
Irene Lehmann hat in den letzten 40 Jahren halb Zofingen verheiratet

NEUE LEITERIN ZIVILSTANDSAMT ZOFINGEN
Corinne Schärfolgt auf Ronald Baumann
Per 1. Mai hat die in Safenwil wohnhafte Corinne Schär die Leitung des Regionalen Zivilstandsamtes, der Einwohnerdienste und des Bestattungsamtes Zofingen übernommen. Sie war bisher Gemeindeschreiberin und Leiterin der Verwaltung in Muhen. «Ich freue mich, von der langjährigen Erfahrung von Irene Lehmann profitieren zu dürfen», sagt Corinne Schär. Die 38- Jährige hat sowohl den Speziallehrgang für Einwohnerkontrollleute und eine weitere Vertiefungsausbildung im Einwohnerkontrollwesen als auch die Gemeindeschreiberausbildung abgeschlossen. Corinne Schär ist die Nachfolgerin des bisherigen Leiters Ronald Baumann.
Am 1. Mai 1979 ist Irene Lehmann nach Hause zurückgekehrt: Sie trat ihre Stelle in der Stadtverwaltung in Zofingen als Sachbearbeiterin des Zivilstandsamtes an. «Ich habe nach meiner Lehre auf der Stadtverwaltung Zofingen zwei Jahre lang im ‹Ausland› gearbeitet – in Aarburg», sagt Irene Lehmann und lacht. Vom Heimweh getrieben, habe sie sich, als die Stelle beim Zivilstandsamt Zofingen frei wurde, ohne zu zögern beworben. Damals war das Zivilstandsamt Zofingen mit nur zwei Personen besetzt: dem Leiter und Irene Lehmann, der Sachbearbeiterin. Stellvertreter war damals noch der Adjunkt der Stadtkanzlei. Zuständig war und ist das Amt für alle Veränderungen den Zivilstand betreffend. Einerseits von Zofinger Einwohnern, andererseits von Zofinger Bürgern, auch von solchen, die im Ausland leben. «Mein Job reicht von der Wiege bis zur Bahre», sagt Irene Lehmann und macht damit deutlich, dass die Aufgabe eines Zivilstandbeamten keinesfalls nur das Durchführen von Trauungen ist. «Wir stellen Geburtsurkunden aus, machen vor- und nachgeburtliche Vaterschaftsanerkennungen und auch für die Todesurkunden sind wir zuständig», erklärt Irene Lehmann.
Vorreiterin im Kanton Aargau
Erst nach vier Jahren, nach der Wahl zur Zivilstandsbeamten-Stellvertreterin per 1. Januar 1983, durfte Irene Lehmann ihre erste Trauung durchführen. Infolge Pensionierung von Hugo Eichenberger Ende September 1984 erfolgte die Wahl zur Zivilstandsbeamtin. Ein Zeitungsausschnitt aus dem Zofinger Tagblatt vom 4. Oktober 1984 zeigt: Mit der Beförderung zur Leiterin des Zivilstandsamtes wurde Irene Lehmann die erste weibliche vollamtliche Zivilstandsbeamtin im Kanton Aargau. «Ich weiss noch genau, was ich getragen habe an meiner ersten Trauung», sagt sie. Einen bordeaux-roten Hosenanzug aus Manchesterstoff. Und sie sei schrecklich nervös gewesen. Lachend fügt sie an: «Und über den Mittag bin ich noch zum Friseur gegangen – fast als wäre ich die Braut.»
Irene Lehmann ist der Stadtverwaltung Zofingen 40 Jahre lang treu geblieben. In wechselnden Aufgaben war sie immer im Zivilstandsamt tätig. Unter anderem war sie bis zur Geburt ihres ersten Kindes Leiterin des Zivilstandsamtes, heute ist sie wieder stellvertretende Leiterin. Sie hat miterlebt, wie die Zivilstandsämter regionalisiert wurden, wie im Schultheissen-Zimmer und dem Sitzungszimmer des Stadtrates nicht mehr nur Zofinger, sondern auch Bottenwiler, Brittnauer, Murgenthaler, Rothrister, Safenwiler, Strengelbacher und Vordemwalder getraut wurden. Wie viele Trauungen die 61-Jährige in ihrer Karriere durchgeführt hat, kann sie nur abschätzen. «Mehr als tausend sind es aber bestimmt», sagt sie.
Viele Veränderungen in 40 Jahren
Auch wenn Irene Lehmann und ihre Kolleginnen bei den Trauungen unter Zeitdruck stehen, sie versuchen immer auf die Wünsche des Brautpaars einzugehen. Ein persönliches Wort der Brautleute? Ein Musikstück ab CD oder gar LiveMusik? Alles möglich, sofern das Paar oder seine Trauzeugen alles inklusive Technik selber organisieren und der zeitliche Rahmen der Trauung nicht gesprengt wird. Denn bereits nach 30 Minuten steht das nächste Hochzeitspaar bereit, das getraut werden möchte.
Am meisten verändert hätten sich in den vergangenen 40 Jahren die zivilen Trauungen vor allem bei der Gestaltung des Ablaufs und bei der Grösse der Hochzeitsgesellschaft, erzählt Irene Lehmann. Früher sei das Hochzeitspaar meist nur in Begleitung der Trauzeugen aufs Standesamt gekommen. «Heute ist immer öfter die ganze Gesellschaft dabei. Vor allem bei den Trauungen am Samstag, wo anschliessend oft keine kirchliche Hochzeit stattfindet.» Und ja, Trauzeugen braucht es auch heute noch. Auch wenn im Parlament vor einiger Zeit ihre Abschaffung diskutiert worden ist. «Ich finde es ganz schön, dass die Trauzeugen immer noch nötig sind. Das macht es gleich viel festlicher», sagt Irene Lehmann, die auch schon als Trauzeugin eingesprungen ist, weil Brautleute ohne Zeugen aufs Standesamt gekommen sind.
Bei mehr als 1000 Trauungen hat Irene Lehmann einiges erlebt. Waren es früher oft auch befreundete Paare, die sie getraut hat, sind es heute Freunde ihrer beiden erwachsenen Kinder. «Es gibt viele Bekannte, die sich eine von mir durchgeführte Trauung wünschen.» Nein gesagt habe in den 40 Jahren nie jemand. «Manchmal muss ich aber nachfragen, weil ich das ‹Ja› nicht verstanden habe.» Und da nimmt es Irene Lehmann ganz genau. Ein «Klar doch» oder «gerne» auf die alles entscheidende Frage ist eben rechtlich nicht gültig.
Zweite Anläufe
Einmal, so erinnert sich Irene Lehmann, habe sie vor dem Rathaus das Brautpaar empfangen wollen. Da habe sie von oben auf der Treppe nur noch mitbekommen, wie die Braut dem Bräutigam eine Ohrfeige gegeben habe und dann über den Thutplatz davongerannt sei. Dieses Brautpaar hat den Hochzeitstermin verfallen lassen. Einige Monate danach sei es dann in einem zweiten Anlauf aber doch getraut worden – allerdings nicht von ihr.
Zweite Anläufe gibt es immer wieder. Auch Irene Lehmann hat schon Paare verheiratet, bei denen sie einen Partner bereits bei der ersten Ehe getraut hat. «Da frage ich meistens nach, ob ich die Trauung durchführen soll oder ob das als schlechtes Omen gewertet wird.» Bei einem solchen Hochzeitsfan, wie es Irene Lehmann ist, bleibt zum Schluss nur noch eine Frage: Wie war denn ihre eigene Trauung? Diese sei auch schon einige Jahre her, erinnert sie sich. Getraut worden ist sie vom damaligen Stadtschreiber Max Künzli. Er war ausserordentlicher Zivilstandsbeamter und konnte daher die Trauung durchführen. «Ich habe mir gewünscht, dass er mich traut. Schliesslich war er schon mein Lehrmeister», sagt Irene Lehmann und meint weiter: «Trauungen durchführen zu dürfen, ist der schönste Teil meines Berufes.» Wenn sie mithelfen kann, den angehenden Ehepaaren den schönsten Tag im Leben zu gestalten, gibt ihr das ein gutes Gefühl. Dazu verwendet sie eigene Worte, Ratschläge und – weil die Zivilstandsbeamten immer wieder die gleichen Gedichte nutzen – ab und zu auch ein selber geschriebenes Gedich
