Inhaftierter Oftringer Tierquäler: Kontrollen des Veterinäramts zeigten keine Mängel bei der Tierhaltung

Ein Quartier am Rand von Oftringen. Einfamilienhäuser liegen nah am Wald, auch sonst hat es viel Grün auf und zwischen den Grundstücken. Unvorstellbar, dass in dieser Idylle Tiere unfassbar schlecht gehalten wurden. Dass von schlimmer Tierquälerei gesprochen wird. Doch genau das ist passiert. Dicht neben Einfamilienhäusern fand eine Patrouille der Kantonspolizei Aargau zufällig ein totes Schaf auf einer Weide. «Dies veranlasste die Besatzung, eine nähere Kontrolle vorzunehmen», schreibt die Kapo in einer Mitteilung. Die Beamten stellten fest, dass die Tiere unter miserablen Bedingungen gehalten wurden. Sie stiessen zudem auf weitere mehrere Dutzend tote – teilweise bereits stark verweste – Tiere. Umgehend wurde das Veterinäramt und die zuständige Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm informiert. Den 57-jährigen Tierhalter, ein Schweizer, nahmen die Beamten nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft vorläufig fest. Die noch lebenden Tiere – darunter 16 Schafe, 4 Ziegen und 35 Hühner – wurden sichergestellt und anderswo untergebracht. Die Tiere waren teilweise in sehr schlechtem Zustand, wie es in der Medienmitteilung heisst.

Der Halter ist kein unbeschriebenes Blatt

Der 57-jährige Tierhalter war den Behörden seit einiger Zeit bekannt. Erst am 10. Dezember berichtete der Fernsehsender TeleM1 von einem toten Schaf, dass laut mehreren Anwohnerinnen einige Tage auf der Weide lag, nachdem es sich in einem Zaun verheddert hatte und qualvoll verendet war. Dies soll kein Einzelfall gewesen sein, wie Anwohnerinnen weiter berichten. Auf den Weiden sahen sie hinkende Schafe oder Tiere, die auf dem Miststock nach Futter suchten. Auch von mehreren Bussen und Anzeigen war in dem Beitrag die Rede. Warum schritten die Behörden nicht bereits früher ein?

«Der Tierhalter ist bereits seit längerem beim Veterinärdienst aktenkundig. Er wurde auch regelmässig kontrolliert», sagte Alda Breitenmoser, Leiterin Amt für Verbraucherschutz im Departement Gesundheit und Soziales, gestern gegenüber Tele M1.

In der Vergangenheit seien Beanstandungen, Verfügungen und Strafanzeigen gegen den Halter eingegangen. Die letzte Kontrolle des Veterinärdienstes fand erst im Dezember statt. «Damals haben wir Mängel festgestellt, aber nicht an Tieren», so Breitenmoser weiter. Diese Mängel habe der Halter behoben. «Dass sich die Situation so entwickelt hat, ist für uns auch überraschend.»

Vorwürfe an Nachbarn – die weisen diese von sich

In den sozialen Medien wird der Fall indes heiss diskutiert. Nachbarn werden mit Vorwürfen zugedeckt, man hätte doch reagieren müssen – insbesondere, wenn es wiederholt zu Fällen schlechter Tierhaltung kam. So schreibt jemand aus der erweiterten Nachbarschaft selbstkritisch, er hätte wohl doch reagieren und irgendwen informieren müssen, auch wenn er auf seinen Spaziergängen nie ein totes Tier gesehen habe. Ein ehemaliger Nachbar weist dagegen die Vorwürfe der Untätigkeit von sich. Er schreibt: «Ich habe lange in der Nachbarschaft gelebt und wir haben uns mehrfach mit dem Amt in Verbindung gesetzt, welches auch vor Ort war. Geschehen ist jedoch nichts.» Liegt die Schuld bei den Behörden? Werden dort die Anliegen der Bürger nicht ernst genommen?

Hanspeter Schläfli, Gemeindeammann von Oftringen, widerspricht klar. «Der Fall war uns schon länger bekannt. Wir können uns aber nur auf das Baurecht berufen und den Fall der Kantonstierärztin melden. Sonst sind uns die Hände gebunden.» Beide Möglichkeiten schöpfte der Oftringer Gemeinderat voll aus. Im Herbst versuchte er mittels Baugesetz, die Hühner des Schweizers zu beschlagnahmen. «Das Vorhaben mussten wir der Person vorher brieflich ankündigen, so will es das Gesetz», erklärt Schläfli. «Als wir auf dem Hof ankamen, waren die Hühner weg», fährt er fort.

Schläfli: «Die rechtliche Situation ist sehr komplex»

Wiederholt meldeten sie den Hof auch bei der kantonalen Tierärztin, leiteten auch die zahlreichen Beschwerden der Oftringer Bevölkerung an sie weiter. Die Schuld beim kantonalen Veterinäramt zu suchen, sei jedoch auch falsch, sagt Schläfli. «Es gibt eine Kantonstierärztin, die für ein riesiges Gebiet zuständig ist.» Als es am Dienstag endlich konkret geworden sei, sei es dann auch von kantonaler Stelle her sehr schnell gegangen.

Wäre es nicht sinnvoller, wenn die Gemeinden, die nah an den Fällen dran sind, mehr Handlungsspielraum erhielten? Auch hier verneint Schläfli: «Neben der Tatsache, dass es dafür einen Tierarzt im Gemeinderat bräuchte, ist auch die rechtliche Situation sehr komplex.» Er ist froh, dass der Fall vorläufig abgeschlossen ist. «Wir waren etwa zwölf Personen auf dem Hof. Für uns alle war es unverständlich, wie ein Mensch so mit Tieren umgehen kann. Es war grauenhaft.»