Lesekiosk: Thriller liest man auch im hohen Alter gern

Linda Schünhoff empfiehlt einer Bewohnerin den Roman «Die Spionin» von Paulo Coelho.
Linda Schünhoff empfiehlt einer Bewohnerin den Roman «Die Spionin» von Paulo Coelho.
Eine Bewohnerin nimmt die Bücherauslage in Augenschein, Rose-Marie Tschannen steht bereit.
Eine Bewohnerin nimmt die Bücherauslage in Augenschein, Rose-Marie Tschannen steht bereit.

Beladen mit vier Taschen voller Bücher, Zeitschriften und Hörbücher geht Linda Schünhoff, die Leiterin der Stadtbibliothek Zofingen, auf das rote Velo zu, das mitten zwischen den Bücherregalen steht. Vorsichtig manövriert sie das Gefährt aus der Bibliothek und macht sich auf den Weg ins Seniorenzentrum Brunnenhof. Dort soll an diesem Nachmittag der erste Lesekiosk stattfinden.

«Auch im Alter lesen die Leute noch gerne. Sie sind aber vielleicht irgendwann nicht mehr mobil genug, um die Bibliothek zu besuchen und die Bücher anschliessend nach Hause zu transportieren», sagt Schünhoff, während das Velo über das Kopfsteinpflaster rumpelt. Zufällig hörte sie von der Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern, die mit einem Auto voller Bücher Altersheime besucht. Da war ihr klar: Das will sie auch in Zofingen anbieten.

«Ein Auto kam für uns aber nicht infrage. Aber wir haben bereits ein Velo, das wir für kurze Strecken brauchen, etwa, wenn wir im Sommer die Badi beliefern müssen», sagt Schünhoff. Die Idee nahm dank des Velos weiter an Fahrt auf und als Rose-Marie Tschannen, eine freiwillige Mitarbeiterin der Stadtbibliothek, zusagte, das Projekt zu unterstützen, stand dem Lesekiosk nichts mehr im Weg. Auch das Seniorenzentrum Zofingen ist sofort von der Idee begeistert gewesen, sagt Schünhoff. So wurde ausgemacht, jeweils am letzten Donnerstag im Monat abwechselnd die Seniorenzentren Brunnenhof und Tanner mit dem mobilen Lesekiosk zu besuchen.

«Wir haben vorgängig einige Bewohner zu uns in die Stadtbibliothek eingeladen, um zu erfahren, was die Älteren gerne lesen würden», sagt Schünhoff. Aufgrund dieser Empfehlungen und ihren eigenen Erfahrungen hat sie das Sortiment für den ersten Lesekiosk zusammengestellt. «Ich habe darauf geachtet, nicht die dicksten Wälzer mitzunehmen. Und für die Leute, die nicht mehr gut sehen, sind Hörbücher sicher eine gute Alternative.»

Im Brunnenhof angekommen, wartet schon Rose-Marie Tschannen auf sie. Die rüstige 76-Jährige war sofort Feuer und Flamme für das Projekt. «Was ich als Pensionierte habe, ist viel Zeit. Die verschenke ich gerne für einen guten Zweck.» Gemeinsam beginnen die Frauen den im Eingangsbereich bereit gestellten Tisch herzurichten. Doch dieser alleine reicht nicht aus für das mitgebrachte Material und so stehen am Schluss drei Tische, die übersät sind mit Hörbüchern, Belletristik, Zeitschriften und Sachbüchern.

Schon vor dem offiziellen Beginn des Lesekiosks nähern sich die ersten Bewohner. Neugierig kurven sie mit ihren Rollatoren um die Tische und mustern die Auslage. Es geht nicht lange, und die erste Bewohnerin ist bereits fündig geworden: Ein Thriller soll es sein. Lesegewohnheiten ändern sich auch im Alter nicht.

Rose-Marie Tschannen berät unterdessen eine weitere Bewohnerin, die sich für ein englischsprachiges Buch interessiert. «Nächstes Mal müssen wir auch Bücher auf Französisch mitnehmen. Und Globi fehlt auch, hat es geheissen», sagt Schünhoff, während sie den Namen der Bewohnerin und den Titel des Buchs, das diese ausleihen möchte, in eine Liste einträgt.

Eine andere Bewohnerin, die befürchtet, das Buch nicht rechtzeitig fertig gelesen zu haben, kann Schünhoff beruhigen. «Kein Problem. Wir kommen nächsten Monat wieder und dann verlängern wir einfach die Ausleihfrist.» Mit einem zufriedenen Lächeln und dem Buch fein säuberlich auf dem Rollator drapiert, zieht sich die Bewohnerin in ihr Zimmer zurück. Zweifelsohne, um schon einmal die ersten Seiten durchzublättern.