aufgegeben», sagt der 62-jährige Rothrister lachend. Er schätze aber, dass es etwa 200 verschiedene Sorten sein dürften.

In Auszeit mit dem Vermehren von Pflanzen begonnen

Den Pflanzen zugewendet hat sich Peter Riechsteiner während einer beruflichen Auszeit. Nach dem Abschluss des Lehrerseminars hat er zuerst einige Jahre in der «Ringgi» als Korrektor gearbeitet, bevor er während sechs Jahren in verschiedenen Schulen in der Region unterrichtete. «Dann wurde es mir im Klassenzimmer zu eng», blickt Riechsteiner zurück, und er habe sich eine Auszeit genommen. In dieser Zeit habe er damit begonnen, Pflanzen zu vermehren. Es habe sich damals gezeigt, dass er offenbar einen «grünen Daumen» gehabt habe. «Ich hatte ständig viel zu viele Pflanzen.» Er habe damals begonnen, überschüssige Pflanzen zu verkaufen. «Und irgendwann kamen dann die Anfragen, ob ich nicht auch diese oder jene Gartenarbeit erledigen könne.» Die Gründung einer eigenen Firma für Gartenarbeiten im Jahr 2000 war der nächste Schritt. Die Berufung war zum Beruf geworden. Das Vermehren von Pflanzen, in erster Linie von Funkien, dann auch von Lilien, rückte in der Folge in den Hintergrund, blieb aber ein Nebenerwerb und eine lieb gewonnene Leidenschaft.

Peter Riechsteiner weiss noch, dass er seine erste Funkie in einer Baumschule gekauft hat. Dann sei in einem Gartencenter eines Grossverteilers eine zweite dazugekommen. «Von der Vielfalt her stösst man bei Gartencentern in der Schweiz irgendwann an Grenzen», sagt er. Dort seien vielleicht etwa zwanzig Standard-Funkien erhältlich. Deshalb habe er sich ausserhalb der Schweiz umgesehen, zuerst in Deutschland, später auch in den Niederlanden. «Aus diesen beiden Ländern habe ich immer wieder exklusivere Funkiensorten importiert und dann auch gezielt vermehrt. Ich kultiviere die Funkien meist in grossen Töpfen, damit der Habitus der Pflanze voll zur Geltung kommt. Dies lockt dann auch Hostaliebhaber aus der ganzen Schweiz in die Gärtnerei, die auf der Suche nach etwas Speziellem sind.» Aber kommerziell lohnend sei das nicht, betont er: «Ich mache das aus Leidenschaft.»

Zuletzt hat Riechsteiner ein erstes Exemplar der «Mausohren» (Mouse Ears) erworben, eine speziell kleinwüchsige Sorte mit wunderbar gezeichneten zweifarbigen Blättern. «Die Mausohren werden vielleicht 15 bis 20 Zentimeter hoch und sind momentan unter Hosta-Freunden stark im Trend.» Auf der anderen Seite der Grössenskala befindet sich beispielsweise die Sorte «Sum and Substance», die etwa 80 Zentimeter hoch werden kann. Sie steht momentan in der Blüte und hat grosse, hellgrüne Blätter. «Die Blätter dieser und vieler weiterer Sorten sind herzförmig – deshalb werden Funkien auch Herzlilien genannt», weiss der Rothrister Hosta-Spezialist. Aber bei weitem nicht alle. Er weiss genau, wo er suchen muss. Bald hält er eine weitere Hosta in den Händen und stellt die rhetorische Frage: «Schon mal so was gesehen?» Eine Funkie, die mit ihren langen schmalen Blättern aussieht wie eine Schwiegermutterzunge. Auch das gibt es. Oder eine besonders elegante, ganz dunkelgrüne Funkie, die gehämmerte Blätter hat. Der Vielfalt sind bei dieser Pflanze wirklich kaum Grenzen gesetzt.

Funkien sind pflegeleicht

Funkien/Hosta sind eine Pflanzengattung aus der Familie der Spargelartigen. Die meisten Sorten stammen ursprünglich aus Japan und dem angrenzenden Raum. Die Gattung ist nach dem deutschen Botaniker und Apotheker Heinrich Christian Funck (1771 – 1839) beziehungsweise nach dem österreichischen Botaniker und Leibarzt Nicolaus Thomas Host (1761 – 1834) benannt. «Funkien sind allgemein sehr anspruchslos und pflegeleicht», betont Riechsteiner. Nur die Sonne bekommt den allermeisten Sorten nicht, sie gedeihen am besten im schattigen oder halbschattigen Gartenbereich und lassen sich auch in Pflanzentöpfen halten. Hosta sind winterhart. «Ausfälle hatte ich selten und bei ganz kalten Temperaturen von minus 20 Grad», erinnert sich Peter Riechsteiner, Frühjahrsfröste seien an zügigen Lagen gelegentlich ein Problem.

Verluste kann er er leicht kompensieren. «Das Vermehren von Funkien ist relativ einfach», sagt er. Wenn man eine Funkie sortenecht vermehren wolle, müsse man einfach die Wurzeln teilen. Ein Video unter hostafarm.ch dokumentiert, wie man das richtig macht. «Die Tochterpflanze ist bei dieser Art von Vermehrung genau gleich wie die Mutterpflanze», sagt Peter Riechsteiner. Anders sehe das aus, wenn man mit Samen vermehren würde. Da wisse man nie, welche Pflanze man erhalte. Das probiert auch Peter Riechsteiner immer wieder aus. Er freut sich dann an schönen Sommerabenden an der Vielfalt in seinem Funkien-Paradies, wenn er sich von seinen anstrengenden Arbeitsalltag erholt. «Da komme ich zur Ruhe und kann Kraft schöpfen.» Und träumt dann und wann trotz aller Zufriedenheit seinen Traum: Dass er mit seinen Pflanzen einen Funkien-Erlebnisweg für die Öffentlichkeit anlegen dürfte – am liebsten in einem riesigen Park mit wunderbar alten, grossen Bäumen.