
Mieter und Besitzer liessen Frist verstreichen – E. Flückiger AG räumt Hallen auf Strebel-Areal


Um 7.45 Uhr ist am Donnerstagmorgen auf und um das Strebel-Areal am Industrieweg 18 in Rothrist noch nicht viel los. Ein roter LKW mit albanischen Kennzeichen wartet mit laufendem Motor darauf, mit Autos beladen zu werden. In einer der von aussen einsehbaren Hallen geht eine Person immer wieder ein und aus. Hin und wieder schlendern Mitarbeiter der umliegenden Firmen gemächlich mit der Morgensonne im Rücken ihrem Arbeitsplatz entgegen. Regelmässig donnern schwere Güterzüge mit einem ohrenbetäubenden Lärm auf den Geleisen vorbei und übertönen so das gleichmässige Brummen des Lastwagenmotors. Kurz vor 8 Uhr fahren auf einmal mehrere Polizeiautos vor. Da die Reconsa AG und deren Mieter die Frist, die nicht zonenkonform genutzten Hallen 2, 5, 6, 7, 8, 16, 21 und 22 am Industrieweg 18 in Rothrist zu räumen, verstreichen liessen, soll dies nun eine externe Firma übernehmen.
Zuvor sichern die eben angerückten Polizisten erst einmal das Gelände. Vertreter der Gemeinde Rothrist warten vor einem Eingangstor auf diesen Einsatz. Immer wieder fahren Privatwagen auf das Gelände, deren Insassen von der Polizei kurz identifiziert werden. In den Autos sind unter anderem der in der Region wohnhafte Verwalter der Reconsa AG sowie Personen aus dem Mieterumfeld. Plötzlich hält ein silberner PKW dicht neben Gemeinderat Hans Rudolf Sägesser, der an diesem Morgen die Gemeinde zusammen mit Bauverwalter Walter Gloor vertritt und auf die Freigabe der Polizei warten muss. Der Fahrer lässt die Scheibe herunter und ruft: «So, räumt ihr hier endlich mal auf?». Dann winkt er und fährt davon.
Teile des Areals werden seit Schliessung des Strebel-Werks illegal genutzt
Die Reaktion zeigt: Vielen ist die aktuelle Nutzung des Strebel-Areals ein Dorn im Auge. «Tummelplatz für Umweltsünder», «Bankräuberversteck», «Grümschelerparadies» oder schlicht «Schandfleck von Rothrist» – die Liste mit potentiellen und tatsächlichen Spitznamen liesse sich problemlos erweitern.
Wie Hans Rudolf Sägesser erklärt, stört sich die Gemeinde an der teils illegalen Nutzung des Areals seit dem Ende des Strebel-Werks. Beim Rundgang, nachdem die Polizei das Areal gesichert und die ersten Hallen geöffnet hat, zeigt sich, was genau Illegales in den Hallen geschieht: In einem Keller werden hunderte von Reifen – wohl irgendwann für den Export bestimmt – gelagert. 200 wären laut einem der Polizisten erlaubt. Zwischen den deckenhoch gelagerten Reifen führen enge Gänge zu weiteren Räumen, die ebenfalls mit Reifen gefüllt sind. Bereits im Eingangsbereich des Kellers dürften weit mehr als die erlaubten 200 liegen. Hans Rudolf Sägesser erzählt, wie hier bei einer Begehung von vor zwei Jahren bei weitem noch nicht so viele Reifen herumlagen, dafür aber Autos in den Räumen standen.
Eine der weiteren Hallen lässt sich weder mit Schraubenziehern noch mit dem fast ein Meter langen Bolzenschneider öffnen. Schliesslich muss das Schlüsselloch aufgebohrt werden. Hinter dem Tor verbirgt sich – wie bei vielen anderen der Hallen auch – eine Autowerkstatt. Auf einem Autolift in der Mitte des Raums ist das Fahrgestell eines alten Bührer-Traktors fixiert und einige Zentimeter in die Luft angehoben. «Hobbygaragen sind auf dem Areal nicht vorgesehen und entsprechen nicht einer zonenkonformen Nutzung der Hallen», erklärt Gemeinderat Sägesser. An der Tür steht der Name einer Firma, welche die Garage betreiben soll. «Viele der hier Eingemieteten haben für ihre Hobby-Garage eine Einzelfirma gegründet, damit es wohl nicht mehr nach einer Hobby-Garage aussieht.» Dabei arbeite beispielsweise der Mieter der Halle mit dem Traktor darin in einem Vollzeitpensum bei einem Rothrister Betrieb.
Nicht alle Mieter der Reconsa AG betreiben illegale Geschäfte
Nachdem sämtliche Hallen begutachtet worden sind, kann die E. Flückiger AG die entsprechenden Hallen räumen. Von einer Räumung sind nicht alle Mieter der Reconsa AG auf dem Areal betroffen, wie Sägesser erklärt. Einige davon seien korrekt angemeldet und operieren im legalen Bereich. Auch soll die Reconsa AG nicht an einer Weitervermietung der Hallen gehindert werden. «Einfach eine zonenkonforme Nutzung muss gegeben sein», so Sägesser.
Demnächst soll auch die Brandruine selbst geräumt werden. Das Geld dazu – 540000 Franken – hat die Gemeinde vorgeschossen, ebenso wie die 25000 Franken für die Räumung der Hallen am Donnerstag. «Die Räumung der Brandruine dürfte sich als kompliziert erweisen», sagt Hans Rudolf Sägesser. Vermutlich sei das Areal mit Asbest belastet, unter den Trümmern dürften seit dem Brand Batterien und weitere umweltunverträgliche Stoffe liegen. «Als es im Sommer 2018 heftig geregnet hat, floss zusammen mit dem Regenwasser Öl aus der Brandruine. Höchste Zeit, dass es auch hier vorwärtsgeht.»