Ist die Zeit vor der «schönsten Zeit des Jahres» zu lang?

Pascal Kamber: Morgen Mittwoch beginnt mit der ersten Runde der Playoff-Viertelfinals in der Swiss League jene Phase der Saison, die Spieler und Fans gemeinhin als «schönste Zeit des Jahres» bezeichnen. Zugegeben, diese Ausgangslage ist sicher attraktiv, weil ab jetzt einzig und allein der Sieg zählt. Wer in seiner Serie viermal verliert, verabschiedet sich in die Ferien. Was mich aber an diesem Modus stört, ist das schier endlose Vorgeplänkel bis zum ersten Playoff-Puck­einwurf. Wieso braucht es 46 Qualifikationsspiele, um jene acht Mannschaften zu ermitteln, die um den Titel kämpfen? Ich kann mich monatelang mit einer dürftigen Leistung durchmogeln, starte trotzdem ohne Nachteil in die entscheidende Phase und kann immer noch Meister werden. Das riecht für mich zu stark nach künstlicher Spannung. Im Fussball ist das nicht nötig: Wer in der Super League die 36 Runden konstant gut und erfolgreich hinter sich bringt, steht verdient zuoberst. Wer über längere Zeit im Tief steckt, ist weg vom Fenster.

Melanie Gamma: Mein Interesse für die Eishockey-Saison nimmt auch bedeutend zu, wenn die Playoffs beginnen. In der Qualifikation sitze ich mit weniger Herzklopfen vor dem Liveticker, wenn sich der EHC Olten und der SC Langenthal zum gefühlt 293. Derby treffen. Trotzdem mag ich den Modus mit Vorrunden und Playoffs. Er spiegelt irgendwie das Leben. Zumeist geht es darum, Ressourcen einzuteilen, irgendwie über die Runden zu kommen und dabei Erfahrungen zu sammeln und zu reifen. Damit man dann, wenn es wirklich drauf ankommt, bereit ist, das Beste zu geben. Im Fussball ist simpel der erste in der Rangliste der Meister. Playoffs aber zeigen, wer es schafft, mehr Kräfte als der Gegner zu mobilisieren und für die letzte und entscheidende Differenz zu sorgen. Würdest du die Playoffs abschaffen?

pka: Deinen Vergleich mit dem Leben finde ich interessant. Wer am Ende aber den Pokal in den Händen halten will, braucht unabhängig vom Modus einen langen Schnauf. Ich würde die Playoffs nicht abschaffen, sondern an der Qualifikation schrauben. Wenn alle Mannschaften nur noch je einmal zuhause und auswärts aufeinandertreffen, gäbe das Raum für einen zweiten Wettbewerb wie zum Beispiel den Schweizer Cup. Für die Spieler entsteht so keine zusätzliche Belastung und der Cup erhält durch die Aufwertung jenen Stellenwert, den er auch verdient. Gleichzeitig gewinnt die Qualifikation an Spannung, weil in jeder Partie noch mehr auf dem Spiel steht. Das gefällt dem zahlenden Zuschauer, womit die Rechnung auch für die Klubbesitzer aufgeht.

gam: Stimmt, es gab ja mal Sportveranstaltungen mit Publikum im Stadion – das habe ich fast vergessen nach einem Jahr im «Corona-Modus». Schwarzer Humor beiseite: Ich schaue mir die Qualifikation lieber aus Sicht der Spieler an. Eishockey ist ihre Leidenschaft, bei vielen der Hauptberuf. Je öfter sie im Wettkampffeeling sind, desto motivierter und richtig eingestellt sind sie auch in den Playoffs. Ich bin nicht für weniger, aber für kürzere Spiele. Streichen wir doch in der Qualifikation die Overtime und führen ein Remis als Endergebnis ein. In den Playoffs soll ein Penaltyschiessen direkt nach drei Dritteln entscheiden.

pka: Diesen Ansatz finde ich auch gut. Den Fans scheint der Ist-Zustand allerdings mehr zu passen. Der EHC Olten begrüsste in den letzten Jahren im Schnitt immer über 3000 Zuschauer an seinen Heimspielen. Dass ein Match auch mal bis fast um Mitternacht dauert, scheint sie nicht zu stören.

gam: Den ganz grossen und treuen Eishockey-Fans werden sowohl meine wie auch deine Vorschläge widerstreben. Wenn sie nach Corona endlich wieder ins Stadion dürfen, werden sie sich so lange Spiele wie nie wünschen – und so viele wie möglich.