
«Merci Heitere, geili Sieche!»
Sommerwetter und acht Bands boten einen rundum gelungenen Abschluss eines ausgelassenen Festivalwochenendes.
Mit rhythmischen Brass-Klängen startet der letzte Festival-Tag. Ab dem ersten Ton sorgt Traktorkestar für gute Stimmung. Das Publikum klatscht begeistert mit. Der Trompeten-Spieler Balthasar Streit ist es, der das Mikrophon in die Hand nimmt und alle begrüsst. «Wenn ich «slack slack» sage, dann sagt ihr «bumm bumm»», ruft er und probiert das gleich einmal aus. Nach gelungener Probe meint er: «Ich würde sagen, wir können fahren.» Als Highlight steht dann plötzlich Sänger Simon Jäggi von den Kummerbuben auf der Bühne. Der rassige Sound erhält eine Stimme. «Leider gibt es keine Fachstelle für Rock’n’Roll–Fragen», meint Jäggi. «Ich weiss nicht, ob es erlaubt ist, einen RammsteinSong als Brass Band zu performen und dann auch noch auf Berndeutsch.» Auf jeden Fall rockt «Mis Herz brönnt». Als letzter Song spielt die Band das Guggisberglied, wobei am Ende alle ohne musikalische Begleitung singen. Zur Freude des Publikums ist auch noch eine Zugabe drin.
Auf der Lindenbühne rappt Nemo sich im Anschluss die Seele aus dem Leib. Der 17-Jährige überzeugt mit seiner sympathischen Art. «Crazy, crazy, crazy», lautet Nemos Kommentar zum tobenden Publikum. Als dann die ersten Töne von «Himalaya» erklingen, geht das Publikum richtig ab. Nemo liefert eine schräge Tanzeinlage und erntet begeistertes Kreischen. Einen Tribut an Mani Matter mit «Zündhölzli» stellt die erste von drei Zugaben dar. Der Text sitzt auch beim Publikum. Als Nemo fragt: «Heit ehr Bock?», kreischt das Publikum wohl wissend, dass er seinen grössten Hit «Ke Bock» präsentieren wird. Mit Begeisterung lässt Nemo das Publikum mitsingen und schliesst sein Konzert mit einer La-Ola-Welle.
Nicht geplant war der Auftritt von Manillio, der kurzfristig die kranke Raye ersetzte. Mit «Hallo, ich bin im Fall nicht Raye, sondern Manillio» begrüsste er das Publikum, das am Anfang noch nicht besonders zahlreich anwesend war. Dies änderte sich aber nach den ersten Tönen vom sympathischen Berner Rapper schnell. Manillio: Das ist ganz einfach er und seine Stimme. Er zieht keine grosse Show ab, kommt mit Trainerhosen auf die Bühne und wirkt allgemein sehr nahbar. Er redet mit seinen Fans und diese geben ihm die verdiente Anerkennung. Deshalb findet Manillio zu Schluss auch: «Ich komme gerne wieder einmal!»
Glücklich ist, wer sein Set gleich mit einem Hit – bei Pegasus wars «Digital M world» – starten kann. Denn die Bieler können aus einem grossen Fundus an Überfliegern zurückgreifen, was sie in den 70 Minuten dann auch taten: «Rise up», «Streets of my Hometown», «Technology», «Man on Mars», «Skyline», «Last Night on earth» und «Take it all» – alles war da! Pegasus sind in der neuen Formation zum ersten Mal am Heitere Open Air – bekanntlich zog es Gitarrist Simon Spahr fort. Grosse Unterschiede sind nicht zu erkennen, Martin Deplazes erledigt seine Arbeit genauso präzise wie Spahr. Nur die quartett’sche Einheit, diese scheint etwas gelitten zu haben. Nicht geändert hat das sympathische Auftreten von Frontmann Noah Veraguth, der charmant, locker und natürlich durch das Set führte. Und er liess es sich auch nicht nehmen, mitsamt Gitarre und Mikrofon ein Bad in der Menge zu nehmen. Sein Ausspruch «Merci Heitere, geili Sieche» ist das Motto des Tages!
Die Sonne brannte, doch Marco Mengoni schaffte es leider bis zum Schluss nicht so richtig, sich in die Herzen zu singen. Das lag weder an der Musik und schon gar nicht an seiner tollen Stimme. Viel mehr an der fehlenden Vitalität des Italieners, der sichtlich und hörbar unter der Wärme litt. «Ich dachte, es sei kalt und habe ein Jackett angezogen», jammert Mengoni immer wieder. Immer wieder flüchtet er sich auch in den Schatten. Schade, der Funke wollte einfach nicht rüberspringen. Dabei hat der gefühlvolle Mann musikalisch so viel zu bieten. Dies bewies er auch. Dennoch vermochte er nicht die Scharen vor die Bühne zu ziehen.
Nach 2013 und 2015 ist heuer wieder ein Lo & Leduc-Jahr. Die Berner Stimmungskanonen sind gern gesehene Gäste. Trotz Gluthitze (zumindest im Vergleich zu den letzten Tagen) war der Platz vor der Lindenbühne voll mit fröhlichen Menschen. Nach einigen melodiösen Songs heisst es «U wosch du chli Freestyle, de frag doch dr Lo.» Das Publikum darf drei Wörter vorgeben, aus denen Lo einen Freestyle-Rap bastelt. Sie lauten «Bäregrabe», «Heitere» und «Wöschmaschine». Der fehlende Zusammenhang ist für Lo kein Problem. Natürlich darf auch die «teuflische Hymne» nicht fehlen: «Jung, verdammt» gerät zur grossen Party, bei der das Publikum vollen Körpereinsatz leistet.(RSW/STH/GUEZ/EGU/LEJ)
Reviews zu den restlichen Bands des Sonntags finden Sie auf dem regiolive-Heitere-Channel