
Mit «Pfaff»-Bier und offenem Ohr auf Tour
Bei einem kühlen «Pfaff»-Bier über Gott und die Welt plaudern – das ist die Idee der mobilen Velo-Bar «Unfassbar» und deren Initianten Bernhard Jungen und Tobias Rentsch. Die beiden reformierten Pfarrer treten seit heute Montag kräftig in die Pedale, denn sie sind für zwei Wochen als Klimabotschafter der Challenge «Join the Journey» des Ökozentrums Langenbruck unterwegs. Auf dem Weg von Bern nach Basel legen sie morgen Dienstag einen Halt in Zofingen ein. Ab 16 Uhr schenken sie vor dem Restaurant Rathaus Interessierten ihr Gehör und Bier aus.
Botschafter in doppelter Mission
«Wir sind dort, wo das Leben stattfindet. Statt Bibelversen gibt es bei uns Bier und Begegnungen», erklärt Bernhard Jungen. Der 61-Jährige aus Worblaufen ist mit seinem Pfarrkollegen Tobias Rentsch (35) an Festivals, Märkten, Strassenfesten und nun auch als Klimabotschafter in verschiedenen Ortschaften anzutreffen. «Es geht darum aufzuzeigen, dass Reisen umweltschonend und CO2-neutral möglich ist», erklärt Bernhard Jungen und fährt fort: «Als Botschafter sind wir ohnehin unterwegs und dies erst noch umweltverträglich. Deshalb passt diese Challenge zu uns.»
Acht Teams sind als Klimabotschafter in den nächsten zwei Wochen in der Schweiz und in Europa unterwegs und messen sich. Am Schluss geht es darum, welches der Teams am wenigsten CO2-Emissionen pro Kilometer seiner Reise verursacht hat. Die zweite Aufgabe der Mobilitäts-Botschafter ist, sich mit Leuten zu unterhalten und diese für nachhaltiges Reisen zu begeistern. Zudem gilt es das Unterwegssein in einem Blog zu dokumentieren. «Wir gehören zu den Ältesten, dürfen aber trotzdem mitmachen, der Begriff ‹junggebliebene Erwachsene› ist ja dehnbar», meint Bernhard Jungen lachend. Heute starten die beiden in Bern mit dem Ziel Langenthal, wo sie ab 16 Uhr auf dem Wuhrplatz sind. Morgen steht Zofingen auf der Reiseroute und die Wahl des Ortes hat einen triftigen Grund. Bernhard Jungen trifft in der Thutstadt seinen Rettungsengel.
Glück im Unglück
Sechs Wochen ist es her, dass der 61-Jährige einen Selbstunfall mit dem EBike seiner Frau hatte. Schuld war ein Defekt am Sattel. Jungen blieb in Worb in einem Kreisel verletzt liegen. Eine Frau half ihm, brachte das Velo in Sicherheit und den Verletzten ins Spital. Bernhard Jungen, der sich eine Rippe und den Ellenbogen gebrochen hatte, wusste den Namen der Frau, doch er konnte sie nicht kontaktieren, weil er keinen Telefonbucheintrag fand. Er rief die Redaktion des Zofinger Tagblatts an – und auf den Artikel hin hat sich die Unfallhelferin bei ihm gemeldet (wir berichteten). «Dass ich meinen rettenden Engel gefunden habe, ist unfassbar», sagt er und betont: «Es ist nicht selbstverständlich, dass jemand alles auf den Kopf stellt, um einem anderen zu helfen.» Diese gelebte Mitmenschlichkeit habe ihn berührt, aber vor allem bestärkt.
Unfassbare Lebensgeschichten
«Es gibt so viele unfassbare Geschichten im Leben und deshalb passt der Name ‹Unfassbar› perfekt zu unserer Velo-Bar.» Die Idee zum mobilen Pfarramt mit Bierausschank hatte Jungen. Nach 30 Jahren als Seelsorger in der reformierten Kirchgemeinde Ittigen bei Bern ging er vor zwei Jahren in Frühpension. «Zeit für spontane Gespräche fehlte, die Büroarbeit ermüdete mich und für mich war klar, dass die Kirche näher zu den Leuten sollte», erklärt Bernhard Jungen, der sich selber einen «Beziehungsjunkie» nennt.
Am Zapfhahn zu stehen und Gespräche zu führen, erfüllt ihn und Tobias Rentsch. Im letzten Jahr haben sich die beiden gefunden und haben mit der Hilfe von Freunden ein halbes Jahr an der Velo-Bar gebaut. Das Gefährt ist ein dreirädriges Velo mit Elektromotor und einem 18-Liter-Tank für den Gerstensaft. Da sie das Gespräch suchen, schenken sie nicht kostenlos aus, sondern verkaufen einen Drei-Deziliter-Becher für fünf Franken. «Alkoholfreie Getränke haben wir selbstverständlich auch dabei», sagt Jungen. Finanziert wird die als Verein organisierte «Unfassbar» von Einzelspenden und Kirchgemeinden.
«Der Ellenbogen und die Rippe schmerzen schon noch etwas, aber ich bin zuversichtlich, dass es mit der Tour bis zum Schluss klappt», sagt Bernhard Jungen. Ihr Ziel ist Basel, das sie über Brugg und Koblenz diesen Samstag erreichen. Den Heimweg nach Bern haben sie noch nicht verplant. «Wohin uns die Reise führt, sehen wir. Bislang hat sich die Route auch auf wundervolle Weise entwickelt.»
Velo-Bar morgen Dienstag, 24. Juli, ab 16 Uhr vor dem Restaurant Rathaus in Zofingen. Unter www.die-unfassbar.ch mehr Infos zur «Unfassbar» und Reiseroute.