
Mit diesem Roaming-Trick kassieren Schweizer Telekomfirmen 120 Millionen

Roaming-Gebühren? Ein alter Zopf, sagen die drei grossen Schweizer Mobilfunkfirmen: «Heute gibts Datenpakete für den Preis einer Tasse Kaffee», frohlockt die Sunrise-Pressestelle auf Anfrage. Die Swisscom zeigt sich überzeugt, dass Roaming für viele Kunden «heute kein Thema mehr» sei. Und Salt stellt fest: «Der Wettbewerb spielt sehr gut, und die Preise wurden und werden immer günstiger.»
Tatsächlich nehmen die Schweizer Telekomanbieter heute weniger Geld ein, wenn ihre Kunden im Ausland telefonieren, im Internet surfen oder SMS verschicken (siehe Grafik). Das hängt mit dem politischen Druck der letzten Jahre zusammen, der die Anbieter zum Senken der Roaming-Tarife zwang. Aber auch damit, dass die Firmen die immer beliebter werdenden Bündel-Abos mit inbegriffenen Ausland-Datenpaketen nicht mit den Roaming-Einnahmen verbuchen.
Im Fahrwasser der Europapolitik
Unter dem Strich verdienten die Telekomanbieter 2016 immer noch über eine halbe Milliarde Franken mit Roaming im engeren Sinn. Sie wehren sich vehement dagegen, dass diese Einnahmequelle nun versiegen soll. Im Ausland ist dies bereits Realität. Die EU hat diesen Sommer Nägel mit Köpfen gemacht und das Roaming verboten.
Heute in einer Woche diskutiert die Fernmeldekommission des Nationalrates über eine parlamentarische Initiative der Baselbieter CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter, welche das gleiche Ziel verfolgt: Der Bundesrat soll die maximale Marge beschränken können, die etwa die Swisscom ihren Kunden bei der Benutzung eines ausländischen Netzes in Rechnung stellt. «Nachdem die EU konsequent war und die Roaming-Gebühren abgeschafft hat, sollten wir versuchen, das gleiche Level zu erreichen», sagt Schneider-Schneiter. Klingt simpel, ist aber in der politischen Umsetzung kompliziert.
In ihrem Vorstoss verlangt Schneider-Schneiter nämlich auch, dass sich die schweizerischen und die europäischen Anbieter gegenseitig nur die effektiven Kosten verrechnen sollen. Genau hier liegt der Haken. Der Bundesrat kann den Mobilfunkanbietern aus dem EU-Raum nicht vorschreiben, wie viel diese von den Schweizer Kollegen für die Benutzung ihrer Netze verlangen. Dazu bräuchte es ein neues bilaterales Abkommen zwischen Bern und Brüssel.
Einen solchen Roaming-Vertrag will die EU nur eingehen, wenn die Schweiz ihrerseits bereit ist, einen institutionellen Rahmenvertrag abzuschliessen. Und dieser ist aufgrund des Widerstands von Christoph Blochers SVP höchst umstritten. Die Schweizer Handykunden geraten damit unfreiwillig ins Fahrwasser der Europapolitik. So unterstützt die Zürcher SVP-Nationalrätin Natalie Rickli Ratskollegin Schneider-Schneiter zwar in ihrem Bestreben, die Roaming-Kosten für die Konsumenten zu senken. Aber: «Ein Ver- trag mit der EU in diesem Bereich ist unrealistisch.»
Der Bundesrat möchte es zumindest versuchen und sich im neuen Fernmeldegesetz die Kompetenz geben lassen, internationale Vereinbarungen – etwa mit der EU – zur Eindämmung der Roaming-Tarife einzugehen. Ziel ist es, die Preise zu beschränken, welche sich die europäischen und Schweizer Anbieter gegenseitig verrechnen. Swisscom, Salt und Sunrise würden in der Folge verpflichtet, die tieferen Preise an die Konsumenten weiterzugeben.
Aufrunden wird verboten
Gleichzeitig versucht die Landesregierung, mit punktuellen Massnahmen den Druck auf die Roaming-Tarife zu vergrössern. So will sie den Telekomfirmen vorschreiben, Ausland-Telefonate in Zukunft sekundengenau abzurechnen. Derzeit runden die Anbieter jeweils auf die nächste volle Minute auf. Das kostete die Konsumenten alleine im Jahr 2015 zusätzliche 120 Millionen Franken. Den gleichen Trick verwenden die Firmen bei der Abrechnung des Datenverbrauchs.
Kunden sollen nach dem Willen des Bundesrates auch die Möglichkeit erhalten, im Ausland Roaming-Dienstleistungen von lokalen Drittanbietern in Anspruch zu nehmen. Das soll den Wettbewerb beleben. Gleichzeitig will er die Anbieter verpflichten können, vermehrt Abos mit inbegriffenen Datenpaketen zu verkraftbaren Preisen anzubieten.
Insbesondere die staatlich kontrollierte Swisscom wehrt sich gegen die Offensive: «Eine Regulierung der Roamingpreise erachten wir als unnötig.» Bereits in seiner Vernehmlassungsstellungnahme warnte der Konzern: «Auch wenn der Anteil des Roamings am Gesamtumsatz bescheiden ist, trägt es einen beachtlichen Anteil an den Unternehmensgewinn bei.» Das Roaming soll bleiben, und das um jeden Preis.
von Lorenz Honegger — Nordwestschweiz