Ist die Eishockey-WM mehr als ein alljährliches Grümpelturnier? – MIT AUDIO

Melanie Gamma: Das Kader ist bestimmt, die Taktik zurechtgelegt: Die Schweizer Nationalmannschaft ist bereit für die Eishockey-WM in Lettland. Am Freitag steht das Eröffnungsspiel an. Eishockey? WM? Schon wieder? Das denke ich eigentlich jedes Jahr, wenn der Trainer sein Aufgebot bekanntgibt und der Spielplan erscheint. In anderen Sportarten findet alle zwei oder alle vier Jahre eine Weltmeisterschaft statt. Die Eishockeyaner zelebrieren das Treffen der Weltelite jedes Jahr. Da frage ich mich, welchen sportlichen Wert und welchen Wert überhaupt eine WM da noch hat. Irgendwie ist sie doch nichts besonderes mehr, wenn sie quasi ständig durchgeführt wird. Nehmen wir unseren Andres Ambühl vom HC Davos. Er nimmt zum 16. Mal an einer WM teil. Zu viel des Guten, nicht?

Pascal Kamber: Über den Wert des Titels an einer Eishockey-WM kann man diskutieren, da gebe ich dir Recht. Sobald aber der erste WM-Puck eingeworfen wird, sind meine Bedenken längst verflogen und ich freue mich auf zwei Wochen vollgepackt mit Eishockey-Spektakel und Live-Sport im Fernsehen. Solche Titelkämpfe mit all ihren Geschichten sind einfach eine Spur spezieller als eine herkömmliche Meisterschaft, die ja auch jedes Jahr stattfindet. Und weil die Schweiz seit einigen Jahren im Konzert der Grossen vorne mitmischen kann, macht das Mitfiebern an einer Eishockey-WM umso mehr Spass.

gam: Noch spassiger wäre der Wettbewerb für die Teams und für die Zuschauer aber, wenn auch wirklich die weltbesten Spieler mittun würden. In unserem Kader fehlen bekanntlich diverse Cracks aus der NHL, weil dort die Playoffs laufen. Würde man die WM nur alle zwei Jahre durchführen, könnte man ja ein Zeitfenster wählen, wenn die NHL pausiert. Damit wirklich alle Spieler, die in Frage kommen und unsere Equipe verstärken würden, das Nationaldress überstreifen könnten.

pka: Diesen Makel kann man definitiv nicht schönreden. Würde die NHL pausieren, käme das auch dem Stellenwert einer WM zugute. Trotzdem denke ich, dass dieser Aspekt den Spielern, die für das Turnier aufgeboten werden, relativ egal ist. Als Nationalspieler sind sie Teil eines elitären Kreises und dürfen ihr Land auf der internationalen Bühne vertreten. Gleichzeitig erhalten sie die Chance, um einen grossen Titel zu kämpfen. Das sind genau jene Spiele, für die man als Profi tagtäglich hart schuftet. Findet eine WM nur alle vier Jahre statt und einer verletzt sich kurz vor dem Event, wird der Spieler unter Umständen nie für seine Arbeit belohnt.

gam: Man könnte das Ganze ja aber auch aus Sicht des Marketings betrachten. Weil die WM etwas spezielleres wäre, wenn sie seltener und nicht wie ein Grümpelturnier jedes Jahr durchgeführt würde, könnte man sie besser vermarkten. Vielleicht würde der eine oder andere Topsponsor so eher aufspringen. Man könnte mehr Einnahmen generieren, mehr Preisgeld auszahlen, den Zuschauern mehr bieten. Ich sähe Potenzial für einen längeren WM-Zyklus. 

pka: Deine Idee klingt gut, ist aber in der Praxis nie realisierbar. In weniger als 20 Ländern ist ein Interesse am Eishockey vorhanden, in den restlichen Nationen geniesst Eishockey den Status einer Randsportart. Deshalb wird der internationale Eishockeyverband (IIHF) mit einer WM nie so viel Geld einnehmen, dass er davon zwei oder vier Jahre leben kann. Die IIHF ist aber auf die rund 20 Millionen, die aus einer WM resultieren, angewiesen, weil sie damit unter anderem den gepflegten Verbands-Hauptsitz in Zürich mitfinanziert und die Förderung des Eishockeys in Ländern gewährleistet, die noch nicht an der WM dabei sind. Die IIHF ist also dazu gezwungen, in jedem Jahr einen Weltmeister zu küren.

gam: Dann wünschen wir der Schweiz im Kampf um den WM-Titel nun also alles Gute – und sonst klappts ja dann vielleicht im nächsten Jahr.