Lage-Check nach einem Monat Zertifikatspflicht: So erfinderisch sind die Fitnesscenter

Als das Fitlife in Lenzburg Anfang Oktober Konkurs anmeldete, nannte dessen Verwaltungsrat Edy Paul gegenüber Tele M1 die Lockdowns und die Einführung der Zertifikatspflicht als Gründe. Am Schluss habe aber die Ankündigung der kostenpflichtigen Tests dem Studio 30 Jahre nach seiner Eröffnung «das Genick gebrochen».

Im Verlauf des letzten Monats verzeichneten die Fitnessstudios im Schnitt etwa einen Drittel weniger Kundinnen und Kunden. Wie viele Menschen ihre Abos einfach auslaufen lassen und nicht verlängern werden, könne man noch nicht abschätzen. Jetzt im Oktober wäre in einem normalen Jahr die geschäftigste Zeit. «Uns fällt bereits zum zweiten Mal eine Hochsaison aus», so Acim Sinani, Inhaber des Swiss Training in Aarau.

Dank der Unterstützung des Bundes sei man bisher mit einem blauen Auge durchgekommen. «Nächstes Jahr sollte es aber schon langsam besser werden», sagt er. Dass die Schnelltests seit Anfang Woche (11. Oktober) kostenpflichtig sind, habe man dafür bisher kaum bemerkt. Der Grund: «Die Gäste, die sich diesen Monat für ein Zertifikat testen liessen, kann ich an einer Hand abzählen», sagt Sinani. Im Fitness Nord in Schöftland sind laut Geschäftsführer David Imesch nur etwa ein Dutzend Besucher mit einem Getestet-Zertifikat regelmässig ins Gym gekommen. Trotzdem sei die Situation für die Studios alles andere als rosig. Vor allem die ständige Änderung der Regeln koste jedes Mal Zeit und Geld. «Zurzeit gilt das 14. Schutzkonzept in zwei Jahren», so Roger Erni, Geschäftsführer der IG Fitness. Das sorge auch bei den Sportfans für Unmut.

Das Fitnesscenter wird zu den Kunden gebracht

In Aarau haben sich Sinani sowie seine Frau und Mitinhaberin des Swiss Trainings etwas einfallen lassen. Neben dem Cargo Service Center Aarau, in dem sich ihr Studio befindet, haben sie mit der Hilfe von Matt Lisowski ein Outdoor-Gym aufgebaut. Der Zürcher ist CEO von Tiger Fitness und hat ähnliche Projekte in Zürich, Luzern und Miami lanciert. Der Outdoorpark gleich neben den SBB-Gleisen sei aber nicht nur während der Zertifikatspflicht nützlich, erklärt Sinani: «Es gibt viele Leute, die man im Sommer nicht ins Gym bringt. Deshalb dachten wir, wir bringen das Studio hinaus.»

Die Outdoor-Anlage «Train Station» gleich bei den Gleisen am Aarauer Bahnhof.

Die Outdoor-Anlage «Train Station» gleich bei den Gleisen am Aarauer Bahnhof.

Valentin Hehli / AAR

Als die Zertifikatspflicht angekündigt wurde, hätten sie «eins und eins zusammengezählt» und bei der Umsetzung Gas gegeben. Von Projekten wie dem in Aarau ist IG-Fitness-Geschäftsführer Erni jedes Mal fasziniert: «Die Betriebe reichen sehr kreative Projekte ein, immer unter Einhaltung der geltenden Regeln.» Auch in Schöftland hat man sich angepasst: «Wir haben eine Laufgruppe gegründet und setzen viel auf Functional Fitness», erzählt David Imesch vom Fitness Nord. Das Team plane immer wieder neue Angebote, bei denen alle Gäste mitmachen können.

«Jemanden wegzuschicken, tut mir natürlich sehr weh»

Zudem bieten die meisten Fitnessstudios (meist kostenlose) Abostopps an. Trotzdem: «Wenn ich eine Kundin oder einen Kunden wegschicken muss, dann tut mir das natürlich weh», erzählt Sinani. In seinem Studio pflege man einen sehr familiären Umgang. «Einige unserer Gäste kenne ich seit 30 Jahren.» Die gute Beziehung mit den Kunden sei aber auch ein Grund, wieso er im letzten Monat nicht so viele Kündigungen erhalten habe. Eine Loyalität, die bei Fitnessketten fehlt.

Tatsächlich haben Ketten laut Roger Erni aktuell mehr Mühe: «Das Angebot anzupassen, ist wegen der vielen Standorte mit mehr Aufwand verbunden.» Seit fast zwei Wochen sind die Gym-Besucherzahlen Erni zu Folge bei Ketten und Studios tendenziell wieder steigend. Wie viele sich wirklich impfen lassen werden, um trainieren zu können, wisse man aber noch nicht. «Bis jetzt sind die Massen ausgeblieben», so Sinani. Bis dahin ist sein Outdoor-Gym eine Alternative – zumindest solange es noch nicht schneit.