
Myriam Baltisberger und Irène Siegrist: Wir sind an der Front
Myriam Baltisberger
und Irène Siegrist sind diplomierte Pflegefachfrauen HF und arbeiten seit 26 Jahren in der Spitex Strengelbach-Vordemwald-Brittnau. Seit drei Jahren leiten sie diese gemeinsam.
Weshalb soll die effiziente und erfolgreiche Organisation der Spitex Strengelbach-Vordemwald-Brittnau nun in eine regionale Spitex überführt werden?» Unsere Antwort: «Unsere Spitex ist zwar überblickbar und kostengünstig. Um aber auch in Zukunft unseren Pflegeauftrag so zu erfüllen, wie es unsere Kunden von uns erwarten und wie der Gesetzgeber es verlangt, ist unsere Spitex zu klein!»
Als wir beide vor über 25 Jahren von der stationären Pflege im Spital in die Spitex wechselten, wurden wir belächelt: «Spitex ist doch langweilig. Ab und zu einen Verband wechseln, Blutdruckmessen und bestimmen und Insulin spritzen. Die Pflegearbeit im Spital ist doch viel anspruchsvoller!» Heute würde das niemand mehr sagen. Die Aufenthaltsdauer in den Spitälern wird immer kürzer. Früher wurden Patienten im Spital gepflegt, bis sie sich nach einem Eingriff erholt hatten. Heute übernehmen wir in der Spitex diese Pflege zu Hause. Das stellt hohe fachliche Anforderungen an unser Personal. Gab es früher noch einige Tage Vorlaufzeit, so müssen wir heute in einigen Stunden einsatzbereit sein. Das verlangt eine hohe Flexibilität.
Und wie wir es gewohnt sind, dass uns der Hausarzt je nach Krankheit zum Spezialarzt überweist, so kommen auch wir in der Spitex um eine Spezialisierung nicht herum. Dies wird auch vom Kanton verlangt. Mitarbeitende, die sich auf einem bestimmten Gebiet, zum Beispiel der Wund- oder der Psychiatriepflege, zusätzlich ausgebildet haben, sind in einer kleinen Spitexorganisation wie der unsern nicht voll ausgelastet. So müssen sie auch in der Alltagspflege eingesetzt werden. Dafür haben sie sich aber nicht zusätzlich qualifiziert. Also müssten wir Spezialisten von auswärtigen grösseren Spitexorganisationen zuziehen. Das ist aber administrativ aufwendig und vor allem teuer. Eine regionalisierte Spitex wird sich diese spezialisierten Pflegefachleute aber leisten können. Sie könnten in der ganzen Region eingesetzt werden und wären dadurch ausgelastet.
Immer öfters wird von der Spitex ein 24-Stunden-Service verlangt. Auch dieses Bedürfnis können wir uns in unserer kleinen Spitex finanziell und personell nicht erfüllen. Eine Spitex von der Grösse, wie sie in unserer Region geplant ist, hat die Möglichkeit, Mitarbeitende zu beschäftigen, die jederzeit auch ausserhalb der üblichen Arbeitszeiten für die Patienten in der Gesamtregion da sind.
Nebst der üblichen Büroarbeiten ist der zusätzliche administrative Aufwand für die Spitex in der letzten Zeit massiv gewachsen. Diese Schreibarbeit haben nicht wir gesucht, unser Beruf ist die Pflege. Dieser Aufwand wird uns aufgezwungen von den Institutionen wie den Krankenkassen oder dem Kanton, der die Qualität unserer Arbeit beaufsichtigt. Ist es effizient, wenn jede kleine Spitexorganisation diesen Aufwand für sich alleine leistet? Nein. Es ist effizienter, wenn der administrative Aufwand durch eine Fachperson für alle erledigt wird. Genau das ist in der fusionierten Spitex vorgesehen. Wir haben dann wieder mehr Zeit für die Pflege.
Neu muss die Spitex auch Lernende ausbilden. Das unterstützen wir, denn es ist wichtig, dass der Nachwuchs in der Pflege gewährleistet ist. Wer keine oder zu wenig Ausbildungsplätze anbieten kann, muss einen happigen «Strafbetrag» zahlen. Unsere kleine Spitex kann die verlangten Ausbildungsplätze nicht anbieten. Das wäre in einer zusammengeführten Spitex anders. Eine Spitex mit mehreren Stützpunkten ist für Lernende attraktiv. Aber auch wir müssen uns stetig weiterbilden. Es ist unsere Pflicht. Interne und externe Angebote mit Fachreferenten, der Austausch mit unseren spezialisierten Arbeitskollegen wären in der regionalisierten Spitex gewährleistet und finanziell tragbar.
Aus all diesen Gründen stehen wir voll hinter der Regionalisierung. Die Übernahme der Spitex durch das Seniorenzentrum Hardmatt ist für uns keine befriedigende Lösung. Zum einen, weil wir nicht sehen, wie ein Heim, wie die Hardmatt, all die Vorgaben, die auf die Spitex zukommen, erfüllen kann. Und zum andern weil der Pflegeauftrag im Heim und der Pflegeauftrag in der Spitex zwei völlig verschiedene Arbeitsbereiche sind. Wir haben über Jahre in beiden Bereichen gearbeitet. Wir wissen, wovon wir reden. Wir können das beurteilen. Dazu kommt, dass Spitex und Heim nicht dieselben Interessen vertreten. Das Interesse des Heimes ist, alle seine Betten zu belegen. Unser Interesse ist, dass unsere Klienten möglichst lange zu Hause bleiben können. Wir Spitex-Mitarbeiter brauchen die fachliche Unterstützung und den fachlichen Austausch mit unseren Kollegen von der Spitex, nicht vom Heim.
Mit der Regionalisierung würde sich für unsere Klienten nichts ändern. Unser Stützpunkt in Strengelbach würde bestehen bleiben, wir wären für unsere Kunden weiterhin in gewohnter Weise da. Intern würde unsere Arbeit aber durch die Regionalisierung erleichtert. Wo das künftige Zentrum der fusionierten Spitex sein wird, wird sich erst nach der Gründung der neuen Organisation zeigen. Strengelbach wäre der geografische Mittelpunkt der künftigen Organisation.
Aus all diesen Gründen stehen nicht nur die Mitarbeitenden der Spitex Strengelbach-Vordemwald-Brittnau voll hinter dem Fusionsprojekt von zofingenregio, sondern alle Spitexorganisationen in der Region. Wir Spitexfachleute sind überzeugt, dass die Pflichten, die bereits heute von uns verlangt werden und noch auf uns zukommen, von kleinen Spitexorganisationen nicht mehr geleistet werden können.
Über das Regionalisierungsprojekt ist bisher viel diskutiert und geschrieben worden. Was uns aufgefallen ist: Wir Spitexfachleute, die Tag für Tag an der Front arbeiten, sind nie gefragt worden. Geäussert haben sich die Politikerinnen und Politiker der Gemeinden in der Region. Und geäussert haben sich vor allem die Vertreter der Heime. Es täte uns sehr weh, wenn sich die drei Gemeinden Strengelbach, Brittnau und Vordemwald für unterschiedliche Lösungen entscheiden würden. Dadurch würde unsere Spitex auseinandergerissen. Unsere Mitarbeitenden müssten sich beruflich neu orientieren. Das gälte auch für uns Co-Leiterinnen. Der Abschied von unseren Klientinnen und Klienten würde uns sehr schwerfallen.