
Kaffee aus Nächstenliebe: Mit diesem Projekt sollen Oltner einander unterstützen
Spenden kann schwerfallen: Wie viel gibt man, wohin genau geht das Geld? Solche Fragen enden oft damit, dass man es gleich ganz lässt. Einen Kaffee spendieren hingegen, das tun die meisten gern.
Das Projekt «Spendierter Kaffee» in Olten macht sich genau diesen Umstand zunutze. Initiantin Jennifer Cavegn hat die Idee aus Italien, wo sie 12 Jahre lang gearbeitet hat. Den «caffè sospeso» gab es zwar in Neapel und sie arbeitete in Mailand, sie habe aber oft von Freunden davon gehört, erzählt sie.
Beim caffè sospeso, oder deutsch «spendierter Kaffee», geht es darum, dass man beim Kauf eines Kaffees gleich noch einen zweiten mitbezahlt. Dieser wird dann an jemanden ausgeschenkt, der sich selbst keinen leisten kann oder knapp bei Kasse ist.
Inspiriert vom «grossen Chef da oben»
In Neapel würde das schon seit 100 Jahren gemacht, erzählt Cavegn. Sie hätte die Geschichte aber nur am Rande mitbekommen und nicht mehr darüber nachgedacht, bis sie ein paar Jahre später schon in der Schweiz lebte.
«Die Idee hat so in meinem Kopf geschlummert»,
sagt sie. «Letztes Jahr kam es mir dann plötzlich wieder in den Sinn.»
Und zwar als Cavegn ihre Tochter in den Kindergarten brachte und danach wie immer Kaffee und Gipfeli im Quartierladen «Chlyformat» holte.
«Da ist der Gedanke plötzlich wie aus den Wolken gefallen und mein Herz begann zu brennen»,
erzählt sie. Cavegn nennt den Einfall eine «Gottspiration»; das Projekt, in dessen Zentrum die Nächstenliebe steht, sei für sie «ein Salut an den grossen Chef da oben.»
Der Grundgedanke sei, dass Menschen sich gegenseitig unterstützen und so eine stärkere Gemeinschaft entstehe. Gerade in der Coronazeit habe Cavegn dies passend gefunden. Und im Gegensatz zum caffè sospeso in Neapel sollen Restaurants beim «Spendierten Kaffee» in Olten das Konzept nicht nur auf Kaffee anwenden, sondern auch auf Produkte und Dienstleistungen wie Pizza, Kuchen oder ein gratis Haarschnitt – alles ausser Alkohol und Tabak.
Cavegn und drei Freunde, die sie mit dem Projekt unterstützen, fragten dann bei 30 Geschäften in Olten nach, ob sie mitmachen möchten. Vier haben zugesagt, vier abgesagt, der Rest steht noch aus.
Als Grund für die Absagen sieht Cavegn vor allem ein Verständnisproblem: «Ich glaube, ein paar haben es so verstanden, dass sie gratis etwas herausgeben müssen», meint sie. Allerdings sei ja all die spendierte Ware bezahlt – nur halt von anderen Gästen. Und dadurch könnten Kaffees sogar noch mehr Umsatz machen respektive mehr Ware verkaufen.
«Hüftgold», «Chlyformat» und «Tütüs Pizza-Express» ziehen Zwischenbilanz
Beim Cupcake-Laden Hüftgold klappt dies bisher gut. Besitzerin Chloé Tribuzio hat das Konzept im Dezember 2020 übernommen und sei überwältigt gewesen, wie viel die Leute spenden.
«Anfangs hatte ich so viele Spenden und fast niemanden, der sie abholte. Aber in den letzten Wochen werden es immer mehr»,
erzählt sie.
So sage sie den Leuten nun auch, sie sollen nicht mehr als einmal pro Tag etwas holen kommen, weil das nicht fair wäre. Bei ihr sind die Bedürftigen hauptsächlich Obdachlose, die einen Kaffee oder eine heisse Schoggi möchten.
Auch beim Quartierladen «Chlyformat» gibt es viele Spenden. Dort hätten noch nicht viele nach einem gratis Kaffee oder Gipfeli gefragt, doch Geschäftsführerin Rebekka Häfeli offeriert Leuten etwas, wenn diese wirken, als sei das Geld knapp.
«Natürlich sagen wir dann nicht: Sie können es sich ja nicht leisten. Wir offerieren es als Geschenk und die Leute freuen sich immer sehr»,
erklärt sie. So ginge die Rechnung bis jetzt auf und sie habe auch schon ihren Bruder, dem das Bloomell-Coffeehouse gehört, gefragt, ob er auch mitmachen wolle. Sein Geschäft wird in das Projekt einsteigen, sobald sie wieder öffnen dürfen.
Weniger gross ist die Nachfrage bei «Tütüs Pizza-Express»: Laut Geschäftsführer Bejhan Asanoski ist bis jetzt Essen im Wert von 70 Franken gespendet worden, allerdings hätte erst eine Person gratis einen Kaffee abgeholt.
Die Initiantin möchten nun noch mehr Restaurants anfragen, allerdings sei es auch Teil der Idee, dass sich das Konzept von selbst verbreitet. Deshalb seien die Geschäfte alle selbstständig in der Ausführung des Konzepts und dürfen ihre eigenen Regeln machen, wie zum Beispiel, dass jeder nur einmal am Tag etwas holen darf.
«Wir fänden es schön, wenn das von der Gesellschaft übernommen wird», sagt Cavegn. Und so würde das Projekt dann vielleicht auch über die Stadtgrenzen hinaus Anklang finden.
Flyer für Interessierte in verschiedenen Sprachen: hier.