
Neue Kreisförsterin: «Natürlich kann ich einen Baum fällen»
Die Frage muss erlaubt sein: Lernt man im Laufe des Studiums der Forstwissenschaften eigentlich auch, einen Baum zu fällen? Antwort: Man lernt das, ob Frau oder Mann. Und deshalb legt sich die Stirn von Veronika Röthlisberger ob der Frage auch nicht in Falten. «Natürlich kann ich einen Baum fällen», sagt sie fast heiter. Auch wenn diese Tätigkeit heute nicht mehr zu ihrem eigentlichen Kerngeschäft gehört. Die Bewirtschaftung des Waldes sei Aufgabe der Revierförster, sagt die 46-Jährige. Seit einem knappen halben Jahr ist sie als Nachfolgerin von Werner Schwaller Kreisförsterin Olten-Gösgen.
Drei Gemeinden aus dem Gäu, elf aus dem Niederamt und 15 aus dem Bezirk Olten gehören dazu. Auf knapp 6670 ha werden dort jährlich gut 44000 m3 Holz geschlagen. Das erfordert Übersicht. «Dass ich den Wald in ‹meinem› Forstkreis täglich etwas klarer sehe, verdanke ich der hervorragend strukturierten Arbeit meines Vorgängers Werner.» Unter anderem mit diesem Satz hat sich die zweifache Familienmutter seinerzeit den solothurnischen Bürgergemeinden und Waldbesitzern vorgestellt.
Eine Kosmopolitin in hiesigen Wäldern
Kein Schelm, wer die im Kanton Zug aufgewachsene Forstingenieurin als schiere Kosmopolitin bezeichnet. Geboren in Brasilien, aufgewachsen in Cham, Studium an der ETH Zürich, in Madrid und dem kanadischen St. John’s, Einsätze in Ostafrika für das schweizerische Korps für humanitäre Hilfe, jetzt in Basel wohnhaft. «Ich war eigentlich immer gerne draussen, fasziniert vom Bergsport, betrieb Orientierungslauf», sagt Veronika Röthlisberger über ihre Berufswahl, der auch etwas Zufälliges anhafte. «Es hätte durchaus andere Optionen gegeben», meint sie.
Nur das Arbeiten im Raum, dessen Topografie, die dort lebenden Menschen, das sei faszinierend und habe bei der Studienwahl im Hintergrund wohl mitgewirkt. Mittlerweile ist die Forstingenieurin sicher einmal in jedem Wald auf jedem Gemeindegebiet ihres Kreises gewesen. «Mindestens einmal die Woche bin ich in den Wäldern unterwegs», sagt sie. Der Rest gehört administrativen Angelegenheiten, die man getrost auch als Arbeit mit und im Sinne des Waldgesetzes verstehen kann.
«Wir sind so etwas wie die Anwälte des Waldes», sagt die Kreisförsterin. Den Wald in seiner Fläche und in seiner räumlichen Verteilung erhalten – eine der Hauptintentionen des Waldgesetzes nämlich. Aspekte, die etwa im Rahmen von Ortsplanungen zum Thema werden, bei Baugesuchen, beim Festsetzen von Schlagmengen, dem sogenannten Hiebsatz, der die flächenbezogene nachhaltige jährliche einschlagbare Holzmenge angibt. Oder dann die Bearbeitung des Waldbodens, die eigentlich gar nicht sein darf. Deswegen dürfen auch keine Wurzelstöcke entfernt werden, wie Veronika Röthlisberger erklärt. Umgraben verboten. «Der Waldboden hat sich seit Tausenden von Jahren entwickelt, weitgehend unbeeinflusst vom Menschen», sagt Veronika Röthlisberger, die den Wald in seiner Vielfalt in ihrem Kreis faszinierend findet. «Sie treffen die unterschiedlichsten Waldbilder an im Kreis Olten-Gösgen, abhängig vom Boden, der Topografie und der Handschrift des jeweiligen Revierförsters.» Die nämlich verfügen im Rahmen des Waldgesetzes über grosse Entscheidungsfreiheit.
Der Wald wird wohl mediterraner
Und wie sieht die Kreisförsterin den Wald in 30, 40 Jahren? «In Anbetracht des Klimawandels dürften gewisse Baumarten wie etwa die Fichte zumindest in Mittellandlagen nur noch vereinzelt vorkommen», meint Veronika Röthlisberger. Grundsätzlich werde der Wald wohl mediterraner. Und: Geringere Baumhöhen seien zu erwarten. «Die uns heute vertrauten Hallenwälder mit majestätischen, 30 Meter hohen Buchen werden wohl zur Ausnahme», fügt sie an.
«Wissen Sie, der Umgang mit Wald macht bescheiden.» Denn das äusserst anpassungsfähige Lebenssystem verzeihe viele Einflüsse und Eingriffe. Und wenn diese nicht allzu massiv seien, würde sich das System Wald auch nicht wirklich aus dem Kreislauf vom ständigen Werden und Vergehen bringen lassen. Die Natur als solche kenne kein Gleichgewicht und entwickle sich fortwährend, wenn auch in schleichendem Tempo. «Das ist dem Menschen häufig nicht so bewusst», so Veronika Röthlisberger.