Musik sagt mehr als tausend Worte

Das Programm trug den Titel «Lamentationes», abgeleitet von «lamentare» (klagen, weinen). Es enthielt wenig bekannte Werke aus der Renaissance und dem Barock, die biblische Texte über das Wehklagen in die Sprache der Musik umsetzen. «Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist», lautet ein Zitat von Victor Hugo. Ein Mitglied des Vokalensembles erklärte, das Konzert sei als Einführung in die 40 Tage vor Ostern gedacht, die Fastenzeit genannt, die Zeit der Besinnung auf die Vergänglichkeit des Irdischen.

Das Konzert begann mit der Klage des Propheten Jeremias «Wie liegt die Stadt so wüst, die voll des Volkes war» für A-capella-Chor von Thomas Tallis (1505–1585). Sogleich fielen die absolute Reinheit in der Tonbildung, die dichte Vernetzung zwischen den Frauen- und Männerstimmen und die dynamischen Feinheiten beim Betonen von Trauer und Leid auf. In «When David heard» beschreibt Thomas Tomkins (1572–1656) König Davids Leid, als ihn die Nachricht vom Tod des Sohnes Absalom erreichte. Hier waren es vor allem die Sopranstimmen, die den Schmerz besonders begreiflich ausdrückten. Giacomo Carrissimi (1605–1674) vertonte in «Historia di Jephte» das Drama eines israelischen Stammesfürsten, der seine Tochter für den Sieg über Ammoniter opferte. Die Rolle der Tochter übernahm kurzfristig die bestens ausgewiesene Monika Mauch (Sopran) anstelle der erkrankten Barbara Zinniker. Begleitet von Ursula BaumannHuber (Barockcello), Csaba Dimén (Violone), Vinìcius Perez (Laute) und Hans Jürg Bättig (Orgel) versah die Solostimme den Schmerz der Tochter mit einem erschütternden Klangbild, wofür vor allem das überaus feine und ausdrucksstarke Vibrato sorgte. Begleitet von der Laute, überzeugte danach Monika Mauch nochmals mit «Pianto (Tränen) della Madonna» von Claudio Monteverdi (1567–1643), abermals mit allen Nuancen einer ausdrucksvollen Interpretation ausgestattet.

Soli runden Lamentationen ab
Nun zog Hans Jürg Bättig die grosse Orgel in das Wehklagen mit ein, und zwar mit der «Fantasia chromatica» von J. P. Sweelinck (1562–1621). Unverkennbar verkündeten die in immer anderen Varianten abfallenden Halbtöne eine traurige Stimmung, manchmal aufgeheitert mit virtuosen Figuren. Ein absteigendes Hauptmotiv betonte Vinìcius Perez auch im «Präludium für Laute» von John Dowland (1563–1621). In «Flow my tears» (Fliesst meine Tränen) vereinigten sich Sopran und Laute zu einer berührenden Wiedergabe. Danach gaben Chor, Sopran und Instrumente Einblick in eine Oper von Henry Purcell (1659–1695), worin Dido den Verlust von Aeneas beklagt. Das begann mit einem feierlichen Auftakt des Chores, setzte sich fort mit einer klagenden Arie des Soprans, der Chor antwortete mit fallenden Sequenzen: ein sehr eindrücklicher und vielsagender Auftritt.

Die Cellistin Ursula Baumann-Huber stellte sich mit «Sarabande» und «Allemande» aus der 5. Cellosuite von Johann Sebastian Bach (1685–1750) vor. Charakteristisch für die «Sarabande» sind wiederum die melancholisch fallenden Tonfolgen, während die «Allemande» Virtuosität verlangt. Den krönenden Abschluss des Konzertes bildete ein Ausschnitt aus der Bachkantate «Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen, Angst und Not sind der Christen Tränenbrot». Darin bewahrheitet sich, dass die Musik das ausdrückt, was nicht gesagt werden kann.