
Modellflug-Jet-Pilot Andreas Schär will hoch hinaus
Der 23-jährige Andreas Schär steckt mitten in den Vorbereitungen zur Modellflug-Jet-WM in Finnland.
Der Turbinen-Jet riecht und klingt wie echt, das fasziniert mich ungemein», sagt Andreas Schär, bevor er zu Hause in Rothrist die beinahe senkrechte Treppe in den Dachstock hochklettert. Was einen im Estrich erwartet, gleicht mehr einem Hangar und einer Werkstatt als einem Stauraum für nicht mehr gebrauchte Gegenstände. Mehrere Modellflieger hängen an Fäden in der Luft, ein meterlanger Turbinen-Jet befindet sich zerlegt auf einer Werkbank. «Das Modellfliegen ist mir in die Wiege gelegt worden, mein Vater ist auch Modellflugpilot», sagt der 23-Jährige mit einem Strahlen in den Augen. Seit seinem achten Lebensjahr lässt er die verschiedensten Flugzeugtypen in den Himmel steigen, besitzt inzwischen zwei eigene Turbinen-Jets und vier Elektroflugmodelle.
Das Ergebnis toppen
Seinem Hobby frönt Andreas Schär mit Erfolg: Aktuell ist er Schweizer Meister in der Kategorie Jet Scale. Mit diesem Titel hat er sich für die Modellflug-Jet-Weltmeisterschaft qualifiziert, welche vom 13. bis 19. August in Jämijärvi in Finnland stattfindet. Er ist einer von sieben Schweizer Piloten. «Mit der Nationalmannschaft zu starten, bedeutet mir sehr viel», sagt der Rothrister. Zwar sei er primär Einzelstarter, ähnlich wie beim Skifahren gebe es aber auch eine Nationenwertung, auf die er sich besonders freue. Bereits vor zwei Jahren durfte er in Deutschland – erstmals als Pilot – an einer WM an den Start. Das Debüt sei geglückt. Mit der Mannschaft erreichte er den dritten Rang, als Einzelstarter den neunten. «Dieses Resultat möchte ich toppen. Aber weil ich aktuell nicht oft zum Trainieren komme, bin ich zufrieden, wenn das Resultat ähnlich ausfällt», sagt Schär, der sich im Endspurt seiner Weiterbildung zum Holztechniker befindet. Sein ursprünglicher Beruf als Schreiner helfe ihm auch beim Bauen der Modellflieger. So hat er sein Wettkampfmodell – den Turbinen-Jet, welcher 3 Meter lang ist, eine Spannweite von 2,4 Metern aufweist und ein Abfluggewicht von 24 Kilogramm auf die Waage bringt – mittels Bausatz selber zusammengesetzt. Diese Bauteile hätten ihm als Basis gedient, viele Finessen habe er selber von Hand ausgearbeitet. «Insgesamt sprechen wir von etwa 2000 Stunden Arbeit», sagt Andreas Schär und öffnet die Haube des blauen Turbinen-Jets, welcher auf der Werkbank liegt. Der im Cockpit sitzende Pilot ist ein Abbild von ihm, welches er mittels 3D-Drucker hat anfertigen lassen.
Preis eines Kleinwagens
Zerlegt ist das Modell bereit für den Transport. «Einen 3 Meter langen Rumpf mit Flügeln bringt man kaum in ein Auto», sagt Schär und lacht. Nicht nur zu Trainings, die auf «richtigen» Flugplätzen stattfinden, fährt er mit dem Auto, sondern auch zur Weltmeisterschaft nach Finnland. «Ich habe einen Lieferwagen gemietet und fahre mit einem Mannschaftskollegen in den Norden.» Es wäre auch möglich, die Modellflieger mit dem Flugzeug zu transportieren. Doch: «Die Gefahr ist zu gross, dass beim Lufttransport etwas zerstört wird.»
Selber für Sicherheit zu sorgen, lohne sich bei Modellen, deren finanzieller Wert einem Kleinwagen entspreche und die einen noch viel höheren ideellen Wert aufweisen. «Man ist zudem vorsichtig mit den Fliegern, weil extrem viel Arbeit dahintersteckt. Es ist schnell etwas defekt, Reparaturen beanspruchen viel Zeit.» Im Herbst 2015 habe er etwa bei einer Landung eine Pistenmarkierung mit dem rechten Flügel erwischt. Ein kleiner Fehler mit fatalen Folgen. Bis vergangenen August habe er den zerstörten Flügel repariert. «Mit einem einzigen Trainingsflug habe ich dann an der Schweizer Meisterschaft teilgenommen. Dass ich gleich gewonnen habe, ist schon verrückt.» Für ihn ist klar: «Ein gewisses Talent ist bei mir sicher vorhanden und, dass ich in meinem Leben schon so oft geflogen bin, ist mir zugutegekommen».
Dementsprechend zuversichtlich schaut er der WM entgegen. «Ich habe das Gefühl, dass ich von Flug zu Flug besser werde, deshalb gehe ich gelassen an den Start.» Den Turbinen-Jet, ein tschechischer Schulungsflieger mit Baujahr 1960, gilt es dort vorbildgetreu zu präsentieren. Vorgegebene Figuren müssen möglichst so geflogen werden, wie es der Originalflieger tun würde. «Wenn man ein altes Modell fliegt, muss man darauf achten, möglichst grossräumig und dynamisch zu fliegen.» Dies könne man kaum erlernen, das habe man im Gefühl, so Schär, der gerne einmal Weltmeister werden möchte.
Angst vor Flugverbot
Um die Routine zu halten, sind Trainings unerlässlich. Wenn Andreas Schär nicht mitten in den Prüfungen steckt, fliegt er einmal pro Woche auf dem Modellflugplatz in Rothrist mit seinen Elektromodellfliegern. Um Turbinen-Jets sicher zu fliegen, sei der Platz dort zu klein, betont Schär, welcher der 30-köpfigen Modellfluggruppe Rothrist angehört und sich im Vorstand engagiert. Sorgen bereitet ihm nicht nur der fehlende Nachwuchs, sondern auch andere Flugobjekte.
«Drohnen und Multikopter machen uns das Leben schwer.» Wenn er einen Modellflieger lenke, dann wisse er, was er mache, was dahinterstecke, was er tun dürfe und wo das Fliegen erlaubt sei. Aber: «Wenn jemand ohne Kenntnis einfach eine Drohne kauft, führt das zu Problemen. Diese Geräte lassen sich leicht lenken, aber die Leute kennen meist weder Technik noch Richtlinien. Wir müssen daher aufpassen, dass nicht ein generelles Flugverbot erlassen wird», sagt Schär, der am liebsten mit einem Elektroimpeller-Jet fliegt, welchen die Schweizer Luftwaffe vor ein paar Jahren geflogen hat. «Der Turbinen-Jet, den ich an der WM fliege, hat für mich aber auch einen hohen Stellenwert», sagt Schär, macht die Haube des blauen Jets zu und steigt die Treppe herunter.