
Klimawandel kostet eine Milliarde Franken
Es wird wärmer in der Schweiz, das bekommt der Mensch zu spüren, die Natur – und auch die Infrastruktur. Schienen verformen sich in der Sommerhitze, auch der Strassenbelag hat mit ihr zu kämpfen. Wasserkraftwerken fehlt das Wasser, Tourismusgebieten im Winter der Schnee. Dazu kommen Extremereignisse, die Schäden verursachen, Überschwemmungen etwa oder Stürme.
Erstmals liegt nun eine Studie dazu vor, was der Klimawandel die Schweiz mit Blick auf ihre Infrastruktur kostet. Gestern wurde sie an der ETH Zürich vorgestellt, im Beisein von Bundesrätin Simonetta Sommaruga. Die Infrastrukturen seien «das Markenzeichen der Schweiz», doch sie gerieten auch zusehends unter Druck, so Sommaruga, Vorsteherin des Umweltdepartements.
Studienautor Christian Jaag sprach von Kosten von einer Milliarde Franken, die der Klimawandel im Jahr 2050 jährlich mit sich bringen wird. Eingerechnet sind hier sämtliche Auswirkungen, also solche von Extremereignissen genauso wie jene aus dem schleichenden Klimawandel. Dieser löst Anpassungskosten aus. Zum Beispiel für die Kühlung mittels Klimaanlagen im Sommer, weil die Hitze nicht mehr erträglich ist. Oder für den Einbau von hitzeresistenteren Strassenbelägen. Für die Verkehrsinfrastruktur rechnet Jaag im Jahr 2050 insgesamt mit zusätzlichen Kosten im tiefen dreistelligen Millionenbereich; die Ertragsausfälle für die Energiewirtschaft beziffert er auf einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag. Es sei zudem zu erwarten, so der Ökonom, dass die Auswirkungen zunehmen.
Eine Milliarde Franken, diese Zahl ist mit Vorsicht zu geniessen, und das räumte Studienautor Jaag selbst ein. Sie ist deshalb eher als Grössenordnung zu verstehen. «Die Quantifizierung beinhaltet grosse Unsicherheiten», sagte Jaag. Das hängt auch mit der ungenügenden Datenlage zusammen. Für seine Übersichtsstudie trug er die Ergebnisse verschiedener anderer Untersuchungen zusammen. Diese unterscheiden sich stark, etwa bezüglich der zugrunde gelegten Klimaszenarien. Das führt dazu, dass die prognostizierten Kosten stark schwanken.
Bundesrätin will einen Aktionsplan
Gewisse Effekte des Klimawandels sind für die Schweiz sogar positiv. So werden die Heizkosten im Winter sinken, wenn es wärmer wird. Die kältebedingten Schäden an den Strassen gehen zurück. Wintersportorte werden zwar unter dem fehlenden Schnee leiden, doch gleichzeitig bieten sich im Sommer Chancen, weil das Alpenland so etwas wie die Kälteinsel Europas sein wird.
Unter dem Strich aber, so viel steht fest, wird der Klimawandel die Schweiz einiges kosten. Bundesrätin Sommaruga sagte, die Studie sei «ein Weckruf» für den Bund, Kantone und Gemeinden, aber auch die Wirtschaft. Und zwar auch in dem Sinne, dass noch viele Wissenslücken dazu bestehen, wie sich der Klimawandel auf die Infrastruktur – «unsere Lebensader» – auswirkt.
Die Bundesrätin will diese Wissenslücken nun füllen, und zwar im Rahmen eines neuen Aktionsplans. Dieser befasst sich mit der Frage, wie sich die Schweiz an den Klimawandel anpassen soll. Der aktuelle Plan läuft Ende Jahr aus; das neue Papier will Sommaruga dem Bundesrat im ersten Halbjahr 2020 vorlegen. «Wir werden in die Forschung investieren müssen, weil wir sehr vieles noch nicht wissen», sagte Sommaruga. Neben dem Forschungsprogramm soll der Plan Massnahmen zum Schutz der Infrastrukturen enthalten. Und er soll dazu führen, dass die Klimaszenarien verstärkt einfliessen in politische Entscheide, etwa in der Raumplanungs- oder der Energiepolitik.