
Klimaforscher Fischlin: «Wir haben keine Zeit, um zu warten, bis Trump weg ist»
ZUR PERSON
Prof. Dr. Andreas Fischlin ist in Solothurn aufgewachsen. Er studierte Biologie und Systemtheorie an der ETH Zürich. Nach Forschungsjahren in Kanada lehrte und forschte er seit 1985 bis zu seiner Pensionierung an der ETH Zürich. Als leitender Autor von Kapiteln der Klimaberichte des Weltklimarates IPCC wurde er 2007 Mitempfänger des Friedensnobelpreises. Ausserdem war er während einigen Jahren Wissenschaftsvertreter in der schweizerischen Delegation bei den Verhandlungen zur Klimakonvention der UNO und ist seit 2015 in der Leitung des Weltklimarates. Er ist Vizepräsident der Arbeitsgruppe II, welche sich mit den Folgen des Klimawandels auseinandersetzt. Fischlin fungiert in seiner Freizeit als Bassist einer Rockband. Bereits in seinen Jugendjahren war er Mitbegründer der Band Terrible Noise, aus welcher 1975 Krokus hervorging.
Andreas Fischlin, Sie halten am Mittwoch in Zofingen einen Vortrag mit dem Titel «Warum der Klimawandel für unser Wohlergehen wichtig ist». Wie lautet die Antwort in einem Satz?
Andreas Fischlin: Weil die Zivilisation am Ende ist, wenn wir den Klimawandel nicht in den Griff bekommen.
Sie wollen aber auch erläutern, weshalb wir trotzdem optimistisch in die Zukunft blicken können. Was gibt Ihnen den Grund zum Optimismus?
Der Fakt, dass es grundsätzlich immer noch möglich ist, den Klimawandel zu stoppen. Ich höre immer wieder, wie Leute sagen «Es bringt doch nichts, wenn ich alleine etwas unternehme» oder «Die Schweiz als so kleines Land hat auf den Klimawandel doch sowieso keinen Einfluss». Ich hingegen sage: Jeder kleinste Tropfen auf den heissen Stein hilft. Und jedes halbe Jahr, um welches wir den Klimawandel eindämmen können, lohnt sich. Auch wenn es eine unglaublich schwierige und historisch einzigartige Herausforderung für die Menschheit ist.
Welche Konsequenzen bringt der Klimawandel für die Schweiz mit sich?
Vor allem höhere Temperaturen und mehr Extremwetterereignisse, wie Hochwasser und Stürme. Es kann gut sein, dass künftig während zweier Sommermonate hintereinander nur Tageshöchsttemperaturen von über 30 Grad gemessen werden. Das Wasser wird schneller verdampfen und das Problem der Trockenheit wird uns häufiger beschäftigen. Pflanzen werden nicht mehr gut wachsen, was auch grosse Konsequenzen auf die Landwirtschaft haben wird. Ausserdem werden wir mit neuen Schädlingen und Krankheiten zu kämpfen haben.
Wir merken heute schon, dass während der Wintermonate viel weniger oft Schnee im Mittelland liegt als früher. Wann erwarten Sie den ersten Winter, der bei uns komplett schneefrei wird?
Das hängt ganz davon ab, was wir jetzt unternehmen. Wenn wir genügend Klimaschutz betreiben, wird dieser Fall vielleicht nie eintreffen. Wenn wir nichts unternehmen, wird dies vermutlich in 20 bis 30 Jahren der Fall sein. Wobei es natürlich nicht nur vom Klimawandel abhängt, ob im Schweizer Mittelland Schnee liegt oder nicht, sondern auch von der jeweils herrschenden Wetterlage.
Während wir in der Schweiz wegen des Klimawandels vermutlich nicht an Leib und Leben bedroht sein werden, müssen Leute aus gewissen Gebieten der Erde fliehen. Bereits heute gibt es mehr Klima- als Kriegsflüchtlinge.
Ich würde da keinen Unterschied machen, zumal der Klimawandel ein enormes Konfliktpotenzial mit sich bringt. Denken wir nur einmal daran, was alles passieren könnte, wenn in einem Land eine muslimische Bevölkerungsgruppe aus ländlichem Gebiet wegen einer Dürre in die Städte flüchten muss, welche christlich geprägt sind oder umgekehrt.
Die USA wollen das Pariser Klimaabkommen wieder kündigen. Als Leitungsmitglied des Weltklimarates kämpfen Sie quasi gegen Windmühlen, wenn sich einer der einflussreichsten Staaten querstellt.
Das ist natürlich sehr bedauerlich. 17 Jahre lang war ich bei den Verhandlungen für das Pariser Abkommen dabei. Wir mussten viel und hart arbeiten dafür. Und dann kommt in Amerika ein Donald Trump an die Macht, ein Ignorant, welcher eine völlig destruktive Klimapolitik betreibt. Seit der Machtübernahme Trumps haben die USA keine finanziellen Beiträge an den Weltklimarat mehr geleistet. Zuvor machten die Zahlungen der Vereinigten Staaten rund 44 Prozent derjenigen aller Länder und somit einen wesentlichen Teil unseres Budgets aus. Zum Glück ist die USA bis ins Jahr 2020 an das Pariser Abkommen gebunden. Wenn Trump jedoch wiedergewählt wird, kann er den Ausstieg vollziehen und dann sieht es düster aus. Die Situation erinnert mich an damals, als die USA aus dem Kyoto-Protokoll ausgestiegen waren und wir die Verhandlungen erst langsam wieder aufbauen konnten, als die Bush-Regierung Geschichte war. Wir haben nun aber keine Zeit mehr, um zu warten, bis Trump weg ist.
Haben Sie keinen direkten Draht ins Weisse Haus, um Trump umzustimmen?
Doch, aber solche höchst diplomatischen Angelegenheiten liegen in der Verantwortung des Vorsitzenden, nicht in meiner.
Sie sagten einmal, im Jahr 2007 hätten viele Leute begonnen, den Klimawandel zu realisieren. Heute sind Personen in Machtpositionen, welche den Klimawandel leugnen. Sind Sie desillusioniert?
Nein, zu dieser Aussage stehe ich nach wie vor. Diese Zahlen basieren auf wissenschaftlichen Studien. Dass immer mehr Menschen den Klimawandel ernst nehmen, ist ein weltweiter Trend. In der Schweiz gibt es praktisch keine Klimalügner mehr. Klar hat es beispielsweise in der SVP Leute, welche den Klimaschutz sehr kritisch hinterfragen. Aber diese würde ich nicht als unbelehrbare Klimalügner bezeichnen. Selbst in den USA, wo weltweit am meisten Menschen den Klimawandel leugnen, beträgt ihr Anteil heute nur noch 6,3 Prozent. Umso erstaunlicher ist es, dass sich nun die ganze republikanische Partei von der bisherigen Klimapolitik so sehr distanziert.
Ich stelle mir Ihr Amt als Vizepräsident des Weltklimarates sehr zeitintensiv vor.
Das ist auch so, denn der aktuelle Zyklus von 2015 bis 2022 gibt viel mehr zu tun als alle bisherigen Zyklen. Das liegt vor allem daran, dass es mehr Spezialberichte zu verfassen gibt. Ausserdem gibt es immer mehr Literatur und Forschungsergebnisse, welche man berücksichtigen muss, wenn man einen Sachstandsbericht verfassen will.
Eigentlich könnten Sie nun als Rentner am Strand liegen und Ihr Leben geniessen. Ihnen muss die Erde sehr am Herzen liegen, dass Sie auf ein ruhigeres Leben verzichten und sich so intensiv für sie einsetzen.
Ja, das ist wirklich so. Und ich sage Ihnen, meine Frau hat daran gar keine Freude. Aber bald gehen wir gemeinsam in die Ferien. Es ist nun mal so, dass ich mich für dieses Amt zur Verfügung gestellt habe und die Regierungen mich gewählt haben. Diese Aufgabe will ich erfüllen.
Volkshochschule Zofingen: Warum der Klimawandel für unser Wohlergehen wichtig ist – Wie das Klima Mensch und Natur beeinflusst. Vortrag von Prof. Dr. Andreas Fischlin. Mittwoch, 21. November, 19.30 Uhr, Rathaus Zofingen, Bürgersaal. Eintritt: 25 Franken.
Anmeldung erwünscht, aber nicht obligatorisch: info@vhs-zofingen.ch