Ida Glanzmann: «Ich hatte innert Minuten eine leere Agenda»

Frau Glanzmann, wie geht es Ihnen in der Krise?

Ida Glanzmann: Mir gehts sehr gut. Ich bin gesund und meine Familie ebenfalls.

Wie ist Ihnen Mitte März als CVP-Nationalrätin die Absage der Session in Bern reingekommen, was ging Ihnen durch den Kopf?

Ich denke, die Absage war ein guter Entscheid. Die Arbeit war wegen des fehlenden Social Distancing vor allem im Nationalrat nicht mehr möglich. Ich persönlich hatte nach der Absage innert Minuten eine leere Agenda …

Waren Sie auch für eine ausserordentliche Session des Parlaments, wie sie jetzt beschlossen wurde?

Ja. Ich finde es absolut notwendig, dass das Parlament den Betrieb wieder aufnimmt. Vor allem weil es vom Bundesrat beschlossene Notrechts-Massnahmen gibt, die wir genehmigen müssen, insbesondere im finanziellen Bereich.

Begrüssen Sie als Präsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats den Einsatz der Armee-Sanitäter zur Unterstützung des Gesundheitswesens?

Ja, diesen Einsatz begrüsse ich sehr. Die Armee hat in diesem Moment gezeigt, wie schnell sie Leute aufbieten kann. In meinem Umfeld habe ich niemanden getroffen, der die Mobilmachung schlecht fand. Im Gegenteil, man wird sich wieder bewusst, dass es in Krisensituationen eine Armee braucht.

Wie beurteilen Sie das Corona-Krisenmanagement des Bundesrats?

Ich finde es sehr gut. Der Bundesrat hat immer offen informiert und versucht, nicht auf Panik zu machen. Ein grosses Kränzlein möchte ich Daniel Koch vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) winden. Alle Leute finden ihn hervorragend. Er informiert mit einer grossen Ruhe, mit sehr viel Wissen und völlig unaufgeregt. Er lässt sich auch von keinem Journalisten aus der Ruhe bringen und bringt seine Botschaft rüber. Das ist super.

Genügen die beschlossenen Massnahmen gegen die Corona-Pandemie?

Ja, momentan schon. Es bedingt aber, dass sich alle an die Vorschriften halten. Vor allem an die älteren Menschen möchte ich appellieren. Bei ihnen hat die Corona-Krise weniger ausgelöst als bei den Berufstätigen, deren Leben auf den Kopf gestellt worden ist. Die Senioren haben manchmal das Gefühl, sie seien weniger betroffen. Aber alles, was wir tun, tun wir ja zu ihrem Schutz. Ich glaube, dessen sind sich noch nicht alle völlig bewusst.

Handelt der Bundesrat nicht ein wenig zögerlich, wenn man mit unseren Nachbarn Italien, Frankreich und Österreich vergleicht, die schon früher drastische Massnahmen ergriffen wie Grenz- und Ausgangssperren?

Nein. Ich finde das nicht. Italien hat viel länger gewartet, bis die Restaurants und Bars geschlossen wurden. Der Bundesrat macht von mir aus gesehen einen Superjob. Ich finde es auch richtig, dass man die Wirtschaft, so gut es geht, weiterlaufen lässt, damit wir nach der Krise nicht alle von null anfangen müssen.

Glauben Sie, dass eine Ausgangssperre, die ja noch nicht vom Tisch ist, etwas bringen würde, um die Neuinfektionen in der Schweiz runterzubringen?

Wir sollten warten, was die getroffenen Massnahmen jetzt bringen und was sie bewirken. Ich finde, es liegt nicht an uns, über weitere Massnahmen zu diskutieren.

Was halten Sie handkehrum von Leuten, die von «Panikmache» sprechen?

Diese haben noch nicht begriffen, dass es wirklich sehr ernst ist. Es ist nicht einfach nur eine Grippe. Auch wenn die Krankheit leicht verläuft, schränkt sie die Personen enorm ein. Ich stelle ausserdem fest, dass es momentan sehr viele – zum Teil selbst ernannte – Experten gibt.

Wie beurteilen Sie die momentane Stimmung in ihrer eigenen Wohngemeinde Altishofen?

Es hat viele Familien, die sich mit der neuen Situation und der Kinderbetreuung auseinandersetzen müssen. Ich erlebe auch spezielle Situationen. Gestern hat mir die Frau in der Bäckerei berichtet, dass ein älterer Herr einen Kaffee trinken wollte. Als sie sagte, dass das Café geschlossen bleiben müsse, habe er sich lauthals beschwert, dass man die Alten wohl kaputt machen wolle. Sie erklärte ihm darauf, dass diese Massnahmen besonders auch dem Schutz der Senioren dienten. Daraufhin meinte er, er habe das noch nie so gesehen. Ich glaube, dieses Bewusstsein muss noch wachsen, ganz besonders bei den älteren Menschen. Wir machen das alles nicht, um sie zu einzuschränken oder zu plagen, sondern um sie zu schützen. Auch die Jungen müssen sich bewusst sein, dass das Leben im Moment etwas anders verläuft und man nicht alles machen kann, was man gerne möchte.

Arbeiten Sie nun auch im Homeoffice?

Ja, ich bin zuhause im Büro. Als Präsidentin der Pro Senectute Kanton Luzern konnte ich alles mit Mails oder Telefonkonferenzen auffangen. Die Organisation ist momentan sehr gefordert im Umgang mit den älteren Menschen und macht das sehr gut. Zudem bin ich Präsidentin bei «LU Couture», einem Atelier für Bekleidungsgestalterinnen. Was ich super finde: Als Beschäftigung nähen sie neu Schutzmasken. Sie haben einen Onlineshop, über den man kleinere Mengen Masken bestellen kann.

Wie entspannt sich Ida Glanzmann momentan?

Zwischendurch gehe ich noch nach draussen,, möglichst alleine und ohne jemand zu treffen. Weil ich nicht ins Fitness gehen kann, mache ich Übungen zuhause. Wichtig finde ich auch, möglichst einen geordneten Tagesablauf zu behalten.

Gehen Sie noch einkaufen im Dorf?

Ja, ich gehe posten. Mein Mann ist auch im Homeoffice und bleibt möglichst zuhause. Zu den Grosskindern, die in der Nachbarschaft leben, haben wir nur Kontakt auf Distanz.

Zählen Sie sich mit 61 Jahren schon zur Risikogruppe?

Nein, ich gehöre nicht zur Risikogruppe. Ich kann noch etwas unternehmen und mich engagieren. Trotzdem ist mir der Aufruf des Bundesrates wichtig, möglichst zuhause zu bleiben.

Haben Sie Respekt vor einer Ansteckung?

Respekt müssen im Moment alle Leute haben. Ich finde es wichtig, dass sich alle mit der Krankheit auseinandersetzen und sich des Ansteckungsrisikos bewusst sind.

Es gibt auch eine positive Seite der Corona-Krise, eine riesige Menge an Hilfsangeboten ist entstanden und es ist sehr viel Solidarität spürbar. Toll, oder?

Ja. Die Solidarität untereinander und das Engagement der Schweizer Bevölkerung sind riesig. Ich finde es auch positiv, dass Betriebe, die schliessen mussten und jetzt unterstützt werden, sich überlegen, was sie online anbieten könnten. Oder Betriebe, die nun Hauslieferdienst machen, innovativ sind und nicht einfach die Faust im Sack machen. Ich will ganz vielen Leuten ein Kränzlein winden. Auch denjenigen, die noch arbeiten auf den Baustellen, im Gewerbe – und ganz besonders den Angestellten im Gesundheitswesen.