Landeskriche moniert «Formfehler»: Pfarrwahl muss wiederholt werden

Kurz nach der Wahl Ende November 2018: Der neue Pfarrer Rudolf Gebhard (links) und die neue Pfarrerin Christa Steinhauer mit Kirchenpflegepräsident Lucien Baumgaertner. HST
Kurz nach der Wahl Ende November 2018: Der neue Pfarrer Rudolf Gebhard (links) und die neue Pfarrerin Christa Steinhauer mit Kirchenpflegepräsident Lucien Baumgaertner. HST

Doppelt genäht hält besser, besagt ein Sprichwort. Dennoch hat die reformierte Kirchgemeinde Zofingen nicht damit gerechnet, dass sie ihre beiden neuen Pfarrer zwei Mal wählen muss. Christa Steinhauer (60 Prozent) und Rudolf Gebhard (80 Prozent) wurden mit 96:0 Stimmen im letzten November an der Kirchgemeindeversammlung gewählt. Die 33-Jährige ist in Dietlikon als Pfarrerin tätig. Der 53-Jährige ist seit elf Jahren Pfarrer in Kölliken. Die beiden sind die Nachfolger von Burkhard Kremer (70 Prozent) und Ruth Kremer-Bieri (60 Prozent), die seit 1998 als Pfarrerehepaar im Amt sind. Ende Juni verabschieden sich Kremers in den Ruhestand. Am 1. Juli sollen Christa Steinhauer und Rudolf Gebhard loslegen.

Identischer Fall nicht bekannt

In ihren Ämtern werden die beiden Neuen aber vom höchsten Organ, dem Kirchenrat der reformierten Landeskirche Aargau, nicht akzeptiert. «Weil die Wahl während der alten Amtsperiode stattfand, kann sie aus Sicht der Landeskirche für die neue Amtsperiode nicht gelten, deshalb verweigert der Kirchenrat die Bestätigung», erklärt Lucien Baumgaertner. Seit 2013 steht der Strengelbacher der reformierten Kirchgemeinde Zofingen als Präsident vor. Ein vergleichbarer Fall ist Baumgaertner, der auch Präsident der Synode ist, nicht bekannt. «Einen identischen Fall gab es meines Wissens nicht», sagt auch Beat Huwyler, Leiter der Gesamtkirchlichen Dienste der Reformierten Kirche Aargau und fährt fort: «Hingegen mussten Wahlen, auch Gesamterneuerungswahlen, abgesagt und neu angesetzt werden, weil es zu Fehlern gekommen war.»

Weil die Kirchenpflege Zofingen einen «korrekten Wahlprozess» anstrebte, hat sie sich gemäss Lucien Baumgaertner frühzeitig mit dem Gemeindeberatungsdienst der Landeskirche abgesprochen. Leider sei die Wahl vorgängig nie von der Landeskirche infrage gestellt worden, moniert der Kirchenpflegepräsident. «Aufgrund der entsprechenden Passagen in den Reglementen beurteilen wir seitens der Kirchenpflege die Situation nach wie vor differenziert», sagt Baumgaertner und unterstreicht: «Wir sind überrascht und können die Haltung des Kirchenrates nicht nachvollziehen.» Zu Gesprächen sei die Landeskirche leider nicht bereit gewesen.

Neben der Pfarrwahl von Christa Steinhauer und Rudolf Gebhard für die Amtsperiode 2019/2022 standen an der Kirchgemeindeversammlung vom 27. November 2018 noch weitere Punkte an. So eine Erhöhung der Stellenprozente von 495 auf 505 Prozent und die Aufhebung der Residenzpflicht für Pfarrer Samuel Dietiker, Strengelbach. Die 96 anwesenden Mitglieder sprachen sich bei der Pfarrerwahl einstimmig für die Neuen aus. Ebenfalls wurden die beiden anderen Anträge genehmigt.

Doch nun muss die Kirchgemeinde punkto Pfarrwahl zurück auf Feld 1. Am Sonntag, 28. April findet nach dem Gottesdienst eine ausserordentliche Kirchgemeindeversammlung in der Kirche in Vordemwald statt. Zur Kirchgemeinde Zofingen, die 6441 Mitglieder zählt, gehören Strengelbach und Vordemwald dazu. «Dann gibt es nochmals ein herzliches Willkomm samt Blumenstrauss für Christa Steinhauer und Rudolf Gebhard», betont Lucien Baumgaertner. Er zeigt sich erleichtert, dass die Neuen die Situation um ihre Wahl gelassen nehmen.

Dass einer der beiden bei der Wiederholung nicht gewählt wird, kann sich Baumgaertner nicht vorstellen: «Beide sind hervorragende Kandidaten, wurden einstimmig gewählt und die Wahlwiederholung ist hoffentlich nur eine formale Sache.» Faktisch können bis 24. März der Kirchenpflege Zofingen sogenannt freie Wahlvorschläge schriftlich eingereicht werden. Verlangt wird, dass der Wahlvorschlag von mindestens 20 Stimmberechtigten unterzeichnet ist und neben einer Zustimmungserklärung des Vorgeschlagenen auch einen Ausweis über seine Wahlfähigkeit beinhaltet.

Gegen Rekurs entschieden

Doch weshalb legt die Kirchenpflege nicht ein Veto ein? «Ein Rekurs gegen den Entscheid des Kirchenrats hätte nur einen langen Prozess zur Folge, was den Start unserer neuen Mitarbeitenden unnötig erschweren würde», erklärt Lucien Baumgaertner. Der Präsident der Kirchenpflege bedauert die Unannehmlichkeiten und die Mehrarbeit, die die Wiederholung der Pfarrwahl für die Mitglieder und die Verwaltung mit sich zieht. Wie hoch die Mehrkosten ausfallen, kann Baumgaertner noch nicht beziffern. Ob sich daran die Landeskirche beteiligt, dazu meint Beat Huwyler, Leiter der Gesamtkirchlichen Dienste der Reformierten Kirche Aargau: «Auch der Kirchenrat bedauert, dass durch den Formfehler Umtriebe für die Mitglieder der Kirchgemeinde und für die zu Wählenden entstehen.»