Kunsthaus Zofingen: Die Freude des Künstlers am Elfmeter

Sich dem Chaos überlassen und es dadurch meistern: Luca Harlachers Selbsterfindungsprozess via «Artistic Therapy».
Sich dem Chaos überlassen und es dadurch meistern: Luca Harlachers Selbsterfindungsprozess via «Artistic Therapy».

Der kindliche Blick voller Unbestimmtheit verrät den Träumer. Zugleich mangelt es dem 26-jährigen Künstler Luca Harlacher, Preisträger der JKON (Junge Kunst Olten) keineswegs an Reflexion. Was er tut, tut er sehr bewusst. Zugleich setzt er sich dem, was aus seinem Tun entsteht, mit verschmitzter Neugier voll und ganz aus. Die Aussage zu seiner Wandskulptur Artistic Therapy ist programmatisch: «Ich hatte eine Zeit lang eine Phobie davor, dass meine Kunstwerke beschädigt werden könnten. Statt sie zu beschützen, habe ich das Gegenteil gemacht», erklärt er, «und sie als maximales Chaos inszeniert. Mit dem Ziel allerdings, dieses zu kontrollieren.» Was aus dieser Entgrenzung und der Rückeroberung der Kontrolle aus dem Chaos entsteht, sind Kunstwerke von grosser poetischer Kraft. Luca Harlachers Kunst verzaubert. Und sie hat etwas zu sagen zu unserer Konsumkultur. Tag und Nacht ist das noch bis zum 9. August in den Bogenfenstern des Kunsthauses Zofingen sichtbar.

Tiefgründiges Penalty-Painting

Der FC Wülflingen will Tore schiessen, kein Bild malen. Und dennoch haben die Spieler genau das getan. Einfach nicht mit Absicht. Luca Harlacher hat aus verschiedenstem Strandgut des Konsums und aus Abfallprodukten seiner Kunst farbenfrohunförmige Bälle geformt, die die Spieler mittels Penalty ins Tor versenkt haben. Die Performance der Fussballer ist als Videomitschnitt im Schaufenster zu sehen. Im Kunsthaus selber steht das Resultat respektive das mit zusätzlichen Auslagenetzen versehene Tor, in dem die bunten, oft plüschigen Bälle zum farbigen Penalty-Painting angeordnet sind. Luca Harlacher gelingt es mit diesem Werk einerseits die Grenzen zwischen Malerei, Performance und Skulptur aufzuweichen. Zum anderen stellt er in einem neuen Kontext kritische Zusammenhänge her zwischen Fussball und Konsum, Glück und Können, Intention und Zufall. Das als Kunstwerk inszenierte Fussballtor löst Kausalitäten auf und macht sie dadurch auf eine neue Art erst recht sichtbar. Es ist eine Form von Transformation, die in ihrer Vielbezüglichkeit eine schwebeartige Magie hat, die sich einfachen Erklärungsversuchen entzieht.

Setzkasten im Schmelztiegel

Aussagekräftig sind auch Luca Harlachers Werke zur Artistic Therapy, mixed-media-Installationen, oder auch sein Glowing Garden im Schaufenster ganz vorne. Die Leidenschaft des Sammlers im Zusammentragen der überbordenden Menge von Gegenständen aus seiner eigenen Biografie wird hier spürbar. Zugleich unterwirft sich der Künstler keinem gängigen Ordnungsprinzip, das wie eine übergeordnete Idee über der distinkten Anordnung von Einzelteilen steht. Er verschmilzt diese einzelnen Spielzeuge und Gebrauchsgegenstände vielmehr zu einem organischen Amalgam, in dem die Einzelteile noch erkennbar, aber untrennbar mit dem Ganzen verbunden sind. «Jedes neue Kunstwerk stellt die bestehenden Kunstwerke in Frage», sagt er einmal an der Vernissage. Während er innerhalb des Einzelkunstwerks mit dem klassischen Begriff der Sammlung bricht, wendet er ihn aber durchaus auf das Ensemble seiner Kunstwerke an. Gerade darin liegen der Reiz und die Magie des Sammelns. Wenn der Sammlung ein neues Objekt einverleibt wird, kommt nicht einfach bloss ein Gegenstand dazu, es verändert sich die ganze Idee der Sammlung.

Memento Mori des Konsums

Gleich im Anschluss an sein Penalty Painting sind drei Werke entstanden, die über dessen Setzkastenrahmen hinausdrängen und Harlachers Gedankenwelt aus dem Dreidimensionalen zurück ins Zweidimensionale überführen. «Hodgepodge-Land», «Micro-Circus» und «Enthusiastic Story» sind mit Malerei inszeniertes buntes Sammelsurium voller schadhafter Gegenstände und Figuren, die aussortiert worden sind, einem aber fröhlich und vital entgegenlachen. Obwohl ihm der Gebrauch sichtbar mitgespielt hat: Das Zeug ist wieder zurück im Spiel. Es gerinnt zu einem Memento-Mori unserer Konsumwelt. So fröhlich und ohne Zeigefinger Luca Harlachers Konsumkritik auch auftritt, so verfügt sie doch über gut gewetzte Messer und Spitzen.

Das Sommerfenster mit Werken von Luca Harlacher ist noch bis zum 9. August rund um die Uhr in den Schaufensterbögen des Kunsthauses Zofingen zu sehen. Die Folgeausstellung Neoscope startet am 24. August.