
Im Gespräch mit Ivo Muri bleibt die Zeit stehen
Veranstaltungshinweis
Am 16. Januar findet im Stadtsaal Zofingen der Anlass «Zeitzeichen – Wirtschaftsimpulse aus Zofingen» statt. Untertitel: «Zeit und Wirtschaft oder: Was über die Zeit in der Wirtschaft aus dem Ruder gelaufen ist.» Referenten sind der Unternehmer und Zeitforscher Ivo Muri, der Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann sowie der Chefökonom der Raiffeisen-Gruppe Martin Neff. Straumann wird über die Geschichte der Staatsschulden referieren, Neff über Wohlstand auf Pump und Ivo Muri über den Zusammenhang von Zeit und Geld. Der Anlass beginnt um 18 Uhr, der Eintritt ist frei, anschliessend gibt es einen Apéro. Veranstalter ist die IG Zeitoptimisten (zeitzeichen.ch). Unterstützt wird der Anlass durch die Stadt Zofingen, den Verband Wirtschaft Region Zofingen, den Rotary Club Zofingen und das Zofinger Tagblatt. Die Veranstaltung wird zudem auf zofingertagblatt.ch im Internet übertragen.
Zeit ist das Lebensthema von Ivo Muri. Vielleicht ist dass der Grund, dass er den Eindruck erweckt, mehr davon zu haben als andere Menschen: Muri ist das Gegenteil von gehetzt. Wenn er sich mit jemandem ins Gespräch vertieft, so kann das dauern. Und die Zeit bleibt stehen.
Uhren, Zifferblätter, Glockenschläge: Zeit beschäftigt den 58-Jährigen von Kindsbeinen an. Sein Vater gründet 1956 die Jakob Muri AG, die Glocken- und Turmuhrenanlagen baut; 1989 steigt Ivo Muri im väterlichen Betrieb als Geschäftsführer ein. 1994 gründete er, als Einmann-Betrieb, die Surseer Zeit AG, die EDV-basierte Zeiterfassungssysteme entwickelt und vertreibt. Der Computerboom der 90er Jahre verleiht ihm Rückenwind: 1998 erhält er den Zentralschweizer Jungunternehmerpreis; zum Jahrtausendwechsel zählt sein Unternehmen bereits 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, heute sind es doppelt so viele.
Doch der erfolgreiche Unternehmer ist nur eine Seite des Ivo Muri. Die andere Seite ist die des nachdenklichen «Zeitforschers», wie er sich selber nennt. Als Experte für Zeiterfassungssysteme stellt er bald fest, dass viele Menschen ernsthafte Sorgen mit der Zeit haben. Sorgen, die sich nicht einfach mit Software nicht lösen lassen. Deshalb gründet er vor 15 Jahren das Institut Zeit & Mensch, das sich mit allen Aspekten des Phänomens beschäftigt, vor allem mit jenen, die sich nicht in simplen Zahlenkolonnen darstellen lassen. Seine Erkenntnisse publiziert er in Büchern, eines trägt den Titel «Die drei Arten von Zeit» (2013).
Wenn er über die Zeit zu philosophieren beginnt, dann holt Muri aus; er legt Fährten, macht Sprünge: er zitiert Nikolaus Kopernikus, den Begründer des heliozentrischen Weltbildes, genauso wie den zeitgenössischen Neurobiologen Gerald Hüther. Warum Zeit auch Geld ist, weiss Muri inzwischen genau: In den vergangenen Jahrhunderten koppelte der Mensch zum Beispiel sämtliche Kosten – Fixkosten, Mieten, Löhne – an die Uhrzeit. «Das war gleichzeitig die Erfindung des Hamsterrades», sagt Muri. Wohin das führt, dokumentierte jüngst die Zürcher Forschungsstelle sotomo in einer Studie: Zwei von drei Erwachsenen sind häufig gestresst. Vielen fehlt die Zeit für Dinge, die ihnen wichtig wären. «Zeitprobleme sind allgegenwärtig», so Muris Fazit. Den Wettbewerb, den der tätige Mensch im Wettlauf mit der Zeit entfesselt hat, sieht der Unternehmer kritisch: «Die freie Marktwirtschaft trägt Züge der Selbstzerstörung», sie vernichte kleinräumige Strukturen.
Aber nur zusehen will er diesem Prozess nicht – er will auch etwas dagegen tun. «Einem anonymen Herrn Markt oder einer anonymen Frau Wirtschaft dürfen wir nicht unser Lebensgeschick überlassen», sagt er. «Die Frage ist: Was können wir im Kollektiv unternehmen, um Zeitprobleme zu entschärfen?» Eine Frage, die Muri zum nächsten Punkt führt: «Wenn wir Ordnung wollen, müssen wir die Geldordnung anschauen», sagt er. Eine Erkenntnis, die ihn zum überzeugten Befürworter der Vollgeld-Initiative gemacht hat, über die wir noch dieses Jahr abstimmen werden. Zudem ist Muri treibende Kraft der IG Zeitoptimisten, einem Zusammenschluss von Leuten, die überzeugt sind, dass die Zeitnot, unter derer heute viele leiden, nicht notwendig ist. «Die Zeitoptimisten analysieren, diskutieren und bringen auch unkonventionelle Lösungen zu zeitaktuellen Themen auf den Tisch», schreiben diese über sich auf zeitzeichen.ch. Man wolle «freiheitlich und ganzheitlich» auf die Lebenswelt schauen und überall dort, wo machbarer und sinnvoller Beitrag möglich sei, diesen «zum Nutzen von Mensch und Umwelt einbringen».
Einen solchen Beitrag liefern die Muri und die IG am 16. Januar in Zofingen: Sie bringen erstmals die Veranstaltung «Zeitzeichen – Wirtschaftsimpulse aus Zofingen» in die Thutstadt. Mit dieser fühlt sich Muri seit jeher verbunden: Sein Vater baute das Glockenspiel im Stiftsturm.
In anderen Städten sind ebenfalls Veranstaltungen geplant. Muri vergleicht das mit Steinen, die in einen Teich geworfen werden – er hofft, dass sein Engagement möglichst hohe Wellen schläft.