Kultur in Oftringen geht die Saison 2019/20 mit Gänsehaut und Figuren auf der Kippe an.

Zu sanft will Kultur in Oftringen die Saison 2019/20 nicht angehen. Der Agatha-Christie-Thriller «Der Fremde im Haus» spielt damit, dass im Vertrautesten das Unheimliche lauert.

Ein Lottogewinn über eine Million Pfund stellt das Leben der jungen Sekretärin Cecily Harrington (Sarah Elena Timpe) komplett auf den Kopf. Der biedere Nigel (Markus Baumeister), der nach drei Jahren im Sudan nach Hause zurückkehrt, ist zum Heiraten nicht mehr gut genug. Lau erscheint ihr diese Verbindung, gleichzeitig lockt das Abenteuer. Da kommt der adrette Bruce Lovell (Saša Kekez), der sich auf die Anzeige ihrer Mitbewohnerin Mavis (Franziska Janetzko) für drei Monate zur Untermiete meldet, gerade recht.

Die Warnungen fruchten nichts

Den charismatischen Mann umströmt ein Hauch von Geheimnis und Abenteuer. Mit seinem weltläufigen Charme verdreht er Cecily noch auf der Schwelle den Kopf. Die Entrüstung der besserwisserischen und im Grunde dauernd um Geld schnorrenden Tante Lulu (Johanna Liebeneiner) und die Warnungen der besonnenen Mavis fruchten nichts. Die junge Frau will mit allem brechen und lässt sich nur zu gerne zur Blitzheirat verführen.

Dass das Theatergastspiel Fürth diesen ersten Akt in einer Leichtbaukulisse direkt vor dem Bühnenbild zum Besten gibt, tut dessen Wirkung keinen Abbruch. Das leicht Provisorische unter hartem Licht betont die scherenschnittartig aufgebaute Ausgangssituation. Was in der Folge fasziniert, ist das psychologische Kammerspiel, das sich zwischen den Ehegatten entspinnt. Das fein getaktete dramaturgische Räderwerk beginnt nun erst richtig Fahrt aufzunehmen.

Die nächste Szene zeigt das frisch vermählte Paar bereits Wochen später im Wohnzimmer ihres ebenso gepflegten wie abgelegenen Landhauses. Ganz für sich allein will Bruce seine Cecily haben. Sie lässt ihm freie Hand, auch was die Geldangelegenheiten betrifft, zumal sein im Ausland angelegtes Vermögen gerade blockiert ist. Nun reiht sich ein Irritationsmoment ans andere. Was treibt der Mann in seinem Fotolabor im Keller, zu dem niemand Zutritt hat? Was haben seine naiven bis kryptischen Tagebucheinträge und die leeren Wasserstoffperoxidfläschchen zu bedeuten? Und weshalb interessiert sich Bruce so sehr für Kriminologie und Mördergestalten?

Das Publikum weiss schon längst mehr als das Opfer, ist nicht nur wie Cecily Zeuge von Schwächeanfällen und unkontrollierten Wutausbrüchen, sondern sieht des pathologisch Kranken nervöse Zuckungen, wenn er sich nicht beobachtet fühlt. Saša Kekez legt überzeugend dar, wie die Figur zunehmend von ihrer Manie in Beschlag genommen wird und ins Monströse abdriftet. Die Kontrollverluste schaffen Schockmomente. Während Cecily noch das Offensichtliche verdrängt, ahnen der ebenso dienstbeflissene wie warmherzige Gärtner Hogson (Michael Kausch) und der Dorfarzt Dr. Gribble (Norbert Heckner) viel. Doch bleiben ihnen die Hände gebunden.

Rettung kommt in letzter Minute

Einzig Mavis und Nigel, die am heimtückisch geplanten Mordtag zu Besuch kommen, stürzen Cecily kurz vor der Katastrophe in einen heilsamen Zweifel. Während der Uhrzeiger Richtung 21 Uhr tickt, lässt Bruce die Maske fallen und offenbart machtberauscht seine sadistischen Züge. Sarah Elena Timpe schafft es ohne Widerspruch, sich von der naiven zur ebenso panischen wie überlebensklugen Cecily zu wandeln. Ein Mördergen dichtet sie sich zwar vergebens an, doch vermag sie das Nervenkostüm des serienmässigen Erbschleichers und Mörders derart zu überreizen, dass er seinem eigenen Furor zum Opfer fällt. Bei Agatha Christie gehören Überraschungen eben zum Programm.

Unaufdringlich modernisiert wirkt das mit viel Zug gespielte Stück frisch wie eh und je. Die durch Lichtführung und dumpf grollende Klänge unterstützten Gruseleffekte jagen zusätzliche Schauer über die Haut. Virtuos reisst das Theatergastspiel Fürth das Publikum während zweier Stunden in einen Strudel der Emotionen. Das Publikum weiss es zu schätzen, derart eingenommen, erschreckt und wohlig überrascht worden zu sein. Das Ensemble wird – verdientermassen – mit Applaus überschüttet.