
Lamas sind Psychologen auf vier Sohlen

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Während des Gesprächs mit Benjamin Suter legt sich Gino auf den Boden. «Das ist eher selten, dass er das macht», sagt Suter. Das Tier habe schon Vertrauen gefasst.
Quinn darf auf einen kurzen Rundgang mit nach draussen. Schnell wird klar, wie sensibel Lamas reagieren. Sobald der Mensch, der ein Lama an der Leine führt, sich ablenken lässt, fängt es an, im Kreis zu laufen. Ganz nach dem Motto: «Ich bin jetzt da, alles andere ist unwichtig.» Ganz automatisch entsteht ein spezieller Bezug und ein besonderer Moment zwischen Mensch und Tier. Der erste Versuch, Quinn über eine Wippe laufen zu lassen, klappt auf Anhieb. Auch der zweite Versuch gelingt. «Lamas sind sehr gelehrig und intelligent. Dabei kann man ihnen alles auf spielerische Art und Weise beibringen. Ohne Druck oder energisches Auftreten.»
Wer eine Trekkingtour mit den Lamas erleben möchte, darf sich auf besondere Erfahrungen freuen. Dies beginnt bereits damit, dass sich die Lamas ihren Begleiter aussuchen. Die einfühlsamen Vierbeiner reagieren auf Stimmungen und Emotionen. Auf diese Art wird eine erste Verbindung geschaffen. Mensch und Tier passen zusammen, wenn sie sich auf den Weg in die Natur machen.
Es war Liebe auf den ersten Blick
Dass Benjamin Suter die Liebe zu den Lamas entdeckte, hat er seinem Götti zu verdanken. «Er hat vor rund 25 Jahren seine Schafe verkauft und Alpakas angeschafft. Damals galten sie noch als Wildtiere und es war eine Bewilligung notwendig», erzählt der Hofbesitzer. «Damals habe ich meine Ferien dort verbracht. Nachdem ich einem Alpaka tief in die Augen geschaut habe, wusste ich – ich will später auch welche.» Viele Jahre vergingen, bis es tatsächlich so weit war. Der Auslöser für die Anschaffung von zwei Lamas war die Gesundheit. «Ich hatte massive Probleme mit dem Rücken. Aber ich liebe die Natur und gehe gern wandern. Also habe ich mich für Lamas entschieden. Sie können mehr tragen. Und gleichzeitig hatte ich treue Begleiter.»
Doch Lamas sind weit mehr als nur Lasttiere. Von Natur aus besitzen sie ein extremes Gespür für das Befinden ihrer Begleiter. Sie spüren Stimmungen und erkennen, wenn körperliche Einschränkungen bestehen. Lamas sind in der Lage, in Zeitlupentempo zu laufen. Somit sind sie prädestiniert, um beispielsweise Rollstuhlfahrer zu begleiten. Die therapeutische Wirkung der Tiere wurde innerhalb der eigenen Familie entdeckt. «Unser Sohn war ein Wirbelwind und konnte kaum stillsitzen. Wir stellten dann fest, dass er beim Umgang mit unseren Lamas völlig zur Ruhe kam. Er ist dann konzentriert und völlig eins mit dem Tier.» Aufgrund der positiven Erfahrungen beschloss der Familienvater, Aus- und Weiterbildungen im Bereich tiergestützte Förderung zu absolvieren. Seither hat er schon vielen Menschen und vor allem Kindern helfen können. Derzeit absolviert er eine Weiterbildung zum Natur- und Wildnispädagogen.
Unterstützung bei Blockaden und Ängsten
Gerade bei Kindern mit Lernschwäche und inneren Blockaden sind beachtliche Erfolge möglich. Beim Umgang mit einem Lama sei unter anderem die Atmung wichtig. «Wer die Luft anhält, egal aus welchem Grund, streut eine Unsicherheit und das Tier macht, was es will.» Atmet man aber richtig tief durch, legt sich das ziemlich schnell. Manchmal ist es wichtig, eine Art Disharmonie herzustellen, indem ein Lama ausgesucht wird, dass eigentlich nicht zu dem Menschen passt. Das fördere die Konzentration, sagt Suter. Lamas erkennen ausserdem an der menschlichen Körperhaltung, ob alles in Ordnung ist oder nicht. «Es kann passieren, dass der Vierbeiner stehen bleibt, bis der Mensch merkt, dass er sich wieder auf das Laufen und die Natur konzentrieren sollte.»
Was Benjamin Suter am meisten fasziniert, ist der Charakter seiner Gefährten. «Sie brechen gesellschaftliche Schichten. Sie akzeptieren jeden so, wie er ist. Ob im Anzug oder im Trainer. Lamas sind Partner auf Augenhöhe, die für Entspannung und Sicherheit sorgen.»