Kunst darf jeder: Mitglieder des Kunsthauses stellen aus – GALERIE

Die bildende Kunst ist zur geschlossenen Gesellschaft geworden. Der Entscheid darüber, was ausgestellt wird, unterliegt Kriterien wie Renommee, Qualität, Trend und Nachfrage, künstlerischer Ausbildung, erlangten Auszeichnungen, bereits getätigten Ausstellungen. Das Kunsthaus Zofingen verzichtet für einmal auf eine solche Auswahl und bietet seinen Mitgliedern Carte blanche. Jede und jeder darf und soll mitmachen können. «Obwohl solche Gefässe in Kunsthäusern verschwunden sind, bleiben wir ein offenes Haus und pflegen unsere Mitgliederaustellungen weiter», sagt Claudia Waldner, Kuratorin des Kunsthauses Zofingen.

Verspieltes und Seziertes
Das Wagnis hat sich gelohnt, das Publikum kann sich ab heute Samstag, 17 Uhr, davon überzeugen. 59 Künstlerinnen und Künstler haben sich mehr oder weniger eng an die Vorgabe des einen nutzbaren Quadratmeters zum Thema Dialog gehalten. Da ist viel Lust am Spiel zu spüren. Sinnfällig zum Beispiel am Mobile «Sinnesbaumeln» von Nicole Veuve Grieder im Saal im Obergeschoss. Sie hat aus unterschiedlichsten Materialien schwebende Karikaturen von Gesichtern an Fäden geformt. An deren Ende prangen Worte wie «Ohrwurm», «Naseweis», «Kussmund». Keck und mit überzeugter Naivität inszeniert Lotti Walti im Erdgeschoss ihr Werk «Bissige Katzen im Dialog», das aus einer Porträtsammlung von fünf Katzen und einem Dialogpapier besteht. Ernster und weniger vordergründig ist Theres Wetzels «Apfall – Dialog über das Altern». Auf einem rollbaren Operationstisch hat sie Äpfel seziert und präsentiert sie in gedörrten Mustern von Fruchtfleisch, Schale, Kern und Samen. Die Installation rührt zwischen Werden und Vergehen an den unzählbaren und doch gezählten Tagen einer jeden Existenz. Einer Selbstbefragung unterzieht sich im Erdgeschoss Corina Girell di Giovanoel in ihren Porträts «Und?», «Warum?», «Wie weiter?». Die Kohlezeichnungen zeigen ein und dasselbe Gesicht, generieren aber dank unterschiedlichen Licht- und Schatteneffekten Befindlichkeiten in ernsten Momentaufnahmen.

Vom Stillen im Lauten
Es gibt in dieser Ausstellung auch sehr stille Werke, für die es sich Zeit zu nehmen lohnt. Der Syrer Ahmad Salam, dessen Haus nahe Aleppo zerbombt worden ist und der nun seit mehreren Jahren in Olten lebt, stellt zwei Stillleben mit Blumenstrauss aus. Die auf eine harmonische, regelmässige Formensprache ausgelegten Bilder sind ein spürbar verzweifelter Versuch, die zerstörte Ordnung wieder zu kitten. Das subtile Misslingen geht einem nahe.

Zu sehen ist auch eine Vielfalt von überzeugenden Skulpturen. Gerda Fischer zeigt die zwei Tonfiguren «die Erzählerin» und «der Zuhörer» und gesellt ihnen skulpturale Textinszenierung des Gilgamesch-Epos sowie zwei Buchobjekte bei. Hier sind kulturelle Formen des Erzählens in Dialog gebrannt. Veronika Balog sagt: «Wir sind Gefässe, die es zu füllen gilt.» Ihre feinsinnigen, unregelmässig gearbeiteten Tongefässe sind Unikate und tragen die Namen «Frieden», «Samtigkeit» oder «Anmutig». Sie laden dazu ein, verschenkt und den Alltagsnutzen übergeben zu werden. Joyce Baumberger schliesslich hat ein Endlosband um einen Eisenständer geschlungen. «Insieme» zeigt eine Abfolge unterschiedlichster, mit wenigen Strichen in Tusche aufgetragener Gesichter. Wer sich darin vertieft, glaubt, einige dieser Gesichter wiederzuerkennen, und sieht sich so automatisch in einen assoziativen Gedankenstrom hineingezogen.

Karin Eugsters Fensterrahmen «Mein Bild vom Wald» ist Ein- und Ausblick zugleich. Ihre auf den Fensterläden aufgetragenen Gedichte laden dazu ein, das Fenster aufzustossen und zu träumen.

Werke tragen einander
Insgesamt zeigen die 59 Mitglieder weit über 100 Werke. Sie sind, das ist ein Verdienst des Kunsthauses, so angeordnet und zueinander in Bezug gesetzt, dass eine Diskussion um unterschiedliche Qualität und Gehalt gar nicht aufkommen mag. So sind es nicht nur die Künstler, die die inhaltliche Vorgabe «Dialog» mit ihren Werken erfüllen. Hier ist es gelungen, die Kunstwerke so miteinander in einen Dialog zu setzen, dass sie einander gegenseitig tragen. Ob dies in ergänzender, kommentierender oder konfrontierender Form aufzufassen ist, macht das Abenteuer des Ausstellungsbesuchs aus. Die Mitgliederausstellung 2018 des Kunsthauses ist eine grosse, bunte Wundertüte, aus der sich wohl am meisten im Dialog ziehen lässt. Die günstigste Gelegenheit bietet sich heute Abend um 17 Uhr an der Vernissage. Die Veranstaltung ist öffentlich, die Künstlerinnen und Künstler tischen nicht nur künstlerisch, sondern auch kulinarisch zum grossen Buffet auf. Kunst darf jeder Das Kunsthaus Zofingen öffnet sich den Mitgliedern und wird dafür mit lustbetonten Werken belohnt.

Öffnungszeiten: Donnerstag, 18 bis 21 Uhr, Samstag/Sonntag, 11 bis 17 Uhr. Die Ausstellung dauert bis zum 16. September. www.kunsthauszofingen.ch