
In der Winterzeit wird der Gärtner zum Hoteldirektor
Rund 400 Gäste nimmt der Rothrister Gärtner Andy Bühler über den Winter alljährlich in seinem Hotel auf. Im Pflanzenhotel. Es sind vorwiegend mediterrane Pflanzen, die ihm über die kalte Jahreszeit zur Pflege anvertraut werden.
Zitronenbäumchen, Palmen, Oleander, Olivenbäume. Es sind Pflanzen, die Erinnerungen an die unbeschwerte Ferienzeit in südlichen Gefilden hochkommen lassen. Doch vermehrt holen sich Herr und Frau Schweizer das südländische Flair auch auf ihre Terrassen und in die windgeschützten Ecken ihrer Gärten. «Ja», bestätigt auch Andy Bühler, «die Nachfrage nach mediterranen Pflanzen ist in der Schweiz in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen.» Diese Pflanzen seien trendy geworden, doch die Winter in der Schweiz seien für viele dieser Gewächse trotz Klimaerwärmung nach wie vor zu kalt. Sie benötigen Schutz vor winterlichen Frösten.
«Mit dem Bau mehrerer Gewächshäuser vor rund 25 Jahren waren wir erstmals in der Lage, das Überwintern von Kübelpflanzen als neue Dienstleistung anzubieten», sagt der 43-jährige Rothrister Gärtner, der den 110 Jahre alten Familienbetrieb als Inhaber und Geschäftsführer seit 2014 in vierter Generation leitet.
«Eine ideale Ergänzung zum Tagesgeschäft», wie Bühler findet, denn in der Winterzeit falle für einen Gärtner deutlich weniger Arbeit an. Mit seinem «Pflanzenhotel», das eher ein Massenschlag ist, kann Bühler willkommene Zusatzeinnahmen in einer für ihn umsatzschwachen Zeit generieren. Wobei der «Hoteldirektor» mehrere Pflanzenhotels führen muss. «Ideal ist es, wenn man die Pflanzen in vier verschiedenen Klimazonen respektive Gewächshäusern unterbringen kann», weiss der erfahrene Gärtner. Denn nicht alle mediterranen Pflanzen seien gleichermassen frostempfindlich, beziehungsweise wärmebedürftig. So benötige das Gewächshaus mit Palmen und Olivenbäumen sowie diversen Gehölzen eine Mindesttemperatur von 0 Grad. Das Oleanderhaus eine von 3 Grad. Das Gewächshaus mit Zitronen, Fuchsien, Lantanen und Geranien hingegen eine solche von 6 Grad. «Und unser ‹Tropenhaus› müssen wir auf eine Temperatur von 13 Grad aufheizen», verrät Bühler, damit sich Pflanzen wie Bougainvilleas oder nicht winterharte Hibisken wohlfühlen würden.
Pflanzenferienzeit beginnt Anfang Oktober
Anfang Oktober nimmt das Pflanzenhotel langsam, aber sicher seinen Betrieb auf. Die meisten «Wintergäste» holt Andy Bühler selbst bei seiner Kundschaft ab. «Das Abholen ist gut planbar», sagt Bühler, denn im Gegensatz zum Ausliefern könne er alle Pflanzen gleichzeitig abholen. Schon mancher Kunde habe bei ihm reklamiert, weil er im Frühling glaubte, nicht alle Pflanzen zurückerhalten zu haben, sagt der Rothrister Gärtner. Doch die Auslieferung der Pflanzen müsse im Frühling gestaffelt erfolgen – je nach Frostempfindlichkeit der Gewächse. Die Auslieferung ziehe sich über rund zwei Monate hin und erfolge jeweils ab Anfang April mit Palmen und Olivenbäumen bis Mitte/Ende Mai die empfindlichen Bougainvilleas oder Hibisken ausgeliefert werden.
Doch bevor die Feriengäste ihre Hotelzimmer beziehen dürfen, erhalten sie nach dem Check-in eine umfangreiche Wellnessbehandlung. «Es ist wichtig, keine Schädlinge, Krankheiten oder Pilze in die Gewächshäuser einzuschleppen», sagt Bühler. Denn würde das passieren, würde er sie das ganze Jahr über nicht mehr los. Deshalb werden die Pflanzen beim Eintreffen zuerst sortiert, teilweise zurückgeschnitten, auf Schädlinge oder Pilze untersucht. Alte Blüten werden entfernt, gejätet wird ebenfalls, weil sich im Unkraut auch Schädlinge verstecken könnten. «Um auf Nummer sicher zu gehen, werden die Pflanzen mit einem Pflanzenschutzmittel behandelt», betont Bühler. Erst dann dürfen die Kübelpflanzen ihr Winterquartier beziehen.
Über den Winter sind die temporären Gäste relativ pflegeleicht. «Man muss die Pflanzen mit Wasser versorgen und die Temperatur in den Gewächshäusern kontrollieren», sagt Bühler. Zudem würden die Pflanzen regelmässig auf Schädlinge oder dürre Stellen überprüft sowie ein weiteres Mal gejätet. Im Februar/März erhalten dann alle Feriengäste einen Langzeitdünger. «All das ist in einem Fixpreis, der sich nach dem Durchmesser der Pflanze und nach der Klimazone richtet, inbegriffen», sagt Bühler. Weitere Dienstleistungen wie Umtopfen oder Wurzelschnitt können nach Absprache erfolgen.
Zitronenbäumchen führen die Hitliste an
Rund 400 Pflanzen holt Bühler Jahr für Jahr bei seiner Kundschaft im Oktober ab, um diese fachgerecht zu überwintern. Die Hitliste dürften mittlerweile Zitronenbäumchen anführen, schätzt Bühler, vor Palmen und Oleander.
Ist die Nachfrage nach seiner Dienstleistung in den letzten Jahren gewachsen? Das müsse man differenziert betrachten, meint der Rothrister Gärtner. «Die Nachfrage ist sicher da, weil immer mehr Leute mediterrane Pflanzen besitzen, die sie nicht überwintern können, weil ihnen der notwendige Platz dazu fehlt», hält Bühler fest. Zudem sei er mittlerweile der letzte produzierende Gärtner im Bezirk Zofingen, der diese Dienstleistung anbiete. «Die Mitbewerber sind zu einem grossen Teil verschwunden», hält er unmissverständlich fest.
Auf der anderen Seite gebe es zunehmend auch bei Pflanzen eine Wegwerfkultur. Baumärkte würden Pflanzen teilweise so günstig anbieten, dass sich eine Überwinterung für den Besitzer kaum lohne. «Aber diese Kundschaft suche ich auch nicht», stellt Bühler klar. Denn es gebe nach wie vor noch viele Kundinnen und Kunden, die eine emotionale Bindung an ihre Pflanzen hätten. Pflanzen etwa, die man beispielsweise von der verstorbenen Grossmutter übernommen habe. Und letztlich erhalte man in einem Pflanzenhotel einen Rundumservice und müsse sich um nichts mehr kümmern. Wie in perfekten Ferien.