Illegale Verkehrskontrolle im Aargau: Es war ein Zürcher Stadtpolizist

«Am 20. Juni hat ein Polizist eines ausserkantonalen Korps zwischen 17.45 und 18.30 Uhr in Oberwil-Lieli mutmasslich widerrechtlich Verkehrskontrollen durchgeführt», teilte die Aargauer Staatsanwaltschaft am Mittwoch mit. Nun zeigt sich: Beim fehlbaren Beamten handelt es sich um einen Zürcher Stadtpolizisten. Dies bestätigte Michael Walker, Mediensprecher der Stadtpolizei, auf Anfrage des „Tages-Anzeigers“. Der Mann sei vom Dienst freigestellt worden, zum Motiv des Polizisten äusserte sich Walker gegenüber der Zeitung nicht.

Kontrolle in zivil durchgeführt
Der Mann war nicht in Uniform, sondern in ziviler Kleidung mit einem schwarzen Skoda Octavia Kombi unterwegs. Unter anderem soll der 34-jährige Schweizer beim Sädelhof auf Gemeindegebiet von Berikon einen dunkelblauen Mercedes ML angehalten haben. Am gleichen Abend führte der Zürcher Polizist in Oberwil-Lieli weitere Kontrollen durch.

Einem der betroffenen Lenker kam dies komisch vor, er meldete sich bei der Aargauer Kantonspolizei. «Darauf hat die Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten ein Strafverfahren eröffnet», sagt Sprecherin Fiona Strebel. Der Vorwurf lautet auf Amtsanmassung, dem Polizisten drohen bis zu drei Jahre Haft oder eine Geldstrafe.

Vor der Öffentlichkeit hat die Aargauer Staatsanwaltschaft das ausserkantonale Polizeikorps informiert, wo der Mann angestellt ist. Aus welchem Kanton der Polizist kommt, gebe man aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen nicht bekannt, sagt Strebel.

Auch die Frage, ob der Mann die illegalen Kontrollen gestanden habe, bleibt vorläufig offen. «Über das Aussageverhalten des Beschuldigten geben wir keine Auskunft», hält Sprecherin Strebel fest. Laut Informationen der AZ bestreitet der Polizist die Anschuldigungen.

Details unklar, Zeugen gesucht

Ob der Polizist bei seinen illegalen Kontrollen auch Bussen ausgestellt hat, was die Motivation für sein seltsames Vorgehen war und warum der Mann gerade auf dem Mutschellen aktiv war, ist momentan noch unklar. Zu diesen Fragen gibt die Staatsanwaltschaft auf Anfrage keine Auskunft, weil das Strafverfahren im Gang ist.

Derzeit läuft ein Zeugenaufruf, um den aussergewöhnlichen Fall zu klären. Wer nähere Angaben machen kann oder um den 20. Juni im Raum Oberwil-Lieli durch den beschriebenen Mann kontrolliert wurde, wird gebeten, sich unter Telefon 062 835 80 26 bei der Polizei zu melden.

Kontrollen: nie zivil, nie allein
Bernhard Graser, Mediensprecher der Kantonspolizei Aargau, hält auf Anfrage fest: «Wenn wir eine Verkehrskontrolle durchführen, passiert das nie zivil und auch nie alleine.» Schon aus Sicherheitsgründen seien bei solchen Einsätzen mehrere uniformierte Polizisten dabei.

Es sei deshalb naheliegend, dass ein Autolenker bei der komischen Zivilkontrolle Verdacht geschöpft und die Aargauer Kantonspolizei informiert habe. «Er liess sich offenbar den Ausweis des Polizisten zeigen, das ist auch sein gutes Recht», so Graser.

Bernhard Graser erklärt, bei der Kantonspolizei Aargau würde ein Strafverfahren nicht zwingend zur Suspendierung eines Polizisten führen. «Allerdings hätte ein solcher Fall mit Sicherheit auch disziplinarische Folgen», sagt der Sprecher.

Das darf ein Polizist – das nicht
Auf die Rechte eines Polizisten jenseits der Kantonsgrenze angesprochen, erklärt Graser: «Grundsätzlich haben wir ausserhalb des Aargaus nicht mehr Befugnisse als eine Privatperson.» Er könne als Aargauer Kantonspolizist also nicht im Kanton Zürich einen Raser anhalten, einen Einbrecher verhaften oder Ausweise von Autolenkern kontrollieren.

Erlaubt sind solche Amtshandlungen nur bei der sogenannten Nacheile. «Wenn jemand im Aargau eine Straftat begeht und zum Beispiel mit dem Auto in einen anderen Kanton oder auch nach Deutschland flieht, dürfen wir ihn verfolgen und auch jenseits der Grenze festnehmen.»

Ausserdem gebe es gewisse Autobahnteilstücke an der Kantonsgrenze in Dietwil, Rothrist, Kaiseraugst und Spreitenbach, die aus praktischen Gründen von benachbarten Polizeikorps betreut würden.