Medizin, nicht Wellness

 

Chefredaktor Philippe Pfister über die Wichtigkeit von Gesundheitssystemen.

Gesundheit ist das Wichtigste. Und wenn sie bedroht ist, will man für sich nur das beste Medikament, die beste Therapie. Ganz ehrlich: Kann man das jemandem zum Vorwurf machen? Was das für die Zukunft bedeutet, haben Wirtschaftsprüfer des Beratungsunternehmens Ernst & Young in einer aktuellen Studie errechnet. Bis 2030 drohen die Gesundheitskosten nochmals um 60 Prozent auf 116 Milliarden Franken anzuschwellen. Pro Person und Monat könnten für die Grundversicherung 800 Franken fällig sein. Man kann das beklagen. Man kann Schuldige suchen . Dass beides kaum hilft, merkt man im Gespräch mit dem Zofinger Spital-CEO Christian Reize (siehe Interview im heutigen Zofinger Tagblatt).

Gesundheitsdienstleistungen können in der Schweiz «sehr frei bezogen werden», sagt er. Salopp gesagt: Wir Konsumenten betrachten sie zunehmend als Konsumgüter, die man wie ein Stück Pizza noch auf die Schnelle posten kann – das Gros der Kosten übernimmt ja die Krankenkasse. Wie kostbar diese Güter sind, scheint vielerorts vergessen gegangen zu sein. Spitalmanager wie Reize wundern sich schon mal, wie unbeschwert manche Leute in die Notfall-Station hineinspazieren.

Nichts führt an der Tatsache vorbei, dass wir mitbestimmen, wie heftig die Gesundheitskosten steigen. Dass wir eines der besten Gesundheitssysteme weltweit haben, basiert im Wesentlichen auf Solidarität. Und ohne Solidarität geht es auch künftig nicht: Sich um die Frage zu kümmern, wo Medizin aufhört und wo Wellness beginnt, ist Bürgerpflicht.

Das wurde mir erst richtig klar, als ich diese Woche das Hickhack um die US-Gesundheitsreform – bekannt unter dem Namen Obamacare – verfolgte. Donald Trump hat versprochen, Obamacare durch eine «viel bessere und billigere» Alternative zu ersetzen. Er machte vage Versprechen, sprach von Steuergutschriften für Leute, die eine Krankenversicherung abschliessen. Über die Details werden sich die Politiker in Washington wohl noch jahrelang streiten. Verglichen mit den USA leben wir gesundheitspolitisch im Paradies. Dass es so bleibt, haben nicht die Ärzte, nicht die Spitäler, nicht die Politiker in den Händen. Wir selbst haben es in den Händen.

Philippe Pfister weilt zurzeit in Berkeley, Kalifornien, wo er eine Weiterbildung absolviert.