
«Ich stelle den Klimawandel nicht infrage»: Roger Köppel attackiert die Schweizer Medien

Im ersten Tweet, den er am Sonntag dazu absetzte, schrieb er noch von Fake News der jungen Grünen, welche die «NZZ am Sonntag» unwidersprochen übernommen habe. «Ich stelle den Klimawandel nicht infrage», betonte SVP-Nationalrat Roger Köppel. Das sei «Unfug».
Er bekämpfe den «Missbrauch des Klimawandels durch grüne Sozialisten für Verunsicherung, Panikmache und das Herunterreissen der industriellen Gesellschaft».
Die «NZZ am Sonntag» hatte in ihrer letzten Ausgabe drei junge Grüne zu Wort kommen lassen, die neu in kantonale oder kommunale Parlamente gewählt worden waren. Dabei kam die Rede auf Ständerats-Kandidat und «Weltwoche»-Verleger Köppel. Dieser behaupte, Rot-Grün und die Klimajugend wollten den Sozialismus einführen, hielten die Interviewer fest und fragten die drei jungen Grünen, was sie unter Systemwechsel verstünden. Samuel Zbinden (20), neuer Luzerner Kantonsrat, meinte lakonisch: «Es gibt Politiker, die sind klimapolitisch einfach unterbelichtet, anders kann ich es nicht sagen. Köppel stellt öffentlich den Klimawandel infrage. Mit so jemandem wollen wir uns gar nicht aufhalten.»
Sechs Stunden nach seinem ersten Tweet liess Köppel dann einen zweiten folgen. In ihm attackierte er die Medien generell. «Schweizer Fake-News-Medien stellen die SVP systematisch falsch dar», steht darin. «Aktuell hier der NZZ-Unsinn, ich würde den ‹Klimawandel› bestreiten. Medien sind Partei. Deshalb gehe ich in die 162 Gemeinden, um direkt mit den Leuten zu sprechen.»
In der Diskussion auf Twitter konterte Köppel gleich noch den Vorwurf, er leugne, acht Milliarden Menschen seien Schuld am Klimawandel. «Falsch», schrieb er. «Niemand bestreitet, dass CO2 ein Treibhausgas ist. Niemand bestreitet, dass es die Menschen produzieren.» Die Forschung habe aber noch keinen Beweis liefern können, dass der menschengemachte Anteil «massgeblich» zu einer globalen Erwärmung führe.
Schon vier Tage zuvor hatte Roger Köppel als Chefredaktor in der «Weltwoche» einen Angriff auf die NZZ geritten. In seinem Editorial zum EU-Rahmenvertrag warf er der Zeitung vor, sie mache seit Wochen Werbung für das institutionelle EU-Rahmenabkommen und operiere dabei mit «falschen Behauptungen und Fehleinschätzungen». Köppel konterte gleich elf Aussagen eines NZZ-Leitartikels mit Gegenaussagen.
Nutzt Köppel Trumps Rezept?
Nutzt Ständerats-Kandidat Köppel mit seinen Fake-News-Vorwürfen gegenüber Schweizer Medien ein Rezept von Donald Trump? Der US-Präsident kritisiert Veröffentlichungen von amerikanischen Medien systematisch als Fake News und hat damit Erfolg. 2018 mussten sich 350 US-Medien gegen diese Anschuldigungen zur Wehr setzen.
«Nein», schreibt Köppel auf Anfrage von CH Media, das tue er nicht. Es seien einfach Fake News. «Wenn Du beziehungsweise Deine Partei von den grossen Medien, auch von SRF, geschnitten und verdreht wirst, musst Du selber direkt zu den Leuten gehen und mit ihnen sprechen.»
Damit thematisiert Köppel seinen Wahlkampf als Ständerats-Kandidat. In diesem Rahmen will er alle 162 Gemeinden des Kantons Zürich besuchen. In 15-minütigen Vorträgen spricht er über die Themen Rahmenabkommen, Klimawandel und Einwanderung.
Vorträge dieser Art hatte der SVP-Nationalrat schon 2018 in einem Gastbeitrag in der «NZZ am Sonntag» als Rezept gegen Fake News erwähnt. «Ich bin der Auffassung, dass der unmittelbare Auftritt, das direkte Gespräch, die authentische Präsentation in Zeiten von Internet, Facebook, Google, PR-gesteuerten Fake-News und all den glattgebügelten, vorgekauten und zurechtgeschminkten TV-Soundbite-Kurzbotschaften eine neue Dringlichkeit und Notwendigkeit erfährt», schrieb er. Und: «Der Augenkontakt zum Publikum, zum Wähler, zum Stimmbürger ist für mich eine Grundlage der direkten Demokratie, ja geradezu eine Voraussetzung ihres Gelingens.»
Blocher geisselt Medien seit langem
Angriffe gegen angeblich linke Medien, vor allem gegen das öffentlich-rechtliche Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), gehören bei der SVP seit Jahrzehnten zum Standard-Repertoire. SVP-Doyen Christoph Blocher geisselte in seiner aktiven Zeit an fast jeder Delegiertenversammlung die angeblich linken Medien und das linke «Staatsfernsehen».
Im postfaktischen Zeitalter von Fake News und der Niederlagen der SVP in 17 von 23 kantonalen Wahlen scheinen die Attacken eine gewisse Dringlichkeit erhalten zu haben. «Die klare Sprache und auch der Kampf mit dem politischen Gegner blieben in vielen Kantonen und teilweise auch auf nationaler Ebene auf der Strecke», schreibt SVP-Präsident Albert Rösti in der neusten Ausgabe der Parteizeitung «Klartext». Anpassertum brauche eben weniger Kraft als Widerstand. Fein säuberlich sind dabei alle Niederlagen der kantonalen Parteien aufgelistet, als Rangliste mit der Zürcher SVP an der Spitze.
Wenige Tage vor ihrer Niederlage in Zürich hatten SVP-Wahlkampfleiter Alfred Heer und SVP-Stadtparteipräsident Mauro Tuena die Medien ebenfalls scharf kritisiert. Wegen des Rummels um den SVP-Kantonsratskandidaten Stefan Locher, der sich in einem Telefongespräch möglicherweise der Anstiftung zum Wahlbetrug schuldig machte.
Heer kritisierte das Ausmass der Berichterstattung. Es seien keine Wahllisten gefälscht worden. Tuena hielt fest, das grosse Medieninteresse an der Pressekonferenz zu Locher sei fragwürdig. Als SVP-Finanzdirektor Ernst Stocker der Öffentlichkeit einen Rekordüberschuss präsentieren konnte, seien viel weniger Journalisten gekommen.