
Irische Lebensfreude auf der Bühne

Auf einem Stuhl sitzend, die Arme auf ein Tischchen gestützt, öffnet eine Mutter die Briefe ihrer nach Amerika und Australien ausgewanderten Söhne. Aus New York, Sidney und einer unbekannten Stadt künden sie ihr Kommen zum Weihnachtsfest an.
«Christmas of Ireland» in Gitarrenbegleitung ist der Lieblingssong von Eimhin Liddy. Der Musical Director der Danceperados of Ireland setzt mit seinem Akkordeon selbst musikalische Akzente, auch verbal: 100 000 Iren leben illegal in Amerika, die Weihnachten nicht zu Hause feiern können. Wenn ein Familienmitglied in die Neue Welt aufbrach, wurde eine Flasche Whiskey zur Seite gelegt, die erst dann wieder geöffnet wurde, wenn der Ausgewanderte zurückkam; nicht selten stapelten sich die Flaschen auf dem Küchenregal, oft blieben sie ungeöffnet.
Uralte Hymnen und neuere Lieder
Whiskey gehört zum irischen Leben, wie Tanz und Musik. Mit Whiskey verdrängten die Iren in früherer Zeit Hunger, Perspektivlosigkeit und Unterdrückung. Der Tanz auf dem Whiskeyfass passt zur «Spirit of Irish Chrismas Tour» wie der unverkennbare Musikstil mit Fidel, Harfe und Celtic Bodhrán, einer grossen Handtrommel mit Holzschlägel. Das in englischer Sprache gesungene Weihnachtslied «Wexford Carol» fehlte im Repertoire ebenso wenig wie uralte Hymnen auf Gälisch und Lieder neueren Ursprungs. «Fairytale of New York» und das brandneue irische Weihnachtslied «Christmas America», extra geschrieben für Iren, die lange Zeit nicht heimkehrten, sind die besten Beispiele. Gitarre, Keyboard und Schlagzeug setzten sich dabei ein ums andere Mal gut in Szene. Manche Lieder stimmten dagegen nachdenklich wie «Song of homeless People».
Vergangene Epochen der irischen Geschichte dem Zofinger Publikum näher zu bringen, gelang den Danceperados of Ireland auf authentische und lebendige Art. Verpackt in eine Geschichte vermittelten sie die Weihnachtsbräuche der grünen Insel mit an die Wand projizierten Bildern.
Die «Wren Boys», junge Burschen in Lumpen gekleidet mit geschwärzten Gesichtern und Strohhüten auf den Köpfen, ziehen von Haus zu Haus, singen Lieder und bitten als «Zaunkönige» um Gaben. In früheren Zeiten wurde ein Zaunkönig in einem Käfig mitgeführt. Der gefiederte kleine Freund als Symbol des alten Jahres musste sein Leben lassen, Platz machend für das neue Jahr – symbolisiert durch ein Rotkehlchen. Rituale aus vorchristlichen Zeiten wie dieses bewahren sich im irischen Kulturgut bis heute, der kleine Vogel nur darf weiterleben.
Was Stepptanz auf Irisch bedeutet, vermittelten sieben Girls und vier Boys in wechselnden Kostümen auf dem Parkett der Stadtsaalbühne. Die Farbenpracht spiegelt die irische Lebensfreude wider. Oft klatschte das Theaterpublikum rhythmisch zu den gesteppten Titeln. Improvisation und überraschende Effekte verfehlten während zweier Stunden nicht ihre Wirkung. Kulinarisches gabs nur in Bildern, auf «Irish Christmas flammable Plum Pudding» mussten die Musicalfreunde verzichten, dafür wurden sie mit einer Flasche Kilkenny-Bier zur Pause entschädigt – aber nur, wer wollte.