Nationalbank-Chef Thomas Jordan eckt mit seiner Minuszins-Politik überall an

Was Thomas Jordan zu tun hat als Nationalbank-Chef, das sollte eigentlich sehr klar sein. Er soll eine „Geldpolitik im Gesamtinteresse des Landes führen“, heisst es im Nationalbankgesetz. 

Und doch ist irgendwie nichts so richtig klar. Jeder Verband versteht natürlich etwas anderes unter „im Gesamtinteresse des Landes“. Jeder Verband, seine Mitglieder-Unternehmen würden mehr Opfer erbringen mit der aktuellen Politik als die Unternehmen von anderen Verbänden. Und so erklärt sich auch, dass es Jordan eigentlich nie allen recht machen kann. Und manchmal kann er es gar niemandem recht machen.  

Heute scheint so ein Tag gewesen zu sein, an dem er es niemandem recht machte. Die Penionskassen hätten sich ja eigentlich freuen können. Jordan erhöht die Freibeträge, auf die die Banken keinen Negativzins zahlen müssen. Damit werden die Banken voraussichtlich auch weniger Negativzins-Kosten an die Pensionskassen weiterleiten. Doch die Pensionskassen freuen sich nicht. Im Gegenteil, sie verschicken eine giftige Mitteilung, in der es heisst: „Mit dem heutigen Entscheid ist der Druck auf die Altersvorsorge unverändert hoch geblieben.“

Jordan macht es allen unrecht

Für die Bankenlobby ist Thomas Jordan längst der Buhmann. Die Branche ächzt unter der wachsenden Konkurrenz neuer Anbieter und klagt immer lauter über die Kosten, die ihr die Notenbankpolitik und die damit verbundene Verschärfung der regulatorischen Auflagen bescheren.

Auch bei den Gewerkschaften hat Jordan einen schweren Stand. Die Aufgabe des Mindestkursregimes sei ein Fehler gewesen, heisst es aus dieser Ecke. Der teurere Franken hat die internationale Wettbewerbsposition vieler Unternehmen schlagartig verschlechtert und den Spielraum für Lohnerhöhungen stark eingeschränkt. Manche Patrons wie der Uhrenunternehmer Nick Hayek (Swatch Group) solidarisierten sich öffentlich mit den Arbeitnehmerorganisationen; ein Vorgang von historischer Seltenheit.

Bei den angehenden Pensionären weckt Jordans Politik Sorgen um die künftigen Renten. Sie stellen sich die Frage: Wie sollen die Pensionskassen die dafür nötigen Erträge generieren, wenn sie keine zinstragenden Anlagen mehr finden und der Bevölkerungsnachwuchs dünner und dünner wird?

Jordan hat in den vergangenen Jahren also kaum neue Freunde gewonnen. Dennoch hat sich in der Politik bislang niemand ernsthaft getraut, am autonomen Status der Nationalbank zu rütteln.

Das wäre mit Sicherheit anders, wenn die Unzufriedenheit über die Mindestzinspolitik offensichtlich ungleich verteilt wäre. Denn nichts vermag dem Ruf einer Notenbank mehr zu schaden, als wenn sie sich zur Advokatin einzelner Interessengruppen macht. Jordan macht es lieber allen unrecht. 

Dass die Nationalbank mit ihrer Minuszinspolitik in allen Teilen der Wirtschaft und der Bevölkerung gleichermassen aneckt, ist ihr grösstes Verdienst. Sie sorgt damit nicht nur für einen Ausgleich der Interessen, sondern verfolgt auch ihre eigenen Interessen. Schliesslich ist der Schutz vor Partikularinteressen gerade in der Schweiz einer der Hauptgründe dafür, dass die Nationalbank dem direkten Zugriff durch die Politik entzogen ist.

Jordan wird weiter auf die Minuszinspolitik setzen

Die Negativzinspolitik sorgt zwar verbreitet für Unmut, aber die einigermassen gleichmässige Verteilung der Lasten sichert der Nationalbank die Akzeptanz in der Öffentlichkeit, die nötig ist, damit sie ihren autonomen Status auch in Zukunft legitimieren kann.

Deshalb wird Thomas Jordan den vielen Forderungen nach Anpassungen seines geldpolitischen Kurses auch heute Donnerstag nur soviel Gehör schenken, wie es der Maximierung der Gesamtinteressen des Landes nützt. Eine baldige Abkehr von der Minuszinspolitik ist dabei ebenso wenig eine Option wie ein erneuter Versuch, den Frankenkurs auf einem den Exportfirmen und den Gewerkschaften genehmen Niveau einzumauern.