
Neue Gentechnik macht Hoffnung: Kann sie Pestizide ersetzen?
Die Fronten zu den Agrar-Initiativen sind verhärtet. Doch im Grundsatz wären sich alle einig: Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln soll verringert werden. Und dazu braucht es Sorten, die weniger anfällig auf Schädlinge und Krankheiten sind. Wie können diese gezüchtet werden? Bei der klassischen Methode werden Pflanzen mit bestimmten natürlichen Eigenschaften ausgewählt und gezielt miteinander gekreuzt. Weit schneller geht es mit direkten Eingriffen in die Gene.
Doch Gentechnik ist in der Schweiz tabu, seit das Volk vor 16 Jahren das Gentechmoratorium angenommen hat. Damals wurde der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen für fünf Jahre verboten. Zweimal wurde das Verbot bereits verlängert. Heute diskutiert das Parlament darüber, ob es über 2021 hinaus für weitere vier Jahre gelten soll.
Mit Crispr hat ein neues Zeitalter begonnen
Gentech ist jedoch heute nicht mehr dasselbe wie vor 16 Jahren. Damals wurde relativ unpräzis an den Genen hantiert. In der Zwischenzeit wurde Crispr/Cas entwickelt – die Genschere, deren Erfinderinnen im vergangenen Jahr mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden. Mit ihrem sogenannten «Genome Editing» lassen sich gezielt einzelne Gene in einen Organismus einsetzen, aktivieren oder deaktivieren.
Didier Reinhardt, Professor für Pflanzenbiologie an der Universität Freiburg, nennt ein Beispiel: «Beim Weizen gibt es ein Gen, das die Abwehr gegen Mehltau schwächt. Es ist gelungen, dieses zu deaktivieren und den Weizen dadurch resistenter zu machen.»
Gezieltere und schnellere Veränderungen in den Pflanzen
Mehltau wird in der konventionellen Landwirtschaft mit Fungiziden bekämpft. Die genmodifizierte Sorte verspricht also höhere Erträge bei weniger Pestiziden. Doch Bio Suisse, der Dachverband für biologische Landwirtschaft, will diese Pflanzen nicht auf den Feldern haben. Lukas Inderfurth, Leiter Kommunikation, sagt:
«Gentechnik umgeht gezielt natürliche Mechanismen und erschafft Leben, das in der Natur so nicht entstehen würde.»
Die einzelnen mit der Genschere erzielten Veränderungen unterscheiden sich zwar nicht von natürlichen Mutationen. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass durch klassische Züchtung genau jene Kombination von Genmutationen entsteht, die den Weizen resistenter gegen Mehltau macht, ist praktisch null. Mit der Genschere werden also nicht grundsätzlich andere Veränderungen gemacht, aber gezieltere und schnellere als mit anderen Methoden.
Klimawandel erfordert neue Züchtungen
Diese Geschwindigkeit ist eines der wichtigsten Argumente, um die Genom-Editierung zuzulassen. Die Akademie der Wissenschaften schreibt in der Vernehmlassungsantwort zur Verlängerung des Moratoriums: «Dies ist ein entscheidender Vorteil, um insbesondere im Zusammenhang mit dem Klimawandel rasch massgeschneiderte Lösungen zu entwickeln, etwa für neue Krankheiten und Schädlinge oder veränderte Anbaubedingungen.»
Gentech-Firmen verkaufen auch Pestizide
Allerdings haben die wichtigsten Akteure in der Öffentlichkeit nicht den besten Ruf. Lukas Inderfurth von Bio Suisse sagt:
«Die vier grössten Gentech-Züchter der Welt mit rund 60 Prozent Marktanteil sind gleichzeitig Agrochemie-Firmen, die ihr Geld mit dem Verkauf von Pestiziden verdienen.»
Deren bekannteste Entwicklungen in der Gentechnik sind einerseits Sorten, die selber Insektizide produzieren und so Schädlinge abwehren – zum Beispiel der sogenannte BT-Mais. Anderseits wurden Sorten designt, die gegen Herbizide resistent sind. Diese überleben Giftduschen, etwa mit Glyphosat, welches dem Unkraut den Garaus macht. Diese Sorten wurden noch mit herkömmlicher Gentechnik entwickelt, nicht mit der Genschere Crispr.
Für Gesundheit unbedenklich
Die Vorbehalte in der Bevölkerung sind gross. Als die eidgenössische Forschungsanstalt Agroscope 2008 Feldversuche startete, wurde das Feld sogar von Vermummten zerstört. Doch der Wissenschaft sind keine Gesundheitsschäden durch gentechnisch veränderte Pflanzen bekannt. Und für die Umwelt seien die Risiken dieselben wie mit konventionellen Züchtungen. So lautete ein Ergebnis des nationalen Forschungsprogramms, das von 2007 bis 2011 durchgeführt wurde. Didier Reinhardt sieht bei den neuen Methoden sogar noch geringere Risiken, da beim gezielten Modifizieren weniger unerwünschte Nebeneffekte auftreten. Er sagt:
«Die Gesetzgebung ist komplett veraltet.»
Sinnvoll fände er, wenn die neuen Methoden des Genome Editing nicht mit der alten Gentechnik gleichgestellt wären. Falls das Moratorium verlängert wird – wovon auszugehen ist –, müsse in den kommenden Jahren zumindest die Diskussion neu lanciert werden.
Diese Diskussion wünscht sich auch Agroscope-Chefin Eva Reinhard, wie sie kürzlich an einer Podiumsdiskussion sagte:
«Ich glaube, dass das dringend notwendig ist, weil hier eine riesig grosse Chance verpasst wird, wenn wir es nicht tun.»