Kirche als Bauherrin und Vermieterin: Win-win-Situation in Kölliken

Die Wiese hinter der Kirche Mutter Gottes ist 5152 Quadratmeter gross. Google
Die Wiese hinter der Kirche Mutter Gottes ist 5152 Quadratmeter gross. Google

KOMMENTAR

Auf die Bedürfnisse der Zeit reagiert

Nicht ausgelastete Räume gelten als unwirtschaftlich und setzen sich dem Ruf des Verzichtbaren aus. Rendite-Überlegungen sind zwar kein Wesensmerkmal der Sakralarchitektur – sie zeichnet sich durch einen Überfluss an Fläche und Raum aus. Lichten sich aber die Reihen der Kirchgenossinnen und -genossen, ist das mit einem Schwund an Steuerzahlern verbunden. Während man deshalb andernorts über den Rückbau sanierungsbedürftiger Kirchen diskutiert, war das für die Kölliker Katholiken kein Thema – eine Anpassung an aktuelle Bedürfnisse sehr wohl. Hier galt es, die Diskrepanz zwischen Gebäudewert und religiöser Praxis zu überwinden. Das ist in Kölliken gelungen, in dem Chor und Altar vom Kirchenraum abgetrennt wurden – womit sich Letzterer auch für profane Veranstaltungen nutzen lässt. Pragmatisch verfährt man auch mit der Wiese hinter der Kirche. Mietwohnungen sind in Kölliken ein eher rares Gut. Mit der Überbauung kann so ein Beitrag für die Gemeinschaft geleistet werden, der sich erst noch in Franken ausbezahlt.

Für 2,5 Millionen Franken hat der Pastoralkreis Aarau die römisch-katholische Kirche Mutter Gottes in Kölliken saniert und neuen Bedürfnissen angepasst. Viel Geld, zu viel Geld für eine Kirchgemeinde in der Diaspora. In Kölliken verfügen die Kirchgenossinnen und -genossen jedoch über ein respektables Tafelsilber in Form einer Parzelle Bauland unmittelbar hinter der Kirche. Diese, respektive ein Bauprojekt für Wohnungen, soll laut Finanzplan der Kirchgemeinde die langfristig nötigen Mittel liefern.

Die Kirche in der Pflicht

Als Bauherrin und Vermieterin von Wohnungen will die Kirchgemeinde nicht auftreten – das Areal deshalb verkaufen oder im Baurecht abgeben. «Aber», sagt Werner Ryter, Kirchenpfleger und Leiter Bau und Infrastruktur des Pastoralkreises Aarau, «als Kirche sehen wir uns bei Umweltbelangen in der Pflicht.» So wurde bereits bei der Sanierung der Kirche sehr viel in den Bereich Ökologie investiert – beispielsweise in eine Solaranlage. Für die Wohnüberbauung suchte man nach einer ökologischen wie architektonisch hochstehenden Lösung, die eine Wohnnutzung in angemessener Dichte anstrebt und in ihrer Ausgestaltung Rücksicht auf die unmittelbare Nachbarschaft zur Kirche nimmt.

Fünf Büros eingeladen

«Um eine gute Lösung zu finden wurde das bewährte Instrument des Studienauftrages gewählt», sagt Ryter. Rund 150 000 Franken stellte die Kirchgemeinde dafür zur Verfügung – dies erlaubte es, fünf Architekturbüros für die Ausarbeitung von Lösungsvorschlägen einzuladen.

Eine Jury – zusammengesetzt aus Kirchenvertretern und Architekturfachleuten – hat die Studien auf Basis eines Bewertungskatalogs beurteilt und einstimmig das Projekt «Löwenzahn» der Aarauer «Parc Architekten» zum Sieger erkoren. «Parc Architekten überzeugten das Beurteilungsgremium durch ein qualitativ hochstehendes Projekt, welches eine hohe Wohnqualität, einen Gemeinschaftsraum sowie Spiel- und Begegnungsbereiche aufweist», sagt Ryter. Es umfasst zwei Baukörper, unter welchen sich eine Tiefgarage befindet. Der grosszügig konzipierte Innenhof lasse Raum für gemeinschaftliche Nutzungen und diene als Fussgängerpassage. Das Wohnangebot umfasst 17 Einheiten, die bezüglich Grösse flexibel gestaltbar sind. «Grundsätzlich», sagt Ryter, «handelt es sich um eine Mischung aus zweigeschossigen Reihenhaustypen mit und ohne Attika.» Eine beträchtliche Flexibilität werde allein schon dadurch erreicht, dass ein zwischen zwei Wohneinheiten gelegenes Mittelzimmer je nach Bedarf der einen oder anderen Wohnung zugeschlagen werden kann. «Dem Projekt werden gute Marktchancen attestiert», stellt Ryter fest. Die sind wichtig, weil Grundstück und Projekt auf den Markt gebracht werden sollen. Darüber, ob das Areal verkauft – es hat einen Wert von rund einer Million Franken – oder im Baurecht abgegeben wird, ist noch nicht entschieden.

Ausstellung: Das Siegerprojekt, wie auch die anderen Studien, können am 26. April von 17 bis 19 Uhr und am 27. April von 10 bis 12 Uhr im Saalraum der Kirche Mutter Gottes besichtigt werden.